Die Wahl des weltbesten Expeditionsmobils: Der Kampf um das richtige Gewicht

Die Wahl des weltbesten Expeditionsmobils: Der Kampf um das richtige Gewicht

Bild von Sabine und Micha «herman-unterwegs.de» (Video-Blog zu Expeditionsmobilen und Reisethemen)

An dieser Aufgabe sind bisher alle gescheitert, da es einfach nicht “das Beste” gibt. Aber einige Entscheidungskriterien können bei der Auswahl helfen. Und wir zeigen, welche Prioritäten zu unserer Wahl geführt haben.

Von Helmuth Fuchs

Oft wächst man ja in eine Entscheidung bewusst oder unbewusst hinein. Nach einigen Jahren Reisens mit einem Fiat Ducato reizten uns vermehrt abgelegene Gegenden, weit entfernt von Campingplätzen, Steckdosen und geteerten Strassen. Zeit also, uns nach geländegängigen und möglichst autarken Alternativen umzuschauen.

Dabei stellten sich gleich einige grundlegende Fragen:

  • Welches Gesamtgewicht darf das fahrbereite Expeditionsmobil (inklusive gefüllter Treibstoff- und Wassertanks, Zuladung, Mopeds etc.) haben?
  • Welchen Führerschein benötigt man dazu?
  • Wo will man damit hinkommen, welches sind die bevorzugten Klimazonen und Kontinente (kleine enge Städtchen, Wüsten, Gebirge, Sumpflandschaften, Höhen über 3’000 Meter…)
  • Welches Strassenverhältnisse will man sich und dem Fahrzeug mehrheitlich zumuten (Teerstrassen, Pisten, Geröll, Sand…)
  • Wie viel Komfort muss sein (Fixbett, Innendusche, Heizung, Klima, Innenküche, Arbeistbereich…)
  • Wie viel Zeit wird man im Fahrzeug verbringen (einige Wochen Ferien pro Jahr, längere Weltreise, fester Lebensraum)
  • Welchen ökologischen Fussabdruck will man hinterlassen (autark mit regenerativen Energien (Solar, Wind), Treibstoffverbrauch)
  • Wie viel kann und will man selbst Hand anlegen (Kauf ab der Stange, Kauf eines leeren Koffers und selbst ausbauen, Planung selbst machen und dann bauen lassen, Fahrzeug mit Koffer und Ausbau in Eigenregie…)

Eine erste Runde bei der Beantwortung dieser Fragen hat bei uns zu einem unmöglichen Resultat geführt (die eierlegende Wollmilchsau) und das Ringen um Kompromisse, das Aufgeben von Unmöglichem, das Akzeptieren von Möglichem und trotzdem die Begeisterung für die erreichte Lösung begann.

Der Kampf um das Gewicht
Für einmal ist nicht der Kampf um das persönliche, sondern dasjenige des geplanten Expeditionsmobils gemeint. Da wir auf den Bereich “Expedition” fokussierten, liessen wir alle Fahrzeuge ohne Allrad-Antrieb gleich aussen vor. Theoretisch bieten sich folgende Möglichkeiten

Allradfahrzeuge bis 3.5 Tonnen Gesamtgewicht. In diesem Bereich kann man zwischen einem Kastenwagen (z. B. Merceds Sprinter, Fiat Ducato, Citroen Jumper…), einem Alkovenaufbau auf Mercedes Sprinter etc. oder einem Land Rover, Toyota Trooper o.ä. mit Aufbau/Ausbau wählen. Während bei Land Rover und Toyota die Geländegängigkeit im Vordergrund steht, bieten die Kastenwagen ein komfortableres Raumangebot. Den Trend hin zum Allradfahrzeug haben auch die “Weisswaren”-Anbieter erkannt. So hat Hymer zum Beispiel dem “Grand Canyon” (Mercedes Sprinter mit Iglhaut Allrad-Antrieb) einige Expeditionsfähigkeiten verpasst.

Outsidevan auf Basis Mercedes Sprinter 4×4

D336774 Hymercar Grand Canyon S auf Basis Mercedes-Benz Sprinter 4x4

Hymer Grand Canyon S 4×4

Matzker Fernreisemobuil auf Land Rover

FRM Technik Fernreisemobil auf Basis eines Toyotas HZJ 75

Für uns war der Grund des Wechsels weg vom Fiat Ducato der Wunsch nach grösserer Unabhängigkeit, grösserer Robustheit bei akzeptablen Komfort in sämtlichen Klimazonen. Dies lässt sich unterhalb von 3.5 Tonnen Gesamtgewicht ohne grössere Abstriche schlicht nicht erreichen.

Allradfahrzeuge bis 7.5 Tonnen Gesamtgewicht.
In dieser Klasse bewegen sich im unteren Spektrum (bis 5 Tonnen) Angebote mit Mercedes G300 als Basisfahrzeug, darüber Mercedes Sprinter 6×6 (bleibt allerdings ein Exot), Mercedes Vario und der immer weiter verbreitete Iveco Daily und Kleinlastwagen wie der Mitsubishi Fuso Canter, Bucher Duro oder Mercedes Unimog. Als Basisfahrzeug wäre der auf Iveco-Technologie basierende Bremach prinzipiell interessant. Die geringe Anzahl der Fahrzeuge plus die unsichere Zukunft der Manufaktur liessen uns aber schnell wieder davon abkommen.

Rockwilder auf Mercedes G300-Basis

Orangeworks Mercedes G Reisemobil

Mitsubishi Fuso Canter von Woelcke

Orangeworks Expeditionsmobil auf Basis eines Bremachs

Exploryx Expeditionsfahrzeug auf Iveco Daily Basisfahrzeug

Bocklet Expeditionsmobil Dakar auf Mercedes Sprinter 6×6

Die Attraktivität dieser Fahrzeuge liegt darin, dass sie grössere Kabinen mit mehr Gewicht tragen und immer noch mit einem leicht zu erwerbenden Führerschein gefahren werden können. Viele scheuen sich aus Zeit- und Finanzgründen, den umfassenden Lastwagen (LKW)-Führerschein zu erwerben.

Wir haben lange Varianten mit den obigen Fahrzeugen geprüft und in Betracht gezogen uns dann aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

  • Der Mercedes Sprinter 6×6 ist ein Exot mit speziellen Problemen bezüglich Reifenverschleiss, Wendekreis, hohen Kosten bei der Anschaffung und auch im Unterhalt.
  • Der Mitsubishi Fuso Canter hat uns bei Verarbeitung und Wertigkeit nicht überzeugt. Für das zugelassene Gewicht ist er zudem eher an der unteren Grenze der Motorisierung.
  • Der Bucher Duro ist zwar ein bewährtes Fahrzeug des Schweizer Militärs, aber mit der geringen Stückzahl und den wahrscheinlich nicht ganz einfach zu bekommenden Ersatzteilen eher ein teurer Exot.
  • Die verschiedenen Unimog Modelle sind zwar einsame Spitze im schwierigsten Gelände (damit lässt sich der Mount Everest schon fast motorisiert bezwingen), aber eher nicht ganz so komfortabel für weite Reisen mit vielen Kilometern, da bei vergleichbarer Gesamtahrzeuglänge wie z.B. bei einem Steyr die Wohnkabine viel kürzer wird. Zudem schränkt der Kraftstoffverbrauch den Bewegungsradius ein. 7.5-Tonnen Lösungen lassen sich zwar realisieren, meisten ist kommt aber mehr Gewicht einer besseren Lösung zugute.
  • Der Iveco Daily war lange Zeit unser Favorit. Robust, gutes Konzept, guter 4×4 Antrieb, weit verbreitet (zumindest in Europa). Schlussendlich mussten wir uns aber eingestehen, dass wir an ein Leben über längere Zeit auch in abgelegenen Gebieten Ansprüche haben bezüglich Platz, Energie, Diesel oder Wasser, die sich mit einem solchen Fahrzeug einfach nicht erfüllen lassen.

Die Variante eines Aufbaus auf einem LKW mit der Gewichtsobergrenze von 7.5 Tonnen lässt sich realistischerweise nicht ohne massive Abstriche an Qualität oder Komfort verwirklichen (zum Beispiel Einbau von Seitz- statt KCT-Fenstern, weniger Solarmodule, weniger Speicherbatterien…).     

Allradfahrzeuge über 7.5 Tonnen Gesamtgewicht
Nach allen Erwägungen, Planungen, Verwerfungen und Neubeurteilungen blieb für uns nur die aus unserer Sicht überzeugendste und leider auch teuerste Variante eines LKWs als Basisfahrzeug mit einem GFK-Kabine. Eine günstigere Variante wäre noch der Erwerb eines Shelters und dessen Umbau gewesen. Wir wollten aber zum einen etwas andere Masse und auch ein Konstrukt ohne Kältebrücken. Für die GFK-Kabine sprach der flexible Aufbau, das geringe Gewicht, die guten Dämmwerte und die massgeschneiderte Formgebung.

Nachdem für uns klar war, dass es ein LKW mit einer GFK-Kabine sein würde, stand als nächstes die Wahl des LKWs und des Aufbauers an. Wir haben uns intensiv mit Steyr, Mercedes, und MAN auseinandergesetzt, zudem die Aufbauer Actionmobil, Blissmobil, Exploryx, Füss, Krug Expeditions, Orangeworks, Unicat und Woelcke. Mehr dazu, welche Lösung uns weshalb überzeugt hat dann im nächsten Artikel.

expeditions-lkw

Die «Pistenkuh» von Sabine und Burkhard Koch auf Basis eines Steyr 12M18. Die Webseite der beiden ist eine gute Informationsquelle zum Thema Expeditionsmobile.

Dies waren übrigens unsere wichtigsten Kriterien bei der Wahl unserer Lösung:

  • Fixbett von 200×140 cm. Hier fallen alle Mercedes-Sprinter u. ä. Lösungen weg, die auf Auszugsbetten setzen.
  • Garage unter dem Bett für 2 Fahrräder, Technik, Wassertanks etc. Alle Lösungen mit kleinen Stauklappen und wenig Stauraum unter dem Bett fallen weg.
  • Klare Trennung mit grösstmöglicher Distanz von Schlafbereich und Arbeitsbereich (Sitzecke). Lösungen mit Sitzgruppen, die gleich an den Bettbereich anschliessen fallen weg.
  • Energie-autark auch in den Sommermonaten in Mitteleuropa und bei intensiver PC-Arbeit, Kochen mit Induktionsherd. Solar ca. 800 Wp, Batterien ca. 600 Ah.
  • Tanks für Wasser (ca. 400 Liter) und Diesel (ca. 600 Liter). Das ist im Bereich von unter 7.5 zusammen mit den Batterien praktisch nicht realisierbar.
  • Fahrzeug für alle Jahreszeiten und Klimaregionen. Die leichten und kostengünstigen Varianten mit Seitz-Fenstern bekommen hier Mühe.
  • Kein Gas im Fahrzeug, nur elektrische Energie und Diesel.
  • Möglichst kurz, wendig und schmal, damit auch kleinere Städte und enge Passagen befahren und auch normale Parkplätze (mit ein wenig Grosszügigkeit) benutzt werden können. Gesamtfahrzeuglänge von ca. 6.50 Metern, 2.30 Meter breit und 3.60 Metern hoch wäre optimal. Das schliesst alle LKWs mit Standardbreite von 2.50 Metern aus. Zum Glück wurden in der Schweiz vor allem Feuerwehrfahrzeuge speziell für schmale Durchfahrten mit eienr Breite von 2.30 Metern gebaut.
  • Allradantrieb mit mindesten zwei Sperren (hinten und in der Mitte).
  • Wenn möglich keine Elektronik im Basisfahrzeug, dafür effizienteste Technik im Wohnaufbau. Hier fallen alle Fahrzeuge mit AdBlue, elektronischen Helferlein, Automatikgetriebe etc. weg. Der Fokus lag schnell bei Fahrzeugen mit Baujahr zwischen 1990 und 2000.
  • Gutes Netzwerk weltweit für Reparaturen und Ersatzteile.

Kleine Entescheidungshilfe in Form einer Excel-Tabelle:


Vom ungläubigen Kopfschütteln bis zur hellen Begeisterung: Ein Expeditionsmobil lässt keinen kalt

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