Bedingungsloses Grundeinkommen wuchtig abgelehnt
Acht Millionen Fünfräppler: Lancierung der Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Bern.
Bern – Die Schweizer Bevölkerung erhält kein staatliches Einkommen. 76,9% der Stimmenden haben am Sonntag die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen abgelehnt. Den Initianten ging es in erster Linie darum, eine Diskussion anzustossen. Dass die Initiative keine Chance haben würde, stand von Beginn an fest. Das Resultat fiel nun noch etwas deutlicher aus als erwartet.
Insgesamt haben rund 569’000 Personen ein Ja in die Urne gelegt, 1’897’000 Personen lehnten die Initiative ab. Sämtliche Kantone sagten Nein. Am meisten Unterstützung erhielt die Initiative in den Kantonen Basel-Stadt und Jura mit einem Ja-Stimmen-Anteil von je 36%, gefolgt von Genf mit 35% sowie Zürich und Neuenburg mit 31%.
In der Stadt Zürich nahmen die Stimmenden in den Kreisen 4 und 5 die Initiative an. In den meisten Kantonen sagten aber mehr als 80% der Stimmenden Nein. Am wuchtigsten verworfen wurden das bedingungslose Grundeinkommen in Nidwalden und Appenzell-Innerrhoden mit 87%, gefolgt von Obwalden und Schwyz mit 86%.
Missbräuchlich oder zukunftsgerichtet?
Die Gegner hatten den Initianten im Abstimmungskampf vorgeworfen, die direkte Demokratie zu missbrauchen. Man dürfe darüber diskutieren, ob sich alles um Arbeit drehen müsse. Doch dafür gebe es andere Instrumente als Volksinitiativen, befanden sie.
Die Initianten – eine Gruppe von Intellektuellen, Künstlern und Publizisten – erwiderten, das Anliegen erscheine vielleicht auf den ersten Blick utopisch. Auf den zweiten Blick werde aber deutlich, dass es für immer mehr Menschen keine Arbeit gebe. Die digitale Revolution werde das Problem verschärfen.
Mehr freiwilliges Engagement
Das Grundeinkommen würde aus Sicht der Befürworter nicht nur das Problem der mangelnden Arbeit lösen, sondern mehr Lebensqualität bringen. Die Menschen könnten selbstbestimmter arbeiten, argumentierten sie. Auch hätten sie mehr Raum, sich freiwillig zu engagieren, was der Gesellschaft zugute käme.
Die Gegner zeigten sich ihrerseits überzeugt, dass ein Grundeinkommen das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem auf den Kopf stellen würde. Statt Leistung würde Faulheit belohnt. Wer das bezahlen solle, sei unklar.
2’500 CHF pro Monat
Bei einem Ja zur Initiative hätten alle in der Schweiz lebenden Menschen unabhängig von einer Erwerbstätigkeit ein Einkommen erhalten. Dieses sollte ihnen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Eine Zahl wurde im Initiativtext nicht genannt.
Die Initianten gaben aber bekannt, was sie für angemessen halten: 2500 CHF pro Monat für jeden Erwachsenen und 625 CHF für jedes Kind. Gemäss den Berechnungen des Bundes hätte das 208 Mrd CHF gekostet.
Finanzierung offen
Ein Teil davon hätte durch Umlagerungen aus dem heutigen Sozialsystem finanziert werden können, ein anderer durch Beiträge der Erwerbstätigen. Wer mehr als 2’500 CHF verdient, hätte unter dem Strich gleich viel erhalten wie heute. Wer heute eine Rente bezieht, hätte das Grundeinkommen und allenfalls zusätzliche Sozialleistungen erhalten.
So gerechnet wäre eine Finanzierungslücke von etwa 25 Mrd CHF geblieben. Die Initianten waren sich nicht ganz einig, woher die Einnahmen kommen sollten. Als Möglichkeit nannten sie die Einführung einer Steuer auf Geldtransaktionen und eine höhere Mehrwertsteuer.
Nur die Grünen dafür
In der Politik kam die Idee schlecht an. Von den grossen Parteien fassten nur die Grünen die Ja-Parole. Im Parlament machten sich zwar auch einzelne Sozialdemokraten für die Initiative stark. Die Arbeitnehmenden könnten weniger ausgebeutet werden, argumentierten sie.
Die Mehrheit der Linken befürchtete jedoch, ein Ja könnte am Ende zu einem Abbau des Sozialstaats führen: Das Überleben würde zwar mit dem Grundeinkommen gesichert, darüber hinaus gäbe es aber keine staatlichen Leistungen mehr. Die bürgerlichen Redner wiederum warnten vor dem Ende der Eigenverantwortung.
Diskussionen auch im Ausland
Unterstützung kam aus dem Ausland, unter anderem vom ehemaligen US-Arbeitsminister Robert Reich und dem ehemaligen griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis. Ohne Grundeinkommen werde es früher oder später nicht mehr gehen, sagte Reich. In den nächsten 25 Jahren werde etwa die Hälfte der gut bezahlten Stellen verschwinden. Varoufakis stellte fest, die Schweiz eigne sich ideal für Experimente mit dem Grundeinkommen, weil es ihr so gut gehe.
Die Idee eines staatlichen Grundeinkommens ist nicht neu. Schon in den 1970er Jahren gab es Experimente in Kanada und in den USA. Finnland will das Grundeinkommen ab nächstem Jahr testen, als erstes europäisches Land. Die Mitte-Rechts-Regierung möchte damit das komplexe Sozialsystem vereinfachen und letztlich Ausgaben sparen. In der Schweiz stehen Experimente nach dem Nein vom Sonntag vorerst wohl nicht mehr zur Diskussion. (awp/mc/upd/ps)