Raiffeisen mit Rekordgewinn – Gisel schliesst Rücktritt aus
St. Gallen – Die Raiffeisen-Gruppe hat im Geschäftsjahr 2017 in allen Geschäftsbereichen zugelegt und weist einen neuen Rekordgewinn aus. Einzig mit der Privatbankentochter Notenstein La Roche kann die Bankengruppe noch nicht zufrieden sein. Angesichts der jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wurde die Geschäftsergebnisse an der Bilanzmedienkonferenz vom Freitag aber zur Nebensache.
Vor den Journalisten zeigte sich Raiffeisen-CEO Patrik Gisel betroffen. «Ich bin persönlich erschüttert», sagte er, zumal man in den letzten Jahren viel Zeit in die Überprüfung von Prozessen und Governance gesetzt habe und es dabei keinerlei Hinweise auf strafrechtliches Verhalten gegeben habe. Die neuen Verdachtsmomente seien aber alarmierend, weshalb von Raiffeisen auch umgehend Strafantrag gestellt worden sei. «Wir sind es unseren Genossenschaftern, unseren Kunden und der ganzen Organisation schuldig, dass alles lückenlos aufgeklärt wird», so Gisel.
Hat sich Vincenz persönlich bereichert?
Mit den Ausführungen Gisels wurden auch neue Details zur Causa Pierin Vincenz bekannt. So soll der einstige Raiffeisen-Chef mit verdeckten Treuhandgeschäften agiert haben. Gemäss Gisel steht im Verfahren gegen Vincenz persönliche Bereicherung im Vordergrund. Dass auch Raiffeisen einen finanziellen Schaden erlitten habe, sei beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse unwahrscheinlich. So seien sämtliche Verträge und Kalkulationen im Zusammenhang mit Beteiligungen nachträglich extern überprüft worden und dabei nichts Verdächtiges gefunden worden.
Gisel schliesst Rücktritt aus
Einen Rücktritt schloss Gisel, der jahrelang eng mit Vincenz zusammengearbeitet hatte, ehe er sein Nachfolger wurde, am Freitag aus. Zusammen mit der Geschäftsleitung habe er sehr intensiv über die letzten Jahre nachgedacht und auch geschaut, wo man anders hätte entscheiden können. «Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren sehr viel an Entflechtung- und Aufräumarbeit geleistet», sagte Gisel. Er sei überzeugt davon, dass es der richtige Weg sei, den die letzten zweieinhalb Jahre eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
Gisel stellte zudem klar, dass es im vorliegenden Fall – Vinzenz wird verdächtigt, sich privat an Unternehmen beteiligt zu haben, die später von Aduno, dessen Verwaltungsratspräsident er war, aufgekauft wurden – nicht um einen Interessenskonflikt ging, sondern um deliktisches Verhalten. «Das ist etwas, das eine Organisation so nicht überwachen kann», meinte Gisel. Überwacht werden könnten nur Compliance und Governance innerhalb des Unternehmens.
Operatives Ergebnis 30% über Vorjahr
Auf die Geschäftsentwicklung von Raiffeisen scheint sich die Vergangenheitsbewältigung – gegen die Bankengruppe läuft auch ein Verfahren der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) wegen möglicher Interessenskonflikte beim Kauf von Beteiligungen – nicht ausgewirkt zu haben. Raiffeisen hat 2017 in allen Geschäftsbereichen zugelegt und weist einen neuen Rekordgewinn aus.
Die Gruppe erwirtschaftete einen Gesamtertrag von 3,31 Mrd CHF, was einem Anstieg um 6,5% entspricht. Im wichtigsten Geschäft, dem Zinsengeschäft, legte der Netto-Erfolg dabei um 1,3% zu. Mit Kommissionen und Gebühren nahm die Bankengruppe 5,9% mehr ein als 2016, und der Handelserfolg erhöhte sich um 1,1%. Zudem trug die Aktivierung von Aufwänden in Zusammenhang mit der Erneuerung der IT-Systeme zum Ertragsplus bei.
Unter dem Strich resultierte 2017 so ein Gewinn von 917,1 Mio CHF, was gegenüber dem Vorjahr einem Anstieg um 22% entspricht. Daran hatten allerdings auch die Verkäufe der Beteiligungen am Versicherer Helvetia und dem Bankensoftware-Unternehmen Avaloq ihren Anteil. Der Geschäftserfolg als Mass für das operative Ergebnis verbesserte sich allerdings auch um 30% auf 1,11 Mrd CHF.
Zinserträge trotz schmaler Zinsmarge gestiegen
Grundlage für das gute Ergebnis der Raiffeisen war insbesondere das Hypothekargeschäft: Dank dem Wachstum der Hypothekarforderungen um 4,3% auf 172,6 Mrd CHF konnte trotz immer kleiner werdenden Zinsmarge die Zinserträge sogar noch gesteigert werden. In Zukunft will Raiffeisen aber nicht nur mit den Hypotheken Geld verdienen. Die Strategie der Bankengruppe sieht vielmehr vor, das Angebot im Immobilienbereich auszuweiten, um die Wertschöpfungskette zu verlängern. Als Pilotprojekt hat Raiffeisen dazu beispielsweise ein Immobilienvermittlungsportal lanciert.
Weiteres Potential sieht Raiffeisen aber auch im Anlagegeschäft. Dieses hat die Bankengruppe stark steigern können. So sind die verwalteten Vermögen letztes Jahr um rund 3,4% auf 209 Mrd CHF angestiegen. Und dies, obwohl bei der Privatbankentochter Notenstein La Roche ein Rückgang der Kundenvermögen um 17% auf 16,8 Mrd CHF verzeichnet wurde.
Der Abfluss von Gelder bei Privatbank Notenstein La Roche hat jedoch auch mit deren Neupositionierung zu tun. Das Institut soll sich stärker auf den Heimmarkt Schweiz und einzelne ausgewählte Märkte konzentrieren, weshalb 2017 etwa das Osteuropa-Geschäft abgestossen und das Emissionsgeschäft eingestellt wurde. Gisel betonte vor den Medien, dass Notenstein La Roche nun wieder an Grösse gewinnen müsse. «Wir möchten der Bank jetzt zwei, drei Jahre Zeit geben, ums sich mit der neuen Struktur und neuen Personen zu behaupten», so Gisel. (awp/mc/ps)