China will fünf bis sechs Millionen Jobs im Staatssektor abbauen
«Zombie-Firmen unters Messer»: Chinas Ministerpräsident Li Keqiang.
Peking – China steht vor den grössten Massenentlassungen seit fast zwei Jahrzehnten. Wegen der schwächelnden Konjunktur will die Regierung in der Industrie fünf bis sechs Millionen Arbeitsplätze streichen.
Diese fallen demnach in den nächsten zwei bis drei Jahren bei sogenannten Zombie-Firmen weg, die seit langem Verluste schreiben und oft über den Bedarf hinaus produzieren, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen zu Reuters. Erst kürzlich hatte der kommunistische Staat angekündigt, in der Kohle- und Stahlindustrie 1,8 Millionen Menschen zu feuern und damit 15 Prozent der Mitarbeiter.
Daten vom Dienstag zeigen, dass die Industrie derzeit so stark schrumpft wie seit November 2011 nicht mehr und auch die Dienstleister an Schwung verlieren.
Die Finanzmärkte rechnen daher mit zusätzlichen Konjunkturhilfen von Regierung und Notenbank. Die nach den USA zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt war 2015 so schwach gewachsen wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Zuletzt hatte es an den Börsen in China wiederholt Turbulenzen gegeben, vor allem aus Angst vor einer Konjunkturflaute.
Die geplanten Entlassungen stehen im Zusammenhang mit dem verschärften Vorgehen der Behörden gegen Überkapazitäten und Umweltverschmutzung, wie die beiden Insider sagten. Zwischen 1998 und 2003 hatte der Umbau von Staatsbetrieben zu 28 Millionen Entlassungen geführt, die die Zentralregierung mit zehn Milliarden Euro abfederte. Der Vize-Regierungschef Ma Kai wurde am Dienstag mit den Worten zitiert, China werde mit den neuen Entlassungen in der Industrie angemessen umgehen.
«Zombie-Firmen unters Messer»
Ministerpräsident Li Keqiang hat im Dezember betont, «Zombie-Firmen» würden bald «unters Messer kommen». Auf der Kippe stehen damit wohl Betriebe in Branchen, die übermässig produzieren und solche, die Standards für Energieverbrauch, Umweltschutz, Qualität und Sicherheit nicht einhalten.
Einen Zeitplan für den Abbau der 1,8 Millionen Jobs im Kohle- und Stahlsektor nannten die Behörden nicht. «Das wird eine sehr schwierige Aufgabe», sagte der zuständige Minister Yin Weimin lediglich.
Die Regierung will die Wirtschaft umbauen und modernisieren sowie die Abhängigkeit vom Export verringern. Dafür nimmt sie weniger Wachstum in Kauf. «Viele Branchen, die in der Vergangenheit gefördert wurden, stehen nun nicht mehr im strategischen Fokus des Staats», sagte Chefökonom Ludovic Subran vom Kreditversicherer Euler Hermes. «Die Regierung hat keine Angst mehr, diese pleitegehen zu lassen.»
China bemüht sich auch um die Einstufung als Marktwirtschaft durch die EU. Die Welthandelsorganisation (WTO) hatte bei der Aufnahme Chinas 2001 entschieden, dass die Preise dort nicht durch Angebot und Nachfrage, sondern staatliche Vorgaben bestimmt werden.
Einkaufsmanagerindex erneut rückläufig
Damit konnte die EU Strafzölle verhängen, um den heimischen Markt vor Billigimporten aus China abzuschirmen. Einige Fachleute gehen davon aus, dass China mit dem Abbau von Überkapazitäten der EU entgegenkommen und so eine Änderung des Antidumpingrechts herbeiführen will. Eine Studie von 30 europäischen Industrieverbänden kam jüngst zum Schluss, dass die EU bei einer faktischen Wirkungslosigkeit des geltenden Antidumpingrechtes den Verlust von 1,7 bis 3,5 Millionen Stellens in den nächsten drei bis fünf Jahre riskiere.
Chinas Industrie schwächelt seit Monaten. Der offizielle Einkaufsmanagerindex sank im Februar auf 49,0 Punkte nach 49,4 Zählern im Vormonat. Damit entfernt sich das Barometer immer weiter weg von der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Es war der siebte Rückgang in Folge.
Auch der private Caixin/Markit-Index fiel stärker als erwartet – und zwar um 0,4 auf 48,0 Punkte. Die Dienstleister legten weiter zu, verloren aber spürbar Schwung. Hier fiel das Barometer um 0,8 auf 52,7 Zähler, das ist das langsamste Tempo seit 2008, dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise. (awp/mc/ps)