Satte Renditen

Satte Renditen

Von Martin Raab und Dieter Haas, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

Agrarrohstoffe bieten vielfältige diversifizierte Anlagemöglichkeiten. Die jüngsten Preisentwicklungen zeigen deutlich, dass Erntebedingungen, Bevölkerungsentwicklung, aber auch Subventionen massgeblich beeinflussen. Sozialwerke verdächtigen hingegen den Finanzmarkt als Preistreiber. Wo jetzt Chancen warten – und wer welche Kursimpulse sät.

Wer Ende September im Landeanflug über Des Moines, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Iowa, einschwebt, kann rasch nachvollziehen, was hier hauptsächlich angebaut wird: Mais. Felder im XL-Format so weit das Auge reicht, durchzogen von Flüssen und Seen. 70% des Bundesstaates, der 3,5-mal so gross wie die Schweiz ist, sind von Maisfeldern bedeckt. Die drei Millionen Einwohner Iowas produzieren ein Zehntel des Nahrungsmittelbedarfs der gesamten USA im Wert von rund USD zehn Milliarden – pro Jahr. «Soft-Commodities» sind im Mittleren Westen seit Langem fester Bestandteil der Wirtschaftsstruktur. So wurde im Jahr 1881 nicht zufällig im Nachbarstaat Minnesota die erste Börse für Agrarrohstoffe gegründet. Ältere US-Schwester ist die 1848 gegründete Rohstoffbörse Chicago Board of Trade. Diese ist inzwischen fusioniert mit der Chicago Merchantile Exchange und New York Merchantile Exchange zur CME Group, der Weltmarktführerin beim Handel mit Agrar-Rohstoffen.

Handel im Umbruch

Der Terminkauf- und verkauf von Agrarrohstoffen hat bei Landwirten und Produzenten eine lange Tradition – nicht nur in Übersee. In Europa wurden bereits im 14. Jahrhundert in Brügge und Amsterdam Weizen und Gewürze börslich gehandelt, das sicherte den Bauern die Abnahmepreise der Ernte. Doch die Zeiten haben sich geändert: Die Musik im Agro-Business spielt heute auf globaler Ebene. Agrarkonzerne treten in der Regel als Direktankäufer auf, übernehmen die Lagerung und betreiben die möglichst vollständige Wertschöpfungskette. Grosskonzerne wie Cargill (Jahresumsatz USD 136 Mrd.), Bunge (USD 60 Mrd.) oder Dreyfus (USD 57 Mrd.) brillieren in diesem Geschäft. Im physischen Agrarstoffhandel werden jährlich Warenwerte von geschätzten 600 Mrd. gehandelt – weitgehend unreguliert, im Unterschied zum Finanzmarkt. Dort wird der Handel von Rohstoff-Futures von der US-Aufsichtsbehörde CFTC automatisch erfasst und regelmässig die «Commitments of Traders» publiziert. So lassen sich die Positionierungen der Rohstoff-Player direkt auf der Website der CFTC ablesen.

Täglich neue Kunden aus Fernost

Der Handel mit Agrarprodukten ist mehr denn je ein strategisches Asset geworden. Deutliche Impulse kommen dabei von den neuen Grossverbrauchern in Fernost. So stammen 99,8% aller Weizenimporte Chinas aus den USA. Nahezu täglich konvertiert ein Asiate in den Speisegewohnheiten – «Schweinebraten statt Reispfanne». Das sorgt im globalen Agrarbusiness für zusätzliche Nachfrage. Parallel entstehen in Fernost neue Handelsplätze. Ein Newcomer ist die Dalian Commodity Exchange in China, die inzwischen zu einer der grössten Agrarbörsen der Welt gehört. Dort werden die höchsten Umsätze in Sojabohnen und Sojaöl gehandelt. Die etablierten Terminbörsen in Chicago verteidigen unterdessen ihre Leaderstellung bei Weizen und Mais. Bekannterweise laufen die Fäden im weltweiten Handel mit physischen Agrargütern in Genf zusammen. Die Rhônestadt ist zugleich Zentrum der Handelsfinanzierung, Warenprüfstelle und Jobmotor für Commodities-Spezialisten. Nur eines wird in Genf nicht gemacht – die Erntebedingungen.

Wetter und Subventionen preisbestimmend

Egal wo die Agrargüter gehandelt werden, das Preisverhalten wird vom Pflanzenzustand und Ernteaussichten in den Anbauländern beeinflusst. Bei Wetterkapriolen reagieren die Terminmarktpreise für Rohstoffe in wenigen Minuten. Nicht «Spekulanten» bestimmen den Preis, sondern Petrus. Fester Bestandteil des preisbestimmenden Cocktails sind aber auch Subventionen. Jeder Steuerzahler der USA bezuschusst die Farmer z.B. mit umgerechnet CHF 430 im Jahr. Der EU-Durchschnitt beträgt EUR 188, in der Schweiz bezahlt jeder Steuerpflichtige indirekt gar bis zu CHF 2‘000 jährlich an Landwirtschaftssubventionen. Auch beim «Weizenkönig» Russland alimentiert Vater Staat seine Bauern. Diese bezahlen im Vergleich zu ihren globalen Konkurrenten nur ein Zehntel der sonst üblichen Pachtzinsen. Als besonders fragwürdig gilt der EU-Agrarhaushalt. Im letzten Jahr wurden EUR 5,4 Milliarden allein an die deutsche Landwirtschaft ausgezahlt. Beliebtes Programm ist «Grünflächen statt Acker». Das sorgt für weniger Erntemenge. Kurios: Teilweise erhalten aber selbst Chemiekonzerne, ohne einen Zentimeter Nutzland zu besitzen, 100’000 Euro an Agro-Zuschüssen aus Brüsseler Honigtöpfen.

131106_Kursentwicklung

Phantom-Spekulanten und die Lebensmittelpreise

Beim Stichwort Agrar-Rohstoffe trommeln seit geraumer Zeit diverse Initiativen, von Oxfarm bis zu Brot für alle (siehe auch Interview), gegen die sogenannte «Lebensmittelspekulation». Oft gehörte These ist: Spekulanten treiben mit gezielten Käufen den Preis nach oben und füllen sich somit die Taschen mit satten Renditen. Beim nüchternen Blick auf die Preisentwicklung diverser Agrargüter fällt auf, dass die Börsenkurse von Zucker, Sojabohnen, Weizen, Kaffee und vor allem Mais seit Januar 2013 aber alle gefallen sind. Preispush? Fehlanzeige. Im Langfristvergleich seit 1989 gibt es zwar beachtliche Kurssprünge nach oben und unten, doch letztlich ist die Teuerung moderat – bedenkt man, dass die Weltbevölkerung in den letzten 23 Jahren um rund 1,3 Milliarden Menschen gewachsen ist.

Emittenten reden Klartext

Entsprechend gross ist das Unverständnis im Finanzmarkt zu den Vorwürfen: «Wir spekulieren nicht mit Agrarrohstoffen, sondern führen ausschliesslich Kundentransaktionen aus. Unsere wenigen relevanten Anlageprodukte werden mit dem Ende ihrer Laufzeit nicht mehr verlängert und es werden auch keine neuen Produkte auf Agrarstoffe aufgelegt», äussert sich die Credit Suisse explizit gegenüber payoff. «Brot für alle» stellt primär die Grossbank ins Rampenlicht bei der angeblichen Agrarspekulation. Andere Emittenten geben ähnliche Klarstellungen. Prof. Paolo Vanini, Leiter Strukturierte Produkte bei der Zürcher Kantonalbank, erklärt, dass «die ZKB Produkte anbietet, welche eine Spekulation auf einzelne Agrarrohstoffe verunmöglichen, und einen Eigenhandel in Agrar-Rohstoffen gibt es bei der ZKB nicht». Bei der UBS, nach der Royal Bank of Scotland (RBS) einer der grössten Emittenten von Rohstoffprodukten, hat man «keine Evidenz, dass sich die Nachfrage nach Agrar-Rohstoffen kritikbedingt verändert hat. Die Kundennachfrage nach solchen Anlageinstrumenten ist primär abhängig von der allgemeinen Marktentwicklung der jeweiligen Rohstoff-Sektoren», so Dominique Scheiwiller von der UBS-Medienstelle. Die Kritik diverser Initianten erweckt den Anschein, dass das Anlegerinteresse an Agrar-Rohstoffen enorm gross sei und diese gezielt auf Preispushs setzen. Tatsächlich «handelt es sich um reine Nischenprodukte, die als Long- und Shortvarianten nachgefragt werden», so Florian Stasch, zuständiger Derivate-Experte von der RBS Schweiz.

131106_Constant Leverage

Neue Essgewohnheiten schaffen Kursphantasie

Beim Weltmarktführer für Rohstoffprodukte, ETF Securities, mit Hauptsitz in London, sah man in 2012 grosse Mittelabflüsse in Agrarprodukten. Inzwischen hat sich die Nachfrage wieder etwas gefestigt. «Langsam sehen die Anleger wieder Chancen. So ist der Maispreis auf einem 3-Jahres-Tief, Sojabohnen auf einem 18-Monats-Tief und vor dem jüngsten Preisanstieg beim Weizen verharrte der Preis auf einem 12-Monats-Tief», erläutert Rima Haddad, Head of Sales Switzerland. Für die Rohstoffexperten von ETF Securities ist der Grund für künftige Preissteigerungen sehr einfach am Bevölkerungswachstum ablesbar. Die Verwestlichung der Essgewohnheiten in China und Indien verleihen insbesondere Weizen, Mais, Kaffee und Zucker sehr viel Kursphantasie.

Hebelprodukte für taktische Positionierung

Für Trader, die aus taktischen Gründen mit Agrar-Rohstoffen handeln, bieten hierzulande die Constant Leverage-Zertifikate die grösste Auswahl. Der Produkttyp eignet sich speziell für das kurzfristige Ausnützen von Trends, und zw  ar sowohl nach oben als auch nach unten. Bis vor Kurzem dominierten dabei die Short-Varianten. Exemplarisch dafür ist die Kursentwicklung bis August 2013 des vierfach gehebelten Produktes auf Mais (siehe Grafik). Inzwischen lohnen sich Long-Investitionen immer häufiger. Vom Tiefst im Juni hat sich das Faktorzertifikat CBLKK4 auf Kakao bereits verdoppelt. Gut im Strumpf ist auch CBLSU4 auf Zucker. Ihm hat zuletzt der Brand in einem brasilianischen Hafen, bei dem 180’000 Tonnen Zucker verglühten, mächtig Auftrieb verliehen. Noch etwas gemächlicher entwickelt sich CBLWE4 auf Weizen. Hier wird erwartet, dass sich der Weizenpreis nach oben entwickelt, zumal die saisonal beste Zeit im statistischen Durchschnitt der letzten 30 Jahre bis Jahresende andauert. Auch sind die Weizen-Lagerbestände in den USA – anders als bei Mais und Sojabohnen – deutlich niedriger als erwartet. Weizen ist Mais (CBSMA4) vorzuziehen.

 

Agrarindizes und Aktienkörbe auf die Branche

Das Anleger-Interesse an Agrarrohstoffen hat im dritten Quartal angezogen. So verzeichneten ETPs über den gesamten Sektor verteilt Zuflüsse von über USD 121 Millionen. In Anbetracht der mittelfristig zu erwartenden Schwäche des USD sticht das CHF-gehedgte Tracker-Zertifikat CAGCI besonders ins Auge. Der Basiswert reflektiert die wirtschaftliche Signifikanz und Marktliquidität der Rohstoffe im Agrikultursektor unter Anwendung der CMCI-Gewichtungsmethodik. Im Index dominieren die drei Agrargüter Mais, Sojabohnen und Zucker, die Ende August einen Anteil von knapp 59% ausmachten. Der durchschnittliche Spread von unter 1% sowie die jährliche Verwaltungsgebühr von 0,84% sind im Quervergleich als vorteilhaft zu taxieren. Einen anderen Ansatz verfolgen das Tracker-Zertifikat VZAGS sowie der ETF AGRI. Ihre Basiswerte umfassen eine Auswahl an Beteiligungspapieren von Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit zumindest teilweise von der globalen Landwirtschaft abhängt. Im Unterschied zu CAGCI, welches direkt in die Rohstoffe investiert, fokussieren VZAGS und AGRI auf die Agrarwirtschaft. Im Falle von VZAGS sind es gegenwärtig 15 Aktien, davon stammen acht aus den USA. Die Auswahl des Vontobel Global Agricultural Stocks Total Return Index wird einmal jährlich angepasst. Mit etwa 30 globalen Agrarunternehmen etwas breiter gefasst ist der Basiswert von AGRI. Er ist ebenfalls als Performance-Index konstruiert. Sein Schwergewicht liegt mit rund 60% ebenfalls in den USA. In CHF umgerechnet entwickeln sich VZAGS und AGRI sehr ähnlich, mit zuletzt leichten Vorteilen des Ersteren, trotz etwas höheren Verwaltungskosten.

Nur Hedge-Fonds stemmen Power-Play

Abschliessend der Hinweis, dass alle genannten Produkte weit davon entfernt sind, den Marktpreis der jeweiligen Rohstoffe anzuheizen. Echtes Power-Play durch millionenschwere Handelspositionen in Agrar-Rohstoffen haben einzig und allein Hedge-Fonds. Nur sie können den Markt verstärkend in die eine oder andere Richtung schieben – und auch nur, wenn es flankierende News, wie beispielsweise plötzliche Ernteausfälle, gibt. An Nachrichten zu Agrar-Rohstoffen mangelt es traditionell nicht. Das wissen auch die Maisfarmer in Iowa. So hat ihr Branchenverband Iowa Corn Promotion Board sogar einen eigenen Twitter-Kanal (@iowa_corn) installiert. Damit bleiben die Farmer über die aktuellen Erntestände, Preisänderungen und die besten Kochrezepte mit Mais informiert.

131106_Produktempfehlung

BAUERN GESUCHT, ANLEGER EBENSO.
Die Menschheit wächst. Im Jahr 2050 werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Das befeuert die Agrarstoff-Nachfrage. Parallel sinkt aber die Anbaufläche – und es fehlen Bauern zum Bewirtschaften. Landwirt ist global einer der am schwächsten besuchten Ausbildungszweige. Nach Aussagen von Jim Rogers, bekannter Investment-Guru, «beträgt das durchschnittliche Alter eines US-Farmers 58 Jahre und in Kanada leben die ältesten Bauern der Welt.» Er befürchtet ein Wettlauf mit der Zeit: «Sie sollten hoffen, dass Anleger in Landwirtschaft investieren – sonst haben wir bald gar keine Nahrung mehr zu irgendeinem Preis».

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