Türkische Lira legt stark zu – Notenbank vereinfacht Geldpolitik
Ankara / Frankfurt – Eine deutliche Vereinfachung der Geldpolitik in der Türkei hat der Landeswährung Lira am Montag erheblichen Auftrieb verliehen. Gegen Mittag stieg die Lira zu US-Dollar und Euro um jeweils mehr als drei Prozent. Für einen Dollar mussten 4,57 Lira gezahlt werden, für einen Euro wurden 5,32 Lira fällig.
Damit erholte sich die Lira sichtlich von ihrem Sinkflug der vergangenen Wochen, als sie auf immer neue Rekordtiefstände gefallen war. Mitte vergangener Woche sah sich die türkische Zentralbank sogar zu einer Not-Zinsanhebung gezwungen, um die Lira zu stützen. Die Aktion zeigte aber keine nachhaltige Wirkung. Fachleute kritisierten, die Anhebung sei zu spät gekommen und zu gering ausgefallen.
Auf derartige Kritik reagierte die Notenbank am Montag: Sie vereinfachte ihre bisher sehr unübersichtliche Geldpolitik, indem sie den zentralen Leitzins wechselte. Anstelle des zuletzt verwendeten Spätausleihungssatzes soll wieder der einstige Hauptzinssatz für einwöchiges Zentralbankgeld die Schlüsselrolle übernehmen. Er steigt damit zugleich von bisher 8,0 Prozent auf 16,5 Prozent. Das entspricht dem Niveau des zuletzt zentralen Spätausleihungssatzes.
Schritt in die richtige Richtung
«Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenngleich auch eher ein symbolischer», sagte Expertin Thu Lan Nguyen von der Commerzbank. Letztlich greife die Notenbank mit der Änderung wieder auf ihren einstigen Hauptleitzins zurück, der zuletzt aber keine Rolle mehr gespielt habe. Damit solle signalisiert werden, dass man die Leitzinsen tatsächlich, also nach altem Muster, anhebe und nicht unter Verwendung des eher ungewöhnlichen Spätausleihungsatzes. «Ob das der Notenbank ihre Glaubwürdigkeit wiederbringt, steht aber auf eine anderen Blatt und dürfte vor allem vom Ausgang der Wahlen abhängen.»
Die Expertin spielt damit auf jüngste Äusserungen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan an. Er hatte eine noch stärkere Einflussnahme auf die Geldpolitik der Notenbank in Aussicht gestellt, sollte er die in wenigen Wochen stattfindende Präsidentenwahl gewinnen. Derartige Bemerkungen, die an der Unabhängigkeit der Notenbank kratzen, kommen an den Finanzmärkten selten gut an. So auch diesmal: Die Lira war nach Erdogans Äusserungen massiv unter Druck geraten.
Weitere Gründe für den starken Kursverfall der Lira sehen Fachleute in steigenden Zinsen in den USA, die besonders kritisch für Länder wie die Türkei mit hohen Verbindlichkeiten im Ausland oder in ausländischer Währung sind. Hinzu kommt eine hohe Inflation. Die Notenbank müsste nach gängiger ökonomischer Lehre eigentlich mit Leitzinsanhebungen reagieren. Erdogan ist aber ein Gegner hoher Zinsen.
Erdogan stellt sich gegen Volkswirtschaftslehre
Entgegen der üblichen Denkweise in der Volkswirtschaftslehre sieht Erdogan in hohen Zinsen kein Mittel gegen, sondern einen Grund für eine hohe Geldentwertung. Den Liraverfall der vergangenen Wochen und Monate erklärt er vor allem mit einer Verschwörung einer nicht näher umschriebenen «Zinslobby». Am Wochenende hatte Erdogan sogar die Bevölkerung dazu aufgerufen, Devisen in Lira zu tauschen, um den Kursverfall aufzuhalten.
Die jüngsten Änderungen der Notenbank kommen nicht ganz überraschend. Fachleute und Profianleger haben das komplizierte und undurchsichtige Leitzinssystem der türkischen Notenbank schon seit längerem kritisiert. Das wieder übersichtlichere System könnte helfen, dass Investoren die Geldpolitik der Notenbank besser verstehen. Dies wiederum könnte die Lira stützen.
In dem neuen System sollen zwei weitere Leitzinssätze etwas ober- und unterhalb des neuen Schlüsselzinses liegen. Der Abstand der beiden Zinssätze beträgt jeweils 1,5 Prozentpunkte. Das System erinnert etwas an das der Europäischen Zentralbank (EZB). (awp/mc/ps)