Pro-EU-Abgeordnete Cox in Nordengland auf offener Strasse getötet
Jo Cox, getötete Labour-Abgeordnete und EU-Befürworterin.
London – Eine Woche vor dem EU-Referendum in Grossbritannien ist die pro-europäische britische Abgeordnete Jo Cox auf offener Strasse getötet worden. Die 41-Jährige sei kurz nach der Attacke in Nordengland ihren Verletzungen erlegen, teilte die Polizei von West Yorkshire am Donnerstag mit. Ein 52-Jähriger wurde als Tatverdächtiger festgenommen.
Cox hatte – wie die meisten Labour-Abgeordneten – energisch für den EU-Verbleib geworben. Der Angreifer habe auf sie geschossen und mit einem Messer auf sie eingestochen, berichteten Medien übereinstimmend.
Angreifer rief: «Britain first»
Weiter hiess es, der Angreifer habe «Britain First» («Grossbritannien an erster Stelle») gerufen. «Britain First» ist der Name einer rechtsgerichteten Gruppe, die sich im Internet als eine Art Bürgerwehr und «patriotische Partei» beschreibt.
Die Organisation erklärte, der Angriff auf die Politikerin sei «absolut widerlich», und «Britain First» auch ein in der Brexit-Debatte üblicher Slogan von den Befürwortern eines EU-Austritts.
Die Polizeichefin von West Yorkshire, Dee Collins, sagte, die Ermittler seien noch nicht in der Lage, etwas über das Motiv zu sagen. Es gebe aber keinen weiteren Verdächtigen.
Die Attacke ereignete sich am Mittag vor den Augen bewaffneter Polizisten nahe einer Bibliothek in Birstall, wo sich die Mutter zweier Kinder oft mit Bürgern traf. Birstall ist ein grosses Dorf in der Nähe von Leeds in Nordengland.
Der Notruf sei um 12.53 Uhr (Ortszeit, 13.48 MESZ) eingegangen, sagte Collins. Um 13.48 Uhr (Ortszeit) sei der Tod festgestellt worden.
Cameron und Johnson geschockt
Noch vor der Bekanntgabe ihres Todes hatten Brexit-Befürworter und Pro-Europäer ihre Kampagnen gestoppt. Premierminister David Cameron sagte auch einen Werbeauftritt für den EU-Verbleib auf Gibraltar ab. «Es ist richtig, dass nach dem schrecklichen Angriff auf Jo Cox die gesamte Kampagne ausgesetzt ist», sagte er. Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, er sei «tief geschockt».
Der Ex-Bürgermeister von London und Brexit-Befürworter Boris Johnson schrieb: «Ich bin traurig und schockiert, von Jo Cox› Tod zu hören». EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte ebenfalls, er sei schockiert und denke an die Kinder und den Mann von Cox.
Die Briten stimmen am kommenden Donnerstag über einen Verbleib ihres Landes in der EU ab. Nachdem das Pro-EU-Lager lange Zeit vorne lag, hat das «Leave»-Lager (Verlassen) in Umfragen nun einen Vorsprung von etwa vier Punkten. Der Wahlkampf hatte in den vergangenen Tagen an Schärfe zugenommen.
Gründerin von Britain in Europe
Cox stand von Beginn an auf der EU-Seite, sie war an der Gründung der Organisation Britain in Europe beteiligt und begleitete zwei Jahre lang eine britische EU-Abgeordnete in Brüssel und Strassburg. Vor ihrer Zeit als Abgeordnete arbeitete sie mehrere Jahre für die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam.
Ihr Ehemann, Brendan Cox, war Berater des damaligen Ministerpräsidenten Gordon Brown und politischer Direktor der Hilfsorganisation Save the Children. (awp/mc/ps)