Mutmasslicher Spion kann auf Bewährungsstrafe hoffen
Frankfurt / Bern – Dem mutmasslichen Schweizer Spion winkt im Prozess in Frankfurt eine Bewährungsstrafe. Voraussetzung dafür ist, dass er ein Geständnis ablegt und Licht ins Dunkel der Vorwürfe bringt.
Die Anklagebehörde und die Verteidigung des 54-Jährigen einigten sich zum Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Mittwoch auf eine mögliche Absprache, mit der das Verfahren rasch zum Abschluss gebracht werden könnte.
Die deutsche Bundesanwaltschaft schlägt für den Schweizer eine Freiheitsstrafe von mindestens anderthalb bis höchstens zwei Jahren auf Bewährung vor. Dazu soll er eine Geldstrafe von 50’000 Euro entrichten und die Prozesskosten übernehmen.
Der angeklagte ehemalige Polizist und Privatdetektiv kündigte an, er werde am nächsten Prozesstermin am Donnerstag in einer Woche eine Aussage machen. Zudem wird er sich schriftlich äussern. Sollten sich die Parteien nicht einigen können, droht dem mutmasslichen Spion eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Alles offenlegen
Der Vorsitzende des Oberlandesgerichtes machte klar, dass der Schweizer glaubhafte Angaben machen müsse. So soll er seine Kontakte offenlegen und Licht ins Dunkel der Geldflüsse bringen. «Unangenehme Fragen bleiben dem Angeklagten nicht erspart», so der Gerichtspräsident.
Dem 54-jährigen Schweizer wird in Frankfurt wegen «geheimdienstlicher Agententätigkeit» der Prozess gemacht. Die deutsche Generalbundesanwaltschaft wirft ihm vor, von Juli 2011 bis Februar 2015 im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes (NDB) die Finanzverwaltung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) ausspioniert zu haben.
So soll er persönliche Daten von drei Steuerfahndern beschafft haben, die mit dem Ankauf sogenannter Steuer-CDs befasst waren. An diese Daten soll er über eine in Hessen ansässige Sicherheitsfirma gekommen sein.
Indem er die Daten seinem Auftraggeber weitergereicht habe, sei in der Schweiz die strafrechtliche Verfolgung der deutschen Steuerfahnder möglich geworden. Die Schweizer Bundesanwaltschaft und deren Aufsichtsbehörde versicherten hingegen, das Strafverfahren fusse nicht auf nachrichtendienstlichen Informationen.
Für den Auftrag erhielt der Beschuldigte, der seit April in Untersuchungshaft sitzt, laut Anklage knapp 13’000 Euro. Von diesem Betrag soll er rund 10’000 Euro an seinen hessischen Geschäftspartner weitergeleitet haben.
Wer ist der Maulwurf?
Zudem soll der 54-Jährige einen Maulwurf in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung platziert haben. Den Auftrag dazu soll er ebenfalls von seinen «nachrichtendienstlichen Auftraggebern» erhalten haben. Die deutsche Bundesanwaltschaft konnte bisher die Identität der Quelle nicht ermitteln.
Die deutsche Bundesanwaltschaft fordert, dass der Beschuldigte die Quelle preisgibt. Verteidiger Robert Kain stritt am Mittwoch vor Gericht hingegen deren Existenz ab: «Es gibt diese Quelle nicht».
Für den Auftrag, einen Maulwurf aufzubauen, wurde dem mutmasslichen Spion gemäss Anklage ein Honorar von 90’000 Euro zugesichert. 60’000 Euro davon seien ausbezahlt worden. Von diesem Geld behielten der 54-Jährige selber und sein hessischer Geschäftspartner je 10’000 Euro. 40’000 Euro liess der Beschuldigte über seinen Geschäftspartner weiteren, laut Anklage nicht bekannten, Personen zukommen.
Angespannte Beziehungen
Hintergrund der Spionageaffäre ist der Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland. In den vergangenen Jahren hatten mehrere deutsche Bundesländer, darunter NRW, immer wieder sogenannte Steuer-CDs mit Datensätzen mutmasslicher deutscher Steuerhinterzieher gekauft. Das sorgte für Verstimmungen zwischen Deutschland und der Schweiz.
Der aktuelle Spionageverdacht gab in Deutschland ebenfalls viel zu reden. Zahlreiche Politiker zeigten sich empört, dass die Schweiz in Deutschland Spitzel einsetze. Das deutsche Aussenministerium forderte Aufklärung über den Fall.
Der Prozess gegen den 54-jährigen Schweizer wird am 26. Oktober fortgesetzt. Das Gericht will dann noch einen Zeugen vernehmen. (awp/mc/ps)