Komplementärmedizin wird definitiv kassenpflichtig
Bern – Komplementärmedizinische Behandlungen werden weiterhin von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen, und zwar unbefristet. Der Bundesrat hat am Freitag neue Verordnungsbestimmungen genehmigt und auf den 1. August in Kraft gesetzt.
Volk und Stände hatten 2009 den neuen Verfassungsartikel zur Komplementärmedizin angenommen. Seit 2012 vergüten die Krankenkassen die ärztlichen Leistungen der anthroposophischen Medizin, der traditionellen chinesischen Medizin, der Homöopathie und der Phytotherapie. Die geltenden Regeln sind jedoch bis Ende 2017 befristet. Nun werden unbefristete erlassen. Unter gewissen Voraussetzungen – darunter wissenschaftliche Evidenz und ärztliche Erfahrung – werden die komplementärmedizinischen Leistungen dem Vertrauensprinzip unterstellt und von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen. Das Vertrauensprinzip setzt voraus, dass die Ärztinnen und Ärzte nur Leistungen erbringen, welche wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind.
Geprüft werden sollen wie bei anderen medizinischen Fachrichtungen nur bestimmte, umstrittene Leistungen. Die Akupunktur, die bereits heute unbefristet von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet wird, gehört neu auch zu dieser Kategorie. Der Statuswechsel der ärztlichen komplementärmedizinischen Leistungen habe keine finanziellen Auswirkungen, schreibt das Innendepartement (EDI) in einer Mitteilung.
Krankenkassen sind skeptisch
In der Vernehmlassung waren die neuen Regeln mehrheitlich begrüsst worden. Widerstand kam von den Krankenkassen. Sie betonen, die Wirksamkeit der Komplementärmedizin sei nicht wissenschaftlich erwiesen. Daher sei es nicht nachvollziehbar, dass diese den anderen medizinischen Fachrichtungen gleichgestellt werde. Der Dachverband santésuisse befürchtet, dass Angebot und Nachfrage steigen – und damit die Kosten. Der Dachverband der Patientenstellen hielt dagegen fest, es sei Zeit, den Volkswillen zu respektieren.
Nachweis nicht möglich
Die befristete Regelung für die Komplementärmedizin hatte der damalige Gesundheitsminister Didier Burkhalter im Jahr 2011 beschlossen, weil der Nachweis fehlte, dass die Leistungen der betroffenen Fachrichtungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Burkhalter verlangte von den Vertretern der alternativen Behandlungsmethoden, bis Ende 2015 aufzuzeigen, inwiefern die komplementärmedizinischen Fachrichtungen die Kriterien erfüllen. Vor einem Jahr schrieb das EDI dann, es lasse sich nicht beweisen, dass die betroffenen Fachrichtungen als Ganzes wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich seien.
Eigenheiten berücksichtigen
Bei der Beurteilung komplementärmedizinischer Fachrichtungen ist umstritten, ob deren Wirksamkeit adäquat geprüft wird. Die Vertreter der Komplementärmedizin argumentieren, die Prüfung müsse unter Berücksichtigung der Eigenheiten dieser Fachrichtungen erfolgen. Die Kritiker monieren, der Nachweis habe auch für diese Fachrichtungen nach den üblichen wissenschaftlichen Methoden zu erfolgen.
Nicht umstritten ist, dass die Komplementärmedizin kostenmässig kaum ins Gewicht fällt. Die Kosten werden auf 50 Mio CHF im Jahr geschätzt, weniger als ein Promille der gesamten Gesundheitskosten. (awp/mc/pg)