Japanische Notenbank verstimmt die Finanzmärkte
Japans Notenbankgouverneur Haruhiko Kuroda.
Tokio – Die japanische Notenbank hat am Donnerstag ihre Geldpolitik nicht weiter gelockert und dadurch an den Finanzmärkten weltweit die Stimmung gedämpft. Der Leitzins bleibe unverändert bei minus 0,1 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Tokio mit. Das Wertpapierkaufprogramm wurde ebenfalls nicht aufgestockt. Man werde das Brexit-Referendum in Grossbritannien im Blick behalten, sagte Notenbankchef Haruhiko Kuroda. Der Yen legte deutlich zu, japanische Renditen fielen auf Rekordtiefs, die Börsenstimmung trübte sich ein.
Mehrheitlich hatten Experten zwar mit den Entscheidungen gerechnet. Einige Ökonomen hatten aber auch eine weitere Absenkung des Leitzinses auf bis zu minus 0,4 Prozent erwartet. Auch eine Aufstockung der Wertpapierkäufe war von einigen Volkswirten erwartet worden.
Kuroda: Brexit-Votum im Blick
Die japanische Wirtschaft habe ihre moderate Erholung zuletzt fortgesetzt, sagte Notenbankchef Kuroda nach der Entscheidung. Künftig sei mit graduellem Wachstum zu rechnen. Man sei bereit, weitere geldpolitische Lockerungen vorzunehmen, falls dies nötig sein sollte, um das selbst gesetzte Inflationsziel von 2 Prozent zu erreichen. Bislang ist Japan davon weit entfernt. Nach jüngsten Daten sind die Verbraucherpreise im April sogar um 0,3 Prozent gesunken.
Die Entscheidung der Notenbanker, dennoch still zu halten, wurde von globalen Unsicherheiten beeinflusst. Es seien im Führungszirkel verschiedene Risiken diskutiert worden, sagte Kuroda. Man werde die Folgen des Brexit-Referendums genauestens im Blick behalten. «Sicherlich hat sich die Bank of Japan auch aus Sorge vor einem Brexit geziert, heute aktiv zu werden», kommentierte Antje Praefcke, Expertin bei der Commerzbank.
Yen so stark wie seit August 2014 nicht mehr
Am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed ebenfalls ihren Leitzins unverändert gelassen und das Risiko eines Brexit dabei berücksichtigt. Das anstehende Referendum habe bei der Entscheidung eine Rolle gespielt, sagte die Fed-Vorsitzende Janet Yellen. Ein Brexit stelle eine Gefahr für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte dar. Die internationale Unsicherheit habe die Geldpolitik stark belastet, sagte Yellen.
An den Finanzmärkten sorgte die abwartende Haltung der japanischen Währungshüter am Donnerstag für Bewegung. Die japanische Währung Yen legte im Anschluss an die Entscheidung deutlich zu und war zum US-Dollar so wertvoll wie seit August 2014 nicht mehr. Ein Dollar kostete zwischenzeitlich nur noch 103,55 Yen. Auch zum Euro gewann der Yen deutlich an Wert. Hier war die Währung sogar so stark wie seit Januar 2013 nicht mehr. Ein Euro kostete zwischenzeitlich 116,92 Yen.
Renditen auf Rekordtiefs – schlechte Börsenstimmung
Die Stärke des Yen ist den Japanern schon seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge. Finanzminister Taro Aso hatte in der Vergangenheit betont, wenn nötig werde er die Notenbank anweisen, am Devisenmarkt einzugreifen. Der Wechselkurs gehöre zwar nicht zu den Zielen der Geldpolitik, sagte Notenbankchef Kuroda nun am Donnerstag. Man werde ihn aber sehr genau im Auge behalten.
Die ausgebliebene geldpolitische Lockerung trieb die Anleger in als sicher geltende Papiere. Die Renditen japanischer Staatsanleihen fielen deutlich. Bei zehnjähriger Laufzeit rentierten die Papiere zwischenzeitlich bei einem Rekordtief von minus 0,205 Prozent. Bei 20-jährigen Papieren lag die Rendite nur noch bei 0,106 Prozent.
An den japanischen Aktienmärkten ging es bergab: Der Nikkei 225 in Tokio rutschte um 3,05 Prozent auf 15 434,14 Punkte ab – das tiefste Niveau seit Februar. Die schlechte Stimmung wirkte bis auf das Frankfurter Börsenparkett. Der deutsche Aktienmarkt beendete am Donnerstag seinen jüngsten zaghaften Erholungsversuch und startete schwach. Zuletzt notierte der Dax 0,80 Prozent tiefer bei 9529,82 Punkten.
Kuroda verteidigt lockere Geldpolitik
In Marktkreisen wird damit gerechnet, dass die japanische Notenbank die geldpolitischen Zügel bei ihrer Sitzung im Juli weiter lockern wird. Kuroda verteidigte unterdessen die extrem lockere Geldpolitik gegen Kritik. Es gehe der Notenbank nicht darum, Staatsschulden zu finanzieren.
Bei den bislang eingeleiteten Massnahmen handle es sich auch nicht um sogenanntes Helikoptergeld, also Geldgeschenke der Währungshüter an den Staat oder die Bürger. Helikoptergeld wäre nach derzeitigem japanischen Recht laut Kuroda auch nicht durchführbar.
Zu den Negativzinsen sagte der Währungshüter, man sei sich bewusst, dass sie Banken belasten könnten. Er gehe allerdings nicht davon aus, dass sie die Gewinne der Banken direkt schmälerten. (awp/mc/upd/ps)