Gantenbein kandidiert nicht länger als Raiffeisen-Präsident
St. Gallen – Interims-Präsident Pascal Gantenbein zieht seine Kandidatur für das Verwaltungsratspräsidium von Raiffeisen Schweiz zurück. Erst im Juni hatte er noch seinen Hut in den Ring geworfen. Seither sei aber eine Debatte entstanden, die seine Handlungsfreiheit eingeschränkt habe, begründete Gantenbein seinen Schritt.
«Für mich ist es wichtig, nun diese Handlungsfreiheit zurückzubekommen», sagte Gantenbein in einem Interview mit der SRF-Radiosendung «Echo der Zeit» vom Donnerstagabend. Er wolle den Erneuerungsprozess bei Raiffeisen unbelastet von Interessenskonflikten weiterverfolgen können.
«Showdown in den Medien vermeiden»
Sonst würden alle Veränderungen bei Raiffeisen immer im Lichte des Wahlkampfs gesehen. «Mein Ziel ist immer dasselbe geblieben: Für mich ist es wichtig, die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Erneuerung verfolgen zu können.» Der Wirtschaftszeitung «Finanz und Wirtschaft» sagte er laut einem Vorabauszug: «Ich habe unterschätzt, wie politisch eine Amtsführung plötzlich werden kann und wie sie dadurch kontaminiert wird.»
Es gelte zudem, einen Showdown um die Funktion des Verwaltungsratspräsidenten in den Medien zu vermeiden, schrieb Raiffeisen in einer Mitteilung. Es gehe ihm darum, die Suche nach einem neuen Präsidenten zu entkrampfen, sagte Gantenbein in einem Interview mit der NZZ.
Gantenbein bestritt gegenüber Radio SRF, dass sein Rückzug die Folge eines verlorenen Machtkampfes sei. Zuletzt war in den Medien darüber spekuliert worden.
«Was gesagt wird, ist das eine. Ich habe eine ganz andere Sicht», sagte er. Im Verwaltungsrat sei die Zusammenarbeit hervorragend. Auch von den Regionalverbänden habe er grosse Unterstützung bekommen.
Gantenbein will Vizepräsident bleiben
Gantenbein will auf jeden Fall als Vizepräsident bei Raiffeisen bleiben und den neuen Präsidenten unterstützen. Strategisch sei es nun wichtig, innerhalb der Gruppe die Verantwortlichkeiten zwischen der Zentrale und den regionalen Banken zu klären, sagte er Radio SRF.
Bis Anfang September solle der neue Verwaltungsratspräsident feststehen, sagte Gantenbein der NZZ. Der Neue solle dann an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung am 10. November gewählt werden. «Um eine Kampfwahl zu vermeiden, werden wir uns mit den Delegierten und den Regionalverbänden auf einen einzigen Kandidaten einigen.»
Gantenbein leitete den Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz seit Anfang März interimistisch, nachdem Johannes Rüegg-Stürm aufgrund der Ereignisse um den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz zurückgetreten war.
Pascal Gantenbein habe in den vergangenen Monaten den Erneuerungsprozess im Verwaltungsrat mit grossen Schritten vorangetrieben und den Anstoss für die unabhängige Untersuchung zur «Ära Pierin Vincenz» gegeben, hiess es nun in der Raiffeisen-Mitteilung.
Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Vincenz wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung. Der Banker, der 17 Jahre an der Spitze von Raiffeisen war, soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben.
Er sass deswegen während rund 15 Wochen in Untersuchungshaft. Vincenz bestreitet die Vorwürfe.
Erneuerung von Finma vorgegeben
In Folge der Affäre warf die Finanzmarktaufsicht Finma dem Raiffeisen-Verwaltungsrat in einem Untersuchungsbericht grobe Versäumnisse vor. Der Verwaltungsrat habe die Aufsicht über Vincenz vernachlässigt, stellten die Bankenaufseher fest. Die Finma verfügte weitere Massnahmen «zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands».
So muss sich der Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz erneuern und fachlich verstärken, mindestens zwei Mitglieder müssen dabei «angemessene Erfahrung im Bankwesen» haben.
Seither haben einige Verwaltungsräte ihren Abgang angekündigt. Auch an der operativen Spitze gibt es einen Wechsel. Letzte Woche gab auch Vincenz› Nachfolger und langjährige Nummer zwei, Patrik Gisel, seinen Rücktritt vom Chefposten per Ende Jahr bekannt.
Wind hat gedreht
Gisel habe im Zentrum der öffentlichen Debatte gestanden, welche die ganze Raiffeisen-Gruppe mehr und mehr belastet habe, sagte Gantenbein. «Die negative Wahrnehmung verdeckte den ausgezeichneten Geschäftsgang der Bank.» Seit der Enforcement-Verfügung der Finma Mitte Juni habe der Wind auch innerhalb der Gruppe gedreht.
Gewisse Themen hätten plötzlich an Gewicht gewonnen, sagte Gantenbein der NZZ: «Dazu zählen Kreditengagements, die zwar unter Pierin Vincenz eingegangen wurden, aber der Geschäftsleitung bekannt waren. Hinzu kommt die schleppende Einführung der neuen IT-Plattform.» Der Verwaltungsrat habe die kritische Stimmung Kenntnis nehmen und handeln müssen.
Die Suche nach einem neuen Chef dürfte noch länger dauern. «Nein, das braucht vermutlich mehr Zeit», sagte Gantenbein auf die Frage der NZZ, ob neue Raiffeisen-Chef auch schon im November feststehe. (awp/mc/ps)