«Vergeltung für Giftgaseinsatz»: Westmächte greifen Syrien an

«Vergeltung für Giftgaseinsatz»: Westmächte greifen Syrien an
Startender Tornado der britischen Luftwaffe am Samstagmorgen auf deren Stützpunkt Akrotiri in Zypern.

Washington / Damaskus – Mit dem grössten gemeinsamen Luftangriff seit Kriegsausbruch in Syrien haben die USA, Frankreich und Grossbritannien Vergeltung für den mutmasslichen Giftgas-Einsatz im syrischen Duma geübt. Über hundert Raketen seien von Schiffen und Flugzeugen abgefeuert worden, teilte US-Verteidigungsminister Jim Mattis mit.

Augenzeugen berichteten von heftigen Explosionen in Damaskus in der Nacht zum Samstag. Zeitgleich zu den Einschlägen erklärte US-Präsident Donald Trump in einer TV-Ansprache, die USA seien auf weitere Angriffe vorbereitet.

Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, sagte, solche Aktionen würden nicht ohne Konsequenzen bleiben. Russlands Präsident Wladimir Putin forderte eine Sondersitzung des Uno-Sicherheitsrates. Der Angriff werde auf das Schärfste verurteilt, teilte der Kreml mit.

Die syrische Führung nannte die Angriffe eine «barbarische und brutale Aggression». Das Aussenministerium warf dem Westen vor, mit den Angriffen die Untersuchungsmission der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) zu verhindern. Auf diese Weise wolle der Westen «seine Lügen» zum Geschehen in Duma kaschieren.

OPCW-Experten wollten am Samstag in Syrien mit den Ermittlungen zu dem mutmasslichen Giftgasangriff beginnen. Dabei waren nach Angaben örtlicher Ärzte und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 40 Menschen getötet worden. Der Westen macht die Assad-Truppen für den Angriff verantwortlich.

Forschungseinrichtungen getroffen
Nach US-Angaben gab es keine Verluste bei den Angriffen auf ein Forschungszentrum wohl nordöstlich der Hauptstadt Damaskus, eine mutmassliche Lagerstätte für chemische Waffe sowie eine Kommandoeinrichtung bei Homs. Der syrischen Nachrichtenagentur Sana zufolge wurden mindestens drei Zivilisten verletzt. Aus Armeekreisen hiess es, sechs Soldaten seien bei Homs verletzt worden.

Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass wurde die Mehrheit der Raketen von der syrischen Luftabwehr abgefangen. Die USA machten deutlich, dass sie eine Konfrontation mit Russland verhindern wollten. Die Angriffe seien so geplant worden, dass das Risiko von Opfern unter russischen Einsatzkräften minimal gewesen sei, sagte US-Generalstabschef Joseph Dunford.

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, keiner der Flugkörper sei in den Luftraum über die russischen Stützpunkte Tartus und Hmeimim eingedrungen. US-Verteidigungsminister James Mattis sprach von einer begrenzten, einmaligen Aktion. Weitere Schläge seien nicht geplant.

«Verbrechen eines Monsters»
US-Präsident Trump hingegen schloss weitere Angriffe nicht aus. In Anspielung auf Assad sagte Trump in seiner Rede am Freitagabend: «Dies sind nicht die Taten eines Mannes. Es sind die Verbrechen eines Monsters.»

Bereits am Mittwoch hatte Trump Militärschläge angekündigt, später aber seine Aussagen relativiert. Trumps Äusserungen hatten weltweit Sorgen vor einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland ausgelöst. Russland und der Iran sind enge Verbündete Assads.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Grossbritanniens Regierungschefin Theresa May erklärten, es handle sich um gezielte Angriffe auf Gebäude, die das syrische Regime zur Produktion von Chemiewaffen nutze.

Deutschland, die Europäische Union sowie die Nato stellten sich hinter den Angriff. Uno-Generalsekretär António Guterres rief die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zur Zurückhaltung auf.

Kritik aus Iran
Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei bezeichnete im libanesischen TV-Sender Al-Manar den Angriff als kriminell. Die iranischen Revolutionsgarden drohten, durch die Angriffe werde sich die Lage in der Region zu Lasten der USA ändern.

Israel wertete dagegen die Attacke der drei Länder als «wichtiges Signal» an den Iran und dessen Verbündete, die libanesische Hisbollah-Miliz. Israel fürchtet, die islamische Republik werde ihr Engagement in Syrien nutzen, um den Einfluss in der Region auszuweiten.

Der Chefunterhändler der wichtigsten syrischen Oppositionsgruppen forderte, dass alle Angriffe auf Zivilisten durch das syrische Regime und seine Verbündeten aufhören müssten. Dies gelte für Attacken mit chemischen und konventionellen Waffen, sagt Unterhändler Nasr Hariri. (awp/mc/ps)

Schreibe einen Kommentar