SBI: Erleichterung bei den Siegern
Bern – Die Ablehnung der Selbstbestimmungsinitiative (SBI) ist bei den Siegern mit Erleichterung zur Kenntnis genommen worden. Bei den Verlierern macht sich Enttäuschung breit. Vielleicht waren wir auch zu früh, sagt selbstkritisch der Zürcher Rechtsprofessor und SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt.
Rückblickend sei es ein Vorteil für die Gegner gewesen, dass sie eine Vielzahl von Argumenten präsentiert hätten. «Wenn jemand dann eines dieser vielen Argumente gut fand, so war er gegen die Initiative», sagte Vogt. «Wir dagegen mussten relativ abstrakt begründen, warum das Stimmrecht nun bedroht sein soll.» «Eventuell sind wir auch etwas zu früh gewesen, um zu zeigen, warum die direkte Demokratie einen langsamen Tod stirbt», sagte Vogt weiter. «Das war vielleicht ein Fehler.»
«Die aggressive, nennen wir das mal ‹Märchenstundekampagne› der Gegner mit einem unlimitierten Budget zeigte uns schon vor ein paar Monaten, dass wir chancenlos sind», sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter. «Wir werden aber weiterhin darauf achten, dass dem Volk das Stimmrecht erhalten bleibt.»
«Die sehr aggressive und verleumderische Gegenkampagne hat Verunsicherung gestreut», meint auch SVP-Präsident Albert Rösti. Die SVP werde nun sehr genau beobachten, ob und wie die politische Mehrheit beim Migrationspakt und dem Rahmenvertrag mit der EU die Aspekte der direkten Demokratie hochhalten werde.
Den Kampf für die Selbstbestimmung will die SVP weiterführen: So fordert sie, dass die Schweiz dem Uno-Migrationspakt nicht beitreten wird. Zudem lehnt sie eine einseitige Unterwerfung unter EU-Institutionen mit dem Ziel einer institutionellen Anbindung der Schweiz an den EU-Apparat mit dynamischer Rechtsübernahme und letztlich der Unterstellung der Schweiz unter den EU-Gerichtshof ab.
Grosse Erleichterung
Ganz anders die Einschätzung von Andrea Huber von der Allianz für Zivilgesellschaften. Sie sprach von einer riesengrossen Erleichterung: «Ein tonnenschwerer Stein fällt von unseren Schultern», sagte sie. «Die Schweizer Bevölkerung hat sich nicht in die Irre führen lassen von der faktenfreien Kampagne der SVP.»
Laura Zimmermann erklärte im Namen der Operation Libero das deutliche Resultat so: «Je gefährlicher eine Initiative, desto mehr stehen die Leute auf.» Auf den Plakaten der SVP sei das Thema «sehr weichgespült» dahergekommen. Auf den sozialen Plattformen habe man dagegen andere Töne vernehmen können.
Für Amnesty International ist das Nein der Schweizer Stimmbevölkerung ein klares Bekenntnis zum Völkerrecht. In einer Zeit, in der viele Länder versuchten, den internationalen Menschenrechtsschutz zurückzudrängen, hätten die Schweizer Stimmberechtigten ein wichtiges Signal ausgesandt.
Zeichen für weltoffene Schweiz
Die Direktorin des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, Monika Rühl, wertet das Nein zur Selbstbestimmungsinitiative als Ja zu einer weltoffenen Schweiz. Es gehe schliesslich um ein Kernanliegen der Wirtschaft, um den Zugang zu internationalen Märkten. Dies gelte insbesondere auch für die Exportnation Schweiz mit ihren vielen Verträgen, die wichtig seien für die Wirtschaft, die den Marktzugang sicherten und die Investitionen absicherten.
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) sieht im Ergebnis ein klares Zeichen gegen wirtschaftspolitische und aussenpolitische Abschottung. Mit der Ablehnung der SBI hätten die Stimmenden einmal mehr zum Ausdruck gebracht, dass sie auf eine offene Volkswirtschaft setzten und das Freizügigkeitsabkommen mit der EU nicht aufs Spiel setzen wollten.
Eine Annahme der Selbstbestimmungsinitiative hätte nach Ansicht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) die Schweizer Gerichte geschwächt und die Durchsetzung der Menschenrechte erschwert. Das Nein sei damit eine deutliche Absage an eine Abschottungspolitik, die dem Lohnschutz und dem Schutz der Arbeitnehmenden schade.
Für den Arbeitnehmenden-Dachverband Travail.Suisse hat das Stimmvolk deutlich Nein gesagt zum SVP-Frontalangriff auf die demokratischen Rechte der gesamten Schweizer Bevölkerung. Mit der Ablehnung der Initiative erspare sich die Schweiz unnötige Diskussionen über die Auslegung des unklar formulierten Initiativtextes. (awp/mc/pg)