IWF-Chefin beteuert gewissenhafte Entscheidung – Urteil am Montag
Paris – Zum Abschluss ihres Strafprozesses wegen Fahrlässigkeit im Amt hat IWF-Chefin Christine Lagarde erneut ihre Unschuld beteuert. Sie habe in ihrer Zeit als französische Finanzministerin nach bestem Gewissen und mit dem alleinigen Ziel gehandelt, das Gemeinwohl zu verteidigen, sagte die 60-Jährige am Freitag vor dem Pariser Gerichtshof der Republik. Lagarde wird vorgeworfen, nachlässig grünes Licht für eine umstrittene Millionen-Entschädigung an den Geschäftsmann Bernard Tapie gegeben zu haben. Damit soll sie eine Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht haben.
Das Gericht verkündet das Urteil am Montag (15.00 Uhr), bei einer Verurteilung drohen Lagarde bis zu ein Jahr Haft und 15’000 Euro Strafe. Ihre Anwälte verlangten, sie freizusprechen. Dies hatte zuvor auch die Staatsanwaltschaft gefordert.
Lagarde sagte, sie stehe zu ihren Entscheidungen. Sie habe versucht, Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen. «Das Risiko eines Betrugs ist mir völlig entgangen.» Sie sei von ihren Mitarbeitern auch zu keinem Zeitpunkt gewarnt worden.
400 Millionen Euro für Tapie
Lagarde hatte 2007 einem Schiedsverfahren zugestimmt, um einen komplexen Rechtsstreit beizulegen. Als die Schiedsleute Tapie mehr als 400 Millionen Euro Entschädigung zusprachen, verzichtete Lagarde auf einen Einspruch. Inzwischen laufen Betrugsermittlungen gegen mehrere Beteiligte, weil es Verbindungen zwischen Tapie und einem der Schiedsleute gegeben haben soll. Der Schiedsspruch wurde deshalb bereits von Gerichten aufgehoben.
Lagardes Anwalt Patrick Maisonneuve argumentierte, Lagarde habe vor dem Verzicht auf den Einspruch die Meinung von fünf Anwälten eingeholt. Er bedauerte zudem, dass ein Schlüsselzeuge nicht gehört werden konnte: Lagardes damaliger Kabinettschef Stéphane Richard hatte die Aussage vor Gericht verweigert, weil auch gegen ihn ermittelt wird. Mit-Verteidiger Bernard Grelon betonte, es habe keinen Anlass gegeben, an der Integrität der drei Schiedsmänner zu zweifeln, bei denen es sich um drei erfahrene Top-Juristen handelte.
Spezialgericht
Die Staatsanwaltschaft hatte schon im vergangenen Jahr keine ausreichenden Gründe gesehen, Lagarde vor Gericht zu bringen. Die Ermittlungsrichter setzten sich allerdings über diese Entscheidung hinweg – sie warfen Lagarde vor, sich vor ihren Entscheidungen nicht ausreichend mit der Materie befasst zu haben. Das Urteil fällt ein Spezialgericht, das für Vergehen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig ist. Auf der Richterbank sitzen neben drei Berufsrichtern auch zwölf Parlamentarier.
Für Lagarde geht es auch um ihre Glaubwürdigkeit. Eine Verurteilung würde die Frage aufwerfen, ob sie an der Spitze des IWF bleiben kann. (awp/mc/ps)