US-Schluss: Erholung stoppt
New York – Wie gewonnen, so zerronnen. So oder ähnlich lässt sich der Handelsverlauf an der Wall Street am Mittwoch zusammenfassen. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial, der zu Börsenbeginn seine Erholung vom Montagscrash noch recht mutig fortsetze, drehte am Tagesende ins Minus. Die Gewinne lösten sich damit wieder in Luft auf. «Die Nervosität bleibt hoch und die Richtung an den Börsen unberechenbar», hiess es.
Der Dow, der am Montag zeitweise um 6 Prozent abgesackt war und sich tags darauf um mehr als 2 Prozent erholt hatte, ging letztlich mit minus 0,08 Prozent bei 24’893,35 Punkten aus dem Handel. Der breit gefasste S&P 500 verlor nach einem über weite Strecken freundlichen Verlauf 0,50 Prozent auf 2681,66 Punkte. Der technologielastige Nasdaq 100 weitete seine Tagesverluste aus und sank um 1,26 Prozent auf 6582,02 Zähler.
«Die Unsicherheitsfaktoren bleiben», kommentierte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets. Was passiere mit den Zinsen und wie verhalte es sich mit den Marktschwankungen? Beides seien Fragen gewesen, die schon lange kein Problem mehr dargestellt hätten. Nun aber müssten die Portfolios wohl neu bewertet werden, weil die Zinsen womöglich eben doch schneller steigen könnten als erwartet, sagte er.
Auch das Vertrauen der Anleger müsse sich erst wieder stabilisieren, meinte ein Fondsmanager. Noch herrsche Ungewissheit, ob die Korrektur an der Wall Street schon vorbei sei. Die dortigen Aktienkurse preisten die Risiken einer steigenden Inflation und Zinserhöhungen durch die US-Notenbank (Fed) noch nicht angemessen ein. Es wäre naiv, bereits jetzt schon zu glauben, die Märkte seien in den Bullenmarkt-Modus zurückgekehrt, zeigte sich auch Analyst James Hughes vom Broker Axitrader skeptisch.
Am US-Rentenmarkt büssten richtungweisende zehnjährige Staatsanleihen 11/32 Punkte auf 94 30/32 Punkte ein, während ihre Rendite auf 2,84 Prozent stieg. Der US-Dollar gewann zudem wieder an Stärke, nachdem sich Republikaner und Demokraten nach monatelangem Streit im US-Senat auf ein Haushaltspaket geeinigt hatten. Das brachte den Euro weiter unter Druck, der zum Wall-Street-Schluss mit 1,2266 Dollar gehandelt wurde. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs am Nachmittag in Frankfurt auf 1,2338 (Dienstag: 1,2329) Dollar festgesetzt. Der Dollar hatte damit 0,8105 (0,8111) Euro gekostet.
Die wenigen Unternehmensnachrichten an diesem Tag wurden an der Wall Street dennoch überwiegend positiv aufgenommen. Im Fokus standen vor allem die Aktien von Snap, die um fast 50 Prozent zulegten und bei 20,75 US-Dollar schlossen. Damit kosteten sie wieder so viel wie zuletzt Anfang Juni 2017. Die Macher der Foto-App Snapchat hatten erstmals seit dem Börsengang vor weniger als einem Jahr gute Geschäftszahlen vorgelegt. Die neue Snap-Auktionsplattform für Anzeigenplätze entwickle sich bereits in ihrer Frühphase vorteilhafter als von ihm erwartet, lobte JPMorgan-Analyst Douglas Anmuth, der seine Verkaufsempfehlung für die Aktie aufgab. Die Resultate für das abgelaufene Quartal zeigten die Skalierungsmöglichkeiten des Geschäftsmodells.
Aufmerksamkeit zogen auch die Papiere des auf den Bermudas beheimateten Versicherers XL Group auf sich. Sie gewannen 12,5 Prozent, nachdem es Kreisen zufolge hiess, dass das Unternehmen auf Übernahmeinteresse von Konkurrenten gestossen sei. Auch Allianz sei unter den Interessenten, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Vertreter von XL und Allianz hätten die Angelegenheit nicht kommentieren wollen.
Im Dow drehten die Aktien von Walt Disney nach anfänglichen Gewinnen in die Verlustzone und gaben um 1,33 Prozent nach. Der Unterhaltungskonzern hatte dank eines dicken Sondererlöses durch die US-Steuerreform den Gewinn im vergangenen Quartal kräftig gesteigert. Allerdings drückten zuletzt Sorgen um sich verschlechternde Margen auf die Laune der Anleger.
Favorit im Leitindex waren die Papiere von Boeing, die um 2,11 Prozent zulegten. Die grösste griechische Fluggesellschaft Aegean Air plant in den kommenden drei bis vier Wochen mindestens 50 Flugzeuge des Typs A320neo von Airbus oder des Boeing-Typs 737 zu bestellen. Zudem sagte Boeing-Finanzvorstand Greg Smith auf einer Konferenz, dass ein Zusammenschluss mit dem Flugzeughersteller Embraer zwar kein Muss sei, aber durchaus positiv wäre. Mit 3,30 Prozent im Plus zeigten sich die Papiere von Tesla vor der Zahlenvorlage des Elektroautoherstellers. (awp/mc/ps)