Weshalb Greta Thunberg recht hat…
von Patrick Gunti
Eine 16-Jährige aus Schweden war vergangene Woche der Star des Weltwirtschaftsforums: Greta Thunberg. Mit dem Zug über 30 Stunden aus Schweden angereist und nach Nächten bei -15 Grad im Zelt erklärte sie der versammelten Politik- und Wirtschaftselite in Davos: „Ich will, dass ihr Panik habt.“ Sie sei hier, um zu sagen, dass das Haus brenne. In zwölf Jahren könnten wir unsere Fehler nicht mehr rückgängig machen, es brauche beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft.
Ihre Worte waren ehrlich, fordernd, radikal und völlig emotionslos vorgetragen. So wurde sie schon vor dem WEF zu einer Ikone der Umweltbewegung, jetzt ist sie es erst recht. Dass sie sich nicht von ihrem Weg abbringen lässt, dass ihre Worte ehrlich und direkt sind, mag daran liegen, dass Greta an Asperger, einer milden Form von Autismus leidet. Das tut aber nichts zur Sache – in der sie recht hat.
Denn was diskutieren, respektive streiten wir uns seit Jahr und Tag über diese Massnahmen und jene Vergehen? Mal kommt ein Pflaster hierhin, mal dahin. Mal beeinflussen uns diese Bilder, mal jene. Vor Jahren waren es die beispiellosen Rodungen in den brasilianischen Regenwäldern. Jetzt hört man wieder davon – weil der neue Präsident sie sogar noch intensivieren will. Niemand wird ihn Stand der Dinge daran hindern. Hat ihm in Davos jemand widersprochen – oder war es dann doch interessanter, dass er in der Migros gegessen hat? Fakt ist, die „Lunge der Erde“ verschwindet – Stück für Stück und Tag für Tag.
Oder der Plastikmüll in den Weltmeeren? War doch ein paar Wochen in den Medien dauerpräsent. Auch dieses Thema ist durch, wo wir doch jetzt unseren Kindern die „Röhrli“ wegnehmen wollen. Wieder ein Pflaster geklebt, jetzt ist aber gut, bitte wieder etwas Erfreuliches. Die Liste der Schandtaten an unserem Planeten – und die halbherzigen Reaktionen darauf liesse sich derweil endlos fortsetzen.
Das ewig schlechte Gewissen
Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber geht Ihnen dieses latent schlechte Gewissen, welches man sich in seinem Alltag auflädt, nicht auch auf die Nerven? Sie wissen schon, wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, gönnen uns mal dies und mal das – und können es doch nicht richtig geniessen: Das Rindfleisch auf dem Teller, für dessen Produktion tausende Liter Wasser benötigt wurden. Der Städteflug nach Madrid für 49.90 – hin und zurück. Das neue, aber eben nicht elektrifizierte Auto. Der delikate argentinische Rotwein, der um die Welt geschippert wird. Der Kaffee aus den überteuerten Aluminium-Kapseln. All das Plastik und all das Papier.
Und all das schlechte Gewissen. Haben wir nicht längst einen Automatismus entwickelt, dieses zu verdrängen? Wir trennen brav unseren Abfall, sind klug und reisen im Zug, essen Fairtrade-Bananen, ersetzen alte Glühbirnen und diskutieren über die Energiewende. Alles schön und gut. Aber genügt das? Nein. Um bei Greta Thunbergs Vergleich mit dem brennenden Haus zu bleiben: Mit der Giesskanne löscht man keinen Hausbrand.
Es hört sich in der Tat hoffnungslos an. Vielleicht braucht es deshalb die Radikalität und Konsequenzen, die Greta Thunberg fordert. Eine absolute Fokussierung der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft – auf genau dieses eine Thema – „das Haus zu retten“. Ohne Druck der Gesellschaft, insbesondere der Generation einer Greta Thunberg, wird dies nicht gelingen.
Patrick Gunti ist seit über 25 Jahren als Journalist und Redaktor tätig. Seit 2006 arbeitet er als freier Journalist für Moneycab und verschiedene andere Medien und Kommunikations-Agenturen.
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