Frédéric Lamotte, CIO Indosuez Wealth Management, im Interview

Frédéric Lamotte, CIO Indosuez Wealth Management, im Interview
Frédéric Lamotte, Chief Investment Officer bei Indosuez Wealth Management.

Von Martin Raab, Derivative Partners AG, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Frédéric Lamotte, Chief Investment Officer Indosuez Wealth Management, zu den Auswirkungen des Brexit, Planänderungen für die FED, alternativen Beimischungen und was genau «SNACX» sind.

payoff: Herr Lamotte, Ihr Haus verwaltet in der Schweiz CHF 46 Mrd. Wie haben Ihre Kunden auf den «Brexit» samt Kurskapriolen reagiert?

Frédéric Lamotte: Im Gegensatz zu den Finanzmärkten haben unsere Kunden gefasst und ohne Panik reagiert. Dies hat sicher auch damit zu tun, dass nur sehr wenige direkt in UK oder in den dortigen Märkten investiert waren. Die Gelassenheit darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die langfristigen Auswirkungen des Entscheides noch ziemlich unklar sind.

Erwarten Sie eine Rezession in Grossbritannien oder gar eine Renaissance?

Vor dem Brexit gingen wir für UK noch von einem schwachen Wachstum aus. Aufgrund des erwarteten Rückganges der Investition und Konsumausgaben wird sich das Vorzeichen wahrscheinlich ändern. Natürlich können wir die Zukunft nicht vorhersagen. Trotzdem sehen wir im Volksentscheid so etwas wie einen politischen Tsunami für das Land. Auf der anderen Seite erhält die Politik auch eine Chance, sich zu erneuern.

Was heisst das für britische Staatsanleihen?

Die Renditen für englische Staatsanleihen haben seit dem Brexit-Schock stark nachgegeben. Auch hat die Bank of England die für Juli erwartete Senkung der Leitzinsen überraschend auf August verschoben. Aufgrund der sich voraussichtlich eintrübenden Wirtschaftsaussichten werden die Renditen voraussichtlich tief bleiben. Sollte sich das Pfund jedoch zu stark abwerten, eventuell sogar verbunden mit Inflations- oder gar Stagflationsängsten, könnte dies die Zentralbank in eine echte Zwickmühle bringen, da sie dann evtl. versucht sein könnte, die Zinsen mittelfristig wieder etwas anzuheben.

Viele Marktbeobachter sehen den Zinserhöhungszyklus in den USA nach dem Brexit gestoppt. Welche Meinung haben Sie dazu?

Wir teilen diese Auffassung. Vor dem Brexit dachten wir, dass ein linearer Anstieg der Zinsen beschlossene Sache ist. Nach dem Referendum scheint die Fed nicht mehr so in Eile zu sein.

«Es gibt nur noch neun Währungen, die nicht durch eine unkonventionelle Geldpolitik manipuliert werden.»

Und da sind ja noch die amerikanischen Präsidentschaftswahlen, welche das Geschehen ebenfalls beeinflussen werden.

Mit Blick auf die Anlageklassen: Wo gibt es jetzt Chancen für Anleger?

Wir bevorzugen nach wie vor Aktien. Hier scheinen uns vor allem die europäischen Werte immer noch etwas teuer im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants. Auch die Emerging Markets bieten sich als interessante Alternative an.

Nutzen Sie für die Investmentumsetzung auch ETFs?

Unseres Erachtens eignen sich ETFs weniger gut für die Umsetzung von langfristigen Anlagestrategien. Wir setzten ETFs deshalb nur ein, um kurzfristig insbesondere taktische Ziele zu erreichen – dort sind ETFs besser zu gebrauchen.

Wird der Ölpreis nennenswerte Kursveränderungen in nächster Zeit zeigen?

Die iranische Ölproduktion fiel höher aus als erwartet, und auch der Irak hat seine Produktion gesteigert. Dazu kommen hohe Lagerbestände in den USA. Zu guter Letzt kurbelt der höhere Ölpreis auch die Produktion in den USA wieder an. Alles in allem dürfte sich der Ölpreis bis auf Weiteres um die aktuellen Notierungen herum bewegen, also zwischen 35 bis 55 USD/b bei WTI.

Was ist Ihre Meinung zu Gold?

Wir sind bezüglich Gold optimistisch eingestellt, und zwar insbesondere als Anlage zur Absicherung des Aktienanteils von Balanced Portfolios. Die stark aufgeblähten Bilanzen der Zentralbanken sowie die sowohl im kurzfristigen Bereich wie auch für Staatsanleihen negativen Zinsen scheinen uns gute Gründe zu sein, Gold zu kaufen – am besten, indem man kurzfristige Kurstaucher nutzt. Ich muss hierzu aber anfügen, dass wir auf eine der stärksten Rallys des Goldpreises der letzten 30 Jahr zurückblicken. Gold hat deshalb schon fast den von uns für Ende 2017 prognostizierte Preis von 1’400 USD pro Unze erreicht. Die aktuell beobachtete Hausse ist unserer Ansicht nach etwas übertrieben. Aufgrund der vielen politischen Unwägbarkeiten wird Gold längerfristig aber seinen Glanz behalten.

Ihr Haus hat kürzlich eine neue Strategie namens SNACX präsentiert. Was verbirgt sich dahinter?

Das schwierige Anlageumfeld mit negativen Renditen sowie politische Unsicherheiten lassen Anleger verstärkt nach sicheren Häfen Ausschau halten. Wegen des unausgesprochenen, jedoch de facto existierenden Währungskrieges zwischen verschiedenen Ländern oder Handelsblöcken wie China, der EU oder den USA, welche durch protektionistische Massnahmen versuchen, ihre Währungen zu schwächen und damit die Exportindustrie zu stärken, gibt es nur noch neun genügend liquide und mit AAA bewertete Währungen, die nicht allzu sehr durch eine unkonventionelle Geldpolitik manipuliert werden. Dazu gehören insbesondere der Schweizer Franken, die Norwegische Krone, der Australische und Kanadische Dollar sowie Gold. Durch den Einsatz dieser «SNACX-Währungsstrategie» können in US-Dollar oder Euro denkende Anleger ihre Portfolios diversifizieren und ihr Kapital schützen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Der Gesprächspartner:
Frédéric Lamotte ist Chief Investment Officer bei Indosuez Wealth Management. Der gebürtige Franzose und Wahlschweizer began seine Karriere im Jahr 1988 bei der Saudi French Bank im Bereich Aktiv-Passiv-Management. Im Jahr 1993 wechselte Lamotte zur Singapur-Niederlassung von Crédit Agricole Indosuez, wo er als Head of Derivatives amtete. Anschliessed war er als Head of Capital Markets and Derivatives in der Tokioter Dependance von CA Indosuez federführend für das Kapitalmarktgeschäft im Japan. Nach rund fünf Jahren in Fernost wurde Lamotte im Jahr 1997 als Head of Advisory and Structured Products bei Crédit Agricole Suisse in Genf unter Vertrag genommen. Dort wurde er im Jahr 2007 zum Head of Markets & Investment Solutions befördert. Frédéric Lamotte hat einen Master’s degree in International Finance der HEC Paris sowie einen Abschluss in Mathematik der technischen Hochschule École Centrale in Paris.

Schreibe einen Kommentar