Landesmuseum Zürich: Imagine 68. Das Spektakel der Revolution
Zürich – Als Nachkommen der 68er-Generation zeigen Stefan Zweifel und Juri Steiner bis zum 20. Januar 2019 ihre Perspektive dieser prägenden Zeit. Die Ausstellung im Landesmuseum ist eine Collage aus Objekten, Filmen, Fotos, Musik und Kunstwerken und macht die Atmosphäre von 1968 sinnlich erlebbar. «Imagine 68» ist ein lustvolles Hineinleben in die 68er-Kultur.
Die Artikel, Bücher, Ausstellungen und Dokumentarfilme zum 50. Jahrestag der 68er Ereignisse haben es erneut gezeigt: Wie keine andere Generation des 20. Jahrhunderts haben die 68er für einen gesellschaftlichen Umbruch in allen Lebensbereichen gesorgt. Ihre Revolte war jung, international, spontan und theoretisch, befreiend, kämpferisch – und auch problematisch.
«Die Gesellschaft des Spektakels» als theoretischer Rahmen
Mit der Ausstellung «Imagine 68» unternehmen die Gastkuratoren den Versuch, sich der Atmosphäre von damals zu stellen. Den theoretischen Rahmen bildet Guy Debords radikale Kulturkritik «Die Gesellschaft des Spektakels», die in Paris den Mai 68 intellektuell, künstlerisch und weltanschaulich vorbereitete. Mit provokativem Aktionismus wollten Debord und seine Gruppe der «Situationistischen Internationale» betonierte gesellschaftliche Strukturen aufbrechen und Poesie ins Alltagsleben bringen. Die Revolte schien die Realisierung des Traums vom freien Leben in Griffnähe zu bringen. In der Schweiz, in den USA und in Deutschland durchlief der Widerstand verschiedene Stadien. In Frankreich entfaltete er für einen Moment sein ganzes Potential, als im Mai 1968 der Sprung vom Generalstreik zur Revolution möglich schien. Doch es kam anders. Desillusioniert ob der Brutalisierung und Kommerzialisierung des Widerstands lösten sich die Situationisten 1972 auf.
Zürcher Manifest
In der Schweiz gingen den 68er-Jugendunruhen das Konzert der Rolling Stones von 1967 und der Auftritt von Jimi Hendrix Ende Mai 1968 im Hallenstadion voraus. Beide Anlässe endeten in Protesten. Auch die Forderung nach einem Jungendhaus führte in Zürich zum sogenannten Globus-Krawall. Als direkte Reaktion darauf unterzeichneten 21 Personen aus Politik, Kultur und Wissenschaft, die sich auf die Seite der Jugendlichen stellten, das Zürcher Manifest. Am Happening «6 Tage Zürcher Manifest» vom September 1968 hatten die Teilnehmer im Centre Le Corbusier die Möglichkeit, sich anhand einer Wandzeitung zu äussern. Rund 400 handbeschriebene und 50 gedruckte Plakate sind erhalten geblieben. Sie widerspiegeln die damals brennenden Themen: Polizeigewalt, autonomes Jugendzentrum, Vietnam, Pazifismus, Frauenbewegung, Schul- und Universitätsreformen.
«Imagine 68» strebt weder ein politisches Schaugericht noch ein enzyklopädisches Ausfransen in alle damaligen lokalen Positionen und Figuren an. Vielmehr wird eine spontane Lust am Vertiefen einzelner Momente gefördert. Zu erleben sind kulturhistorische Objekte, Fotografien, Tonaufnahmen und Filme aus Museen und privaten internationalen Sammlungen sowie aus den Beständen des Schweizer Nationalmuseums. Kunstwerke u.a. von Andy Warhol, Sigmar Polke, Robert Indiana, Claes Oldenburg, Joseph Beuys, Valie Export, Doris Stauffer, Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle lassen die Besucherinnen und Besucher in den Geist von 1968 eintauchen.
Nach den Ausstellungen «1900–1914. Expedition ins Glück» (2014) und «Dada Universal» (2016) ist «Imagine 68» die dritte Ausstellung der beiden Gastkuratoren Stefan Zweifel und Juri Steiner im Landesmuseum Zürich. (mc/pg)