Vom Lügen, Betrügen und schnellen Vergessen

Vom Lügen, Betrügen und schnellen Vergessen

Das Umfeld des Brexit hat offensichtliche Lügen und das sofortige Relativieren von Versprechen nach der Abstimmung in eine neue Dimension gehoben. Relativiert wurde auch einmal mehr die Macht der traditionellen Medien, gestärkt diejenige der hyperventilierenden Sozialen Medien. Keine “good news”.

Von Helmuth Fuchs

Irgendwie liest man die Aussagen von Leuten wie Nigel Farage oder Boris Johnson im Zusammenhang mit dem Brexit, von Donald Trump während des Wahlkampfes oder von Andreas Glarner zum Asylwesen, die so offensichtlich nichts mit irgendeiner Form von Wahrheit oder Fakten zu tun haben und kann sich nicht vorstellen, dass irgend jemand diese Leute ernst nehmen kann. Und dann folgen ihnen plötzlich mehr als 50 Prozent der Wähler, die explizit nicht mehr von Fakten oder Experten verwirrt werden möchten und auf ihren Bauch und das darin verborgene Gefühl als alleiniges Orakel hören.

Sub-Sekunden-Stimmungsbarometer statt Weltgedächtnis
Begleitet wird dieses absurde Szenarium vom hypernervösen Vibrieren der Sozialen Medien. Statt zum “Weltgedächtnis” hat sich das Internet im News-Bereich dank der neuen Medien vor allem zum Sub-Sekunden-Stimmungsbaromter ohne jeglichen Anspruch auf Ernstaftigkeit oder Verbindlichkeit entwickelt. Hier wütet des Volkes Furor, wächst Stimmung und aus Stimmung entsteht die Realität für die nächste Abstimmung. Natürlich gibt es sie noch, die traditionellen Medien, die zumindest teilweise noch versuchen dagegen zu halten mit Recherchen, Faktenchecks, Experteninterviews oder Leitartikeln. Nur scheint die kaum noch jemand zur Kenntnis zu nehmen.

Was, wenn das so niemand wollte
Das Resultat ist oft, zuletzt auch gerade beim Brexit, ein Erwachen mit Kater wie nach einer durchzechten Nacht im Delirium. Plötzlich wollte das so niemand, die gemachten Versprechen sind nur noch Möglichkeiten ohne Umsetzungsgarantie, die falschen Zahlen werden zugegeben und gleich verharmlost. Ein ganze Generation von Politikern verabschiedet sich gerade von einer Mindestform der Verantwortung im Umgang nur schon mit der eigenen Wahrheit (generelle Wahrheiten mal aussen vorgelassen). Ohne markante Richtungsänderung dreht sich hier die Spirale weiter, die Bürger müssen sich beim nächsten Mal noch weniger mit Fakten belasten, da diese ja eh ein Betrug sind (wie die letzte Erfahrung gezeigt hat), die Politiker können sich auf reine Stimmungsmache konzentrieren.

Zaghafter Hoffnungsschimmer
Für einmal reagieren die alten Medien und geben zu Hoffnung Anlass. So gibt es neu nach einer Arena einen “Faktencheck”, der die Aussagen der Protagonisten auf ihren überprüfbaren Wahrheitsgehalt hin testet. Hier könnten die Sozialen Medien auch spielerisch noch viel schneller und wuchtiger die Lügen von Politikern enttarnen und Wählern nebst dem Bauchgefühl noch einen Faktenradar mitgeben. Der Qualität politischer Entscheidungen kann es nur förderlich sein.

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