Angelo Buscemi, Country Manager Adobe Schweiz, im Interview

Angelo Buscemi, Country Manager Adobe Schweiz, im Interview
Angelo Buscemi, Country Manager Adobe Schweiz (Bild: Adobe)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Buscemi, Adobe hat sich vom traditionellen Softwarehaus zum Clouddienstleister gewandelt. Wie sieht heute die prozentuale Verteilung bei den Einnahmen aus, wieviel stammt aus Cloudlösungen?

Angelo Buscemi: Adobe ist heute der weltweit führende Anbieter von Software und Online-Services für digitale Medien und digitales Marketing. Die drei leistungsstarken Lösungen Adobe Experience Cloud, Adobe Creative Cloud sowie Adobe Document Cloud ermöglichen die Kreation digitaler Inhalte, zielgenaue Veröffentlichungen auf relevanten Kanälen, Erfolgsmessung und kontinuierliche Optimierung.

«In der Schweiz liegt besonderer Fokus auf der Adobe Experience Cloud – nicht zuletzt weil der zu dieser Cloud gehörende Adobe Experience Manager (AEM) grösstenteils in Basel entwickelt wird.» Angelo Buscemi, Country Manager Adobe Schweiz

In der Schweiz liegt besonderer Fokus auf der Adobe Experience Cloud – nicht zuletzt weil der zu dieser Cloud gehörende Adobe Experience Manager (AEM) grösstenteils in Basel entwickelt wird. Auch innerhalb des gesamten Konzerns gewinnen die Marketinglösungen stets an Bedeutung: 2016 erzielte Adobe Systems einen Gesamtumsatz von rund 5,85 Milliarden US-Dollar. Seit 2015 gehen rund 30 Prozent des Unternehmensumsatzes auf die Adobe Marketing Cloud, die heute Bestandteil der Adobe Experience Cloud ist, zurück.

Mit dem Cloudangebot hat sich auch der Funktionsumfang erweitert. Stand früher die Kreativität im Mittelpunkt, sind es heute vermehrt Endkunden fokussierte Aspekte. Wo setzt Adobe in nächster Zukunft die Schwerpunkte bei seinen Angeboten?

Grundsätzlich kann man sagen, dass unser Konzept auf dem kombinierten Einsatz unserer Cloud-Lösungen basiert. Um die Beziehung zu Kunden aufrechtzuerhalten, nehmen führende Markenunternehmen jetzt eine Umgestaltung ihrer Erlebnisse in Angriff, um Markentreue und Wachstum voranzutreiben.

Inhalte werden dazu geschaffen, mit Kunden und Zielgruppen zu interagieren – sei es nun mobil, im Web, in Print-Form oder bei persönlichen Interaktionen. Es gilt, sämtliche Kanäle schnell und konsistent mit zur Plattform passendem Content zu bespielen. Ohne ansprechende und personalisierte Inhalte startet keine Interaktion. Die mittels dieser Interaktion gesammelten Daten ermöglichen jedoch Personalisierungen und helfen, Angebote an den Kunden heranzutragen, die für ihn interessant sind. Diese Content-Optimierung kann am einfachsten umgesetzt werden, wenn dafür von der Erstellung der Inhalte über die Veröffentlichung derselben bis hin zur Messung ein einheitliches Experience-Management-Tool eingesetzt wird.

Genau diesen Ansatz verfolgen wir bei Adobe: So ist die Enterprise-Version der Adobe Creative Cloud mit der Adobe Experience Cloud verbunden, um kreative Workflows zu vereinheitlichen und schneller über die richtigen Kanäle zu verteilen. Marketingfachleute können beispielsweise Inhalte aus der Adobe Creative Cloud Libraries ziehen und Bilder in Adobe Campaign bearbeiten, um personalisierte E-Mails zu kreieren und auszuliefern. Das digitale Asset Management System des Adobe Experience Managers synchronisiert automatisch die auf gemeinsamen Metadaten basierenden Inhalte aller Clouds, um sicher zu stellen, dass nur die letzte Version der Kampagnen-Assets zum Einsatz kommt. Mit Adobe Analytics und dem Adobe Social Publishing Panel, das seit kurzem in der Video-Software Premiere Pro CC verfügbar ist, können Kreativteams ihre Video-Inhalte über Social-Media-Kanäle veröffentlichen und erhalten in Echtzeit wichtige Rückmeldungen.

Die Digitalisierung führt zu einer immer grösseren Menge anfallender Daten, die möglichst zeitnah analysiert werden sollten, um die Kundeninteraktion gezielter zu gestalten. Wie kann Adobe seine Kunden bei diesem Thema unterstützen?

Bei der digitalen Transformation stehen heute vor allem der Kunde und die richtige Customer Experience im Mittelpunkt. Kunden können überall und jederzeit mit einer Marke in Kontakt treten, digital oder analog. Das ist zwar eine grosse Chance für Unternehmen, die aber ohne eine überzeugende Customer Experience über alle Touchpoints hinweg nicht genutzt werden kann. Bleibt das zu erwartete Kundenerlebnis aus, ist der Wechsel zu einer anderen Marke heute so schnell und einfach wie nie. Oftmals ist er gar nur noch einen kurzen Klick entfernt. Dem Kundenerlebnis kommt daher eine Schlüsselrolle zu und diese kann zum grössten Wettbewerbsvorteil werden.

«Bleibt das zu erwartete Kundenerlebnis aus, ist der Wechsel zu einer anderen Marke heute so schnell und einfach wie nie. «

Wie dies konkret aussehen kann, zeigt der US-amerikanische Sportartikel-Hersteller «Under Armour», der ein völlig neues Einkaufserlebnis im stationären Handel schafft. Interaktiver Content mit Bildern, interaktiven 3D-Modellen und Videos werden aus dem Web direkt auf physische Umgebungen wie auf InStore-Touchscreens, mobile Apps und die Displays von Wearables wie Smartwatches oder Aktivitäten-Tracker ausgeweitet. Eine einheitliche Autoren-Schnittstelle verbindet die Inhalte dabei mit sämtlichen Brand Experiences und sorgt für Konsistenz. Dieses Vorgehen scheint sich zu bewähren: Keine Sportmarke wächst so schnell wie «Under Armour». Inzwischen gehört das 1996 gegründete US-Unternehmen zu den erfolgreichsten Sportmarken der Welt.

Die Schweiz hat zahlreiche moderne Infrastrukturanbieter, welche Plattformen für Cloudlösungen in allen Varianten und mit guter Sicherheit bieten. Wie sieht es mit der Akzeptanz auf Kundenseite aus, was muss geschehen, dass auch Endkunden vermehrt auf die Cloud setzen?

In den Segmenten Creative und Document Cloud ist Adobe sowohl im Bereich Unternehmen als auch Privatkunden gut aufgestellt, so nutzt etwa die Stadt Zürich für die Optimierung ihrer Online-Formulare Adobe E-Forms und einer der beliebtesten Beiträge von SRF Dok wurde mit Adobe Premiere Pro editiert.

Acht der zehn grössten Schweizer Banken nutzen beispielsweise die Adobe Experience Cloud und gemäss der Trendstudie «Digital Trends 2017 in Financial Services and Insurance», den das Marktforschungsinstitut Econsultancy im Auftrag von Adobe durchführte, dürfte die Bedeutung von digitalen Marketing-Tools in den nächsten Jahren vor allem in der Finanz- und Versicherungsindustrie steigen.

Die neue Kundenfokussierung wollen die Finanzinstitute demnach vor allem über Targeting und Personalisierung (33 Prozent), gezieltes Customer Journey Management (31 Prozent) und Content Marketing (25 Prozent) erreichen. Diese Massnahmen sollen möglichst konsistent über alle Kanäle hinweg erfolgen: Perfekt aufeinander abgestimmte Marketing-Projekte sind für 98 Prozent der Befragten in den nächsten Jahren das A und O.

In der Schweiz, aber auch anderen Ländern, ist die Datensicherheit ein zunehmend zentrales Thema. Wo befinden sich Adobes Cloud-Rechenzentren für Schweizer Kunden?

Auch Adobe nimmt Datensicherheit und Datenschutz sehr ernst. Unsere Antwort darauf ist zum einen unsere eigene proaktive Sicherheitsarchitektur, die in der Adobe-ID unserer Kunden integriert ist, sowie das Konzept des «Secure Product Lifecycle», dass bereits mit der Entwicklung unserer Produkte angelegt wird. Zum anderen nutzen wir bewährte und solide Plattformen unserer Partner, gerade was die Rechencenter-Infrastrukturen anbelangt.

Neben den Data Centern von Amazon Web Services in Irland und Deutschland werden unsere Kunden dank unserer Partnerschaft mit MS Azure künftig auch von der global verfügbaren RZ-Infrastruktur von Microsoft profitieren können. Selbstredend sind unsere Cloud Services nach ISO 27001 zertifiziert und unsere Kunden können selbst entscheiden, welche ihrer digitalen Daten sie der Cloud anvertrauen wollen.

Bei Videos stehen Lösungen in den Bereichen Virtuelle Realität und Animationen von personifizierten Charakteren vor dem Durchbruch. Wo sehen Sie hier Anwendungen, welche in nächster Zukunft das Geschäft Ihrer Kunden signifikant beeinflussen werden?

Bis zum Jahr 2020 plant ein Viertel der im Rahmen der Studie «Digital Trends 2017» befragten Marketing-Experten Virtual oder Augmented Reality einzusetzen, um die Kunden zu einer höheren Interaktion zu motivieren. Speziell in Europa stehen künstliche Intelligenz und Bots als wichtige Zukunftstechnologien des Marketings hoch im Kurs.

Das Beispiel des Schweizer Küchenherstellers Franke Kitchen Systems zeigt auf, wie der Einsatz von VR im Verkauf aussehen kann: Es wurde ein «Digital Showroom» entwickelt, in dem sich Kunden ihre neue Küche bereits in einem frühen Stadium sehr realitätsnah betrachten und entsprechend ihrem persönlichen Geschmack erleben können.

«Speziell in Europa stehen künstliche Intelligenz und Bots als wichtige Zukunftstechnologien des Marketings hoch im Kurs.»

Für Händler und Küchenstudios bedeutet der digitale Showroom eine willkommene Erweiterung der Ausstellungsfläche, bei gleichzeitiger Ausweitung des erlebbaren Sortiments. Gesteuert wird dieser Ausflug in die Zukunft über eine Smartphone-App. Diese App erlaubt es dem Kunden, mit seinem eigenen Handy 360° Panorama-Fotos in der virtuellen Umgebung zu schiessen. Diese können anschliessend im Heimkino Familienmitgliedern präsentiert oder für Freunde auf der Facebook-Timeline gepostet werden. Von der Farbe, der Arbeitsplatte über den Aufbau bis hin zu den Elektrogeräten und Armaturen kann jedes Detail beliebig oft verändert und angepasst werden.

Verglichen mit den technischen Möglichkeiten mutet die Realität zum Beispiel beim Dokumenten-Management von Banken und Versicherungen oft sehr altertümlich an. Ausdruck von Dokumenten, physisches Unterzeichnen, Einscannen, per Briefpost verschicken. Weshalb ist man hier noch nicht weiter mit elektronischen Signaturen und vollständigen digitalen Prozessen?

Am 1. Juli 2016 trat eine neue EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS) in Kraft. Bis anhin hatte jedes Land seine eigenen Gesetze und Regeln, sodass Handelspartner spezielle Kenntnisse zu jedem einzelnen Land haben mussten.

Der neue offene Standard für Cloud-basierte digitale Signaturen ermöglicht es jedem, überall und auf jedem Gerät Dokumente digital und rechtsgültig zu unterzeichnen. Um die Umsetzung der neuen Verordnung zu vereinfachen, hat Adobe zusammen mit zwölf anderen marktführenden Unternehmen zur Schaffung eines neuen offenen Standards für Cloud-basierte digitale Signaturen das Cloud Signature Consortium gegründet.

Mithilfe der Adobe Document Cloud und Adobe Sign werden digitale Signaturen – die fortschrittlichste und sicherste Form der elektronischen Signatur – in jedem beliebigen Browser sowie auf jedem mobilen Gerät möglich. Mit der neuen Adobe-Sign-App können gedruckte Seiten schnell eingescannt und zur Unterzeichnung versendet werden. Nutzer können auch selbst per Smartphone oder Tablet signieren, wo immer sie sich gerade befinden. Es entstehen gestochen scharfe PDF-Dokumente, die automatisch zugeschnitten, korrigiert und zur Unterzeichnung vorbereitet werden und für alle gut lesbar sind.

Shantanu Narayen, der Adobe seit 10 Jahren als CEO leitet, hat das Unternehmen radikal vom Software-Lizenzgeschäft auf Abo-Dienste aus der Cloud umgestellt. Auf zwischenzeitliche Umsatz- und Gewinnrückgänge folgten in den letzten Jahren wieder Gewinnsprünge nach oben und im 2016 ein Rekordumsatz. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit und Ihre Ziele als Verantwortlicher in der Schweiz ausgewirkt?

Unser erfolgreicher Geschäftsgang zeigt, dass die von Shantanu Narayen eingeleitete Strategie die Weichen richtig gestellt hat. Strategieanpassungen brauchen immer ihre Zeit, um vom Markt angenommen zu werden. Insofern war ich da immer optimistisch, dass wir auch in der Schweiz unsere gesteckten Ziele erreichen können.

Wir verkaufen ja hierzulande nicht nur die Adobe-Produkte, sondern wir entwickeln auch eines der Herzstücke der Adobe Experience Cloud. Damit sind wir sehr nahe am Puls unserer Kunden und deren Bedürfnisse fliessen unmittelbar in die Produktentwicklung ein. Adobe Schweiz ist eine sehr erfolgreiche Ländergesellschaft und wir zählen namhafte Schweizer Unternehmen wie die Swisscom, die SBB oder Schindler zu unseren Kunden.

Welche Technologien haben aus Ihrer Sicht das Potenzial, in den kommenden Jahren unsere Arbeit und unser Leben fundamental zu beeinflussen?

Dazu gehören meiner Meinung nach unter anderem Virtual sowie Augmented Reality. Wie der Case von Franke Kitchen Systems zeigt, können diese Technologien bereits heute im Produktemarketing verwendet werden.

Ein weiterer Trend ist künstliche Intelligenz: Marketingverantwortliche stehen aktuell vor der Herausforderung, mit einer unaufhaltsamen Datenflut Schritt zu halten. Mit dem KI-Tool Adobe Sensei hat Adobe dieser Entwicklung bereits Rechnung getragen: Das zentrale Framework für künstliche Intelligenz und Machine Learning analysiert Daten aus Kanälen wie Unternehmenswebsites, Newslettern oder Social-Profilen und benachrichtigt die Nutzer automatisch, wenn relevante Informationen ermittelt wurden.  Dazu können etwa eine neue Look-Alike-Zielgruppe oder eine zu vermittelnde Botschaft gehören. Zusätzlich können Marktveränderungen prognostiziert werden.

Im Zusammenspiel mit Adobe Creative Cloud denkt Adobe Sensei immer einen Schritt voraus. Adobe Sensei kann Objekte in Bildern erkennen, selbständig Suchbegriffe zu den Foto-Tags hinzufügen und Schriften automatisch eruieren. Mit der Funktion zur Gesichtserkennung lassen sich Orientierungspunkte wie Augenbrauen und Lippen festlegen, sodass Sie den Gesichtsausdruck mit einem Klick ändern können. Zuvor aufwendige Aufgaben sind jetzt in Sekundenschnelle erledigt.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Oftmals wird beklagt, die digitale Transformation bedrohe unsere Arbeitsplätze. Ich würde mir wünschen, dass sich sowohl die Unternehmen, als auch jeder Einzelne eher auf die Chancen als die Risiken der Digitalisierung fokussiert. Wir haben beispielsweise im Augenblick Stellen als Java/Web Content Manager oder Customer Success Manager ausgeschrieben – solche Funktionen gab es vor ein paar Jahren noch gar nicht.

Und mein zweiter Wunsch wäre, dass Adobe ein so attraktiver Arbeitgeber wie bis anhin bleibt, damit wir nicht nur sämtliche Kollegen aus unserer Day-Vergangenheit weiter halten, sondern auch immer die Besten ihres Fachs von unseren digitalen Visionen begeistern können.

Der Gesprächspartner:
Angelo Buscemi ist Country Manager von Adobe Systems und verantwortet in dieser Position die Geschäftstätigkeiten von Adobe Systems in der Schweiz, in Lichtenstein und in Österreich. Er schloss sich Adobe Systems nach der Übernahme der Day Software an, bei der er die letzten zehn Jahre verschiedene Führungspositionen innehatte. Zuletzt war er dort verantwortlich für das Geschäft in Zentral- und Südeuropa. Herr Buscemi studierte Elektrotechnik und war die letzten 22 Jahre in der Software-Industrie tätig.

Über Adobe Systems
Adobe verändert die Welt durch digitale Erlebnisse.
In der Schweiz ist die Adobe Systems (Schweiz) GmbH in Zürich für Vertrieb, Marketing und Kundenbetreuung zuständig. Weitere Informationen erhalten Sie auch unter www.adobe.com/ch_de.

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