SMG: «Der Perspektivenwechsel lohnt sich, braucht aber Mut»
Zürich – Wo kann langfristiges Denken in Zeiten der permanenten Disruption zu einem Wettbewerbsvorteil werden? Unter dem Motto «Upcycling – fresh perspectives on strategy» stellten am diesjährigen SMG Forum Unternehmer wie Paul Polman, Oscar Farinetti und Bruno Giussani überraschende Perspektiven für zukünftiges Wachstum vor.
«Die kluge Ressourcenverwendung ist so oder so ein Thema, das viele Unternehmer in Zukunft noch mehr interessieren dürfte als es das heute schon tut», sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr in seiner Begrüssung. Die Schweiz habe vor 200 Jahren nicht viel mehr als die zwei B, Berge und Brain, zu bieten gehabt. Seither sei viel geschehen – vor allem Brain werde auch künftig gefragt sein, um mit neuen Techniken erfolgreiches Upcycling zu betreiben. Die Schweiz rühme sich zurecht für ihr Recycling, lebe andererseits aber in einem Zeitalter voller Ramsch. Was sinnvolles Upcycling betreffe, biete daher viel Stoff für Diskussionen. Für Innovation gebe es jedoch kein anderes Rezept, als ab und zu die Perspektive zu wechseln, betonte er.
Kälte statt Kühlschränke verkaufen: Martin R. Stuchtey, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter SystemiQ, plädierte für den Sprung von der Produkt- zur Leistungsökonomie. Das Modell industrieller Wertschöpfung sei für Unternehmen zunehmend riskant und für Volkswirtschaften unwirtschaftlich, sagte er. Sogar in reifen Volkswirtschaften sei das Mass an System-Ineffizienz gross. Stuchtey fragte, ob eine massive Erhöhung unserer Ressourcen-Produktivität in Zukunft den Grundkonflikt zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungszielen lösen könne. Mittels ökonomischer Analysen regte er eine Diskussion an, die weit über die bekannten Nachhaltigkeitsdebatten hinausreicht.
Über den von Stuchtey entwickelten regenerativen Zukunftsentwurf und dessen mögliche Wettbewerbsvorteile für die Schweizer Wirtschaft diskutierte der Innovator im Panel mit Urs Riedener, CEO Emmi, Bundeskanzler Walter Thurnherr und Franziska Tschudi Sauber, CEO der Wicor Holding AG. Sie fragten, inwiefern die Schweizer Industrie von einer Erhöhung der Ressourcen-Produktivität profitieren könnte und ob die Schweiz gar eine Pionierrolle bei wegweisenden Technologien einnehmen könne. Ja, lautete das Fazit, es gibt hierzulande Vorstösse und gute Unternehmensbeispiele für eine Kreislaufwirtschaft, aber die Entwicklung verläuft langsam.
A brighter future, a better business: Unter diesem Titel referierte der Unilever-CEO Paul Polman über die grossartigen Opportunitäten, welche sich jenen bieten, die frühzeitig auf eine nachhaltige Entwicklung einschwenken. Mit dieser Erkenntnis hat Unilever den Unilever Sustainable Living Plan eingeführt, eine Strategie, die den Umsatz bis 2020 verdoppeln und gleichzeitig den ökologischen Fussabdruck über den gesamten Produktlebenszyklus halbieren soll. Dabei, so hielt Polman fest, sei die Zusammenarbeit mit weiteren Wirtschaftsvertretern, Regierungen und NGO’s unerlässlich. In seiner eindrücklichen Rede appellierte Polman an die anwesenden Leader, in ihrem Business auf das Gemeinwohl und den Benefit der Bevölkerung zu fokussieren, und nicht auf das eigene Interesse. «Wahre Leader sind nachhaltig und langfristig ausgerichtet und kümmern sich um andere», hielt er fest.
Oscar Farinettis Drang, neue Projekte erfolgreich ins Leben zu rufen, ist ungebrochen. Zuerst transformierte er die kleine Retail- und Haushaltwarenkette UniEuro zum grössten Elektronikfachhandel Italiens. Darauf schuf er Eataly, das rund um den Globus über 400 Mio. Euro generiert und per 2017 den Börsengang plant. Ende 2015 gab er die CEO-Funktion von Eataly ab, um zwei neue Visionen zu verwirklichen. Farinetti zeigte den Zuhörern sein strategisches Geheimrezept erfolgreichen Unternehmentums, das ihn auch in seinen jüngsten Projekten leitet. Jede Geschäftsidee brauche einen poetischen Kern als Nukleus, lautet sein Credo, das er anhand eines Pfirsichs originell ins Bild rückte.
Welche Perspektiven sich im Teilen von Perspektiven eröffnen, erörterte Bruno Giussani, Europäischer Direktor von TED. Die Plattform hat in den vergangenen zehn Jahren den Zugang zu Thought Leaders demokratisiert und deren Ideen mittels diverser Kanäle Hunderten von Millionen Menschen rund um den Globus zugänglich gemacht. Dabei hat das TED-Team gewagte Schritte unternommen und etwa seine Marke kostenlos den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Wie genau passionierte Communities geschaffen werden, zeigte der aus der Leventina stammende Schweizer mit eindrücklicher Bildgewalt auf.
Darauf zeigten Christian Fischer und Cyrille Boinay, Co-CEO und Gründer der Bcomp AG, im lebendigen Dialog, wie sich Gegensätze potenzieren und sie durch Innovation mit nachhaltigen Naturfasern eines der erfolgreichsten Startups der Schweiz schufen. Nach ihrer erfolgreichen Etablierung in der Sportbranche arbeiten sie mit der Automobil- und Raumfahrtindustrie.
Der Berner Exportschlager in Hollywood, Daniel Bernhardt, berichtete von Stationen seiner spannenden Karriere und hielt fest, wie wichtig der eigene Instinkt und ein gutes Team auf dem Weg sind. «Der Perspektivenwechsel lohnt sich, aber er braucht Mut», hielt SMG-Präsidentin Alice Sachowa in ihrer gekonnten Zusammenfassung fest. Die Schweiz müsse in Bezug auf künftige Trends wach bleiben, auch wenn der Kelch bisher an ihr vorbeigegangen sei. Ihre Leader bräuchten Willensstärke und müssten Verantwortung für die Zukunft des Planeten übernehmen. (SMG/mc/ps)
Die Schweizerische Management Gesellschaft
Die 1961 aus dem Betriebswissenschaftlichen Institut (BWI) der ETH hervorgegangene Schweizerische Management Gesellschaft (SMG) ist die bedeutendste Vereinigung von über 1200 führenden Entscheidungsträgern der Schweizer Wirtschaft. Durch ihre Netzwerk- und Plattformfunktion dient die SMG im Rahmen ihrer Veranstaltungen als Impulsgeberin für Unternehmer, Führungskräfte aus dem C-Level-Management und Verwaltungsräte, die sich mit strategischen und operativen Führungsfragen auseinandersetzen.