Anja Hochberg, CIO Schweiz & Head Investment Services Credit Suisse, im Interview
Von Dieter Haas, Derivative Partners AG, www.payoff.ch
payoff im Gespräch mit Frau Dr. Anja Hochberg, Chief Investment Officer (CIO) Schweiz & Head Investment Services der Credit Suisse, über die zukünftigen wirtschaftlichen Erwartungen, die grössten Risiken, die jüngsten Anpassungen bei der ausgewogenen Strategie der Credit Suisse sowie ihr bestes persönliches Investment.
payoff: Frau Hochberg, wie lautet kurz zusammengefasst ihre globale wirtschaftliche Erwartung bis Ende 2016?
Dr. Anja Hochberg: Das globale wirtschaftliche Umfeld dürfte 2016 mit leichten Zuwachsraten aufwarten können. Wir erwarten so weder eine Rezession, die durchaus noch Anfang Jahr von den Märkten thematisiert wurde, noch kräftige Wachstumsraten, so dass die Notenbanken im Wesentlichen weiter unterstützend wirken werden. Lediglich in den USA, wo die Konjunkturentwicklung weiter fortgeschritten ist, könnte die US-Notenbank die Zinserhöhung vorsichtig fortsetzen.
Wo lauern die grössten Risiken?
Risiken für eine moderate Fortsetzung der Konjunkturerholung können sicherlich nach wie vor in den Schwellenländern geortet werden, wenngleich wir dort stabilisierende Signale erhalten. Potenzielle Risiken können auch aus kräftigen Währungsbewegungen entstehen oder von einem nicht sehr wahrscheinlichen drastischen Anstieg der Erdölpreise. Auch die politischen Risiken sind gestiegen.
Welche Anpassungen wurden seit Anfang 2016 bei der ausgewogenen Strategie der Bank vorgenommen?
Die sichtbarste Veränderung auf taktischer Ebene ist sicherlich die aktuelle Reduktion der Aktienquote. Wir erwarten zwar keine Baisse, da der zugrunde liegende makroökonomische Trend nach wie vor Unterstützung bietet. Die globalen Aktienmärkte haben unserer Einschätzung nach das obere Ende ihrer breiten, seit etwa anderthalb Jahren bestehenden Handelsspanne erreicht. Auf strategischer Ebene haben wir neue Anlageklassen, z.B. Wandelanleihen, eingeführt.
«Wir setzen nach wie vor auf Schweizer Aktien und würden diese übergewichten.»
Dr. Anja Hochberg, CIO Schweiz & Head Investment Services Credit Suisse
Was spricht für die Aufstockung bei den Obligationen im Allgemeinen und den Unternehmensanleihen im Speziellen?
Bei Kernstaatsanleihen sehen wir gar keine Notwendigkeit einer Aufstockung. Ganz im Gegenteil, diese sind sehr teuer und korrekturanfällig. Unternehmensanleihen bieten hingegen mehr Wert und auch dank des Coupons etwas mehr Schutz im Fall steigender Zinsen. Insgesamt würden wir die Obligationenquote aber auf Neutral setzen, mit klarer Präferenz von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen.
«Wir haben uns in unserer strategischen Allokation gegen eine explizite Goldquote entschieden.»
Ist Cash nicht mehr King?
Strategisch hohe Cash-Positionen halte ich in Zeiten von tiefen und negativen Zinsen nicht für sinnvoll, da gibt es bessere Anlagealternativen.
Was spricht in einem ausgewogenen Portfolio eines Privatanlegers für die Anlagekategorie der Hedge-Fonds?
Wir empfehlen Hedge-Fonds insbesondere zur Optimierung des Portfolios. Innerhalb der Hedge Fonds rechnen wir mit einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung von Strategien mit niedrigem Markt-Beta, z.B. Long-Short Equity mit einem niedrigen Netto-Exposure oder aktienmarktneutrale Outright-Strategien. Zudem halten wir das klassische Fixed-Income-Arbitrage für attraktiv, als auch Global-Macro-Fonds. Bei Managed Futures sind unseres Erachtens kurzfristige Handelsstrategien Trend folgenden Managed Futures vorzuziehen.
Die Edelmetalle finden derzeit keine Berücksichtigung. Weshalb?
Innerhalb unserer Rohstoffquote findet man natürlich auch Gold. Wir haben uns aber in unserer strategischen Allokation, die wir jedes Jahr überprüfen, gegen eine explizite Goldquote entschieden. Die aktuell noch niedrige Inflation, die Möglichkeit steigender Zinsen zumindest in den USA, ein potenziell stärkerer US-Dollar und die bereits erreichte Bewertung lassen Gold aktuell nicht attraktiv erscheinen.
Welches Gewicht innerhalb der Aktienquote in einem ausgewogenen Depot fällt auf Schweizer Aktien?
Wir setzen nach wie vor auf Schweizer Aktien und würden diese übergewichten. Zwar hat sich dies anfangs Jahr nicht ausgezahlt, ein stärkerer US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken und die moderate Konjunkturerholung dürften die Performance aber wieder besser ausfallen lassen. Zudem haben einige grosse Indexwerte diese Underperformance getrieben. Aktuell empfehlen wir für ein ausgewogenes Portfolio eine Quote von 17% im Schweizer Aktienmarkt.
Schweizer Immobilienanlagen spielen in der Portfoliostruktur der CS im Vergleich zur Obligationenquote nur eine untergeordnete Rolle. Welche Überlegungen stecken dahinter?
Schweizer Immobilienanlagen (börsenkotierte und auch offene Immobilienfonds) sind relativ teuer und, insbesondere bei grossen Investitionsvolumina, nicht so liquide wie andere Anlageklassen. Sie profitieren allerdings von den tiefen Zinsen und auch im gewerblichen Bereich von der moderaten Konjunkturerholung. Zudem besteht unsere Obligationenquote nicht nur aus Staatsanleihen, sondern ist sehr ausgewogen auch mit risikohaltigeren Anlagen besetzt. Auch die jüngst aufgenommenen Wandelanleihen gehören dazu.
«Wir empfehlen Hedge-Fonds insbesondere zur Optimierung des Portfolios.»
Welche der fünf Anlagen – Geldmarkt CHF, Bundesobligationen, Aktien Schweiz, Immobilien Schweiz und Gold in CHF – besitzt auf eine Sicht von zwölf Monaten das grösste Kursgewinnpotenzial?
Das Tiefzinsumfeld belastet die Obligationen, Immobilien sind tendenziell teuer und Gold ist in einem Normalisierungsumfeld anfällig. Das erste Quartal hat zudem deutlich gezeigt, dass ein global diversifiziertes und nicht nur auf die Schweiz bezogenes Portfolio durchaus Vorteile hat.
Welche auf die Schweiz bezogene Anlage war von Ihren persönlichen Investitionen bis dato die erfolgreichste und welche die am wenigsten profitabelste?
Wenn wir nur auf die Schweiz abstellen und nicht auf ein von uns empfohlenes global diversifiziertes Portfolio, das auch ich bevorzuge, ist wahrscheinlich unsere Immobilie – gebaut 2008 – deutlich im Wert gestiegen. Am wenigsten profitabel ist natürlich ein neues Auto, das verliert sofort an Wert. Aber wie gesagt, ich bin global diversifiziert und da hat sich insbesondere Europa ausgezahlt.
Herzlichen Dank für das Interview.
Die Gesprächspartnerin:
Dr. Anja Hochberg studierte in Berlin Wirtschaftsgeschichte, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft, absolvierte am Europa-College in Brügge erfolgreich ein Postgraduate-Studium in «International Economics» und promovierte an der University of Wales. Dort war sie vier Jahre als Dozentin für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt «Internationale Finanzmärkte» tätig. Im Frühsommer 1999 tauschte Frau Dr. Hochberg die akademische Verantwortung gegen die volkswirtschaftliche Praxis. In der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zeichnete sie für die Analyse der G7-Ökonomien und der Finanzmärkte verantwortlich. Frau Dr. Hochberg ist seit Januar 2001 für die Credit Suisse tätig und leitete bis August 2009 die Abteilung Internationale Volkswirtschaft, die Konjunktur- und Zinsprognosen erstellt und auch die Anlageklassen Devisen, Rohstoffe und Immobilien analysierte.Per Mitte August 2009 wurde Frau Dr. Hochberg zur Leiterin Anlagestrategie der Asset Management Division ernannt. Im August 2013 wurde Frau Dr. Hochberg zum Chief Investment Officer (CIO) für Europa (inkl. Schweiz ernannt). Seit Dezember 2015 verantwortet Frau Dr. Hochberg darüber hinaus auf globaler Ebene den Bereich «Investment Services», der sich der Umsetzung der Anlageideen in Kundenportfolios widmet und z.B. die Auswahl von Anlageinstrumenten (Fonds), die Beratung für Alternative Anlagen, UHNWI-Dienstleistungen und Portfolio-Lösungen beinhaltet. Frau Hochberg ist seit 2008 Managing Director (MD), war von 2010 bis 2012 Mitglied im MD Beförderungsausschuss der Bank und von 2012 bis 2015 Co-Chair des multikulturellen Forums, einem Mitarbeiternetzwerk der Credit Suisse. Frau Hochberg setzt sich stark für Mitarbeiterföderung ein, z.B. auch als Beirätin der «Fonds-Frauen».