Windkraft Onshore wichtigste erneuerbare Energiequelle in Europa

Windkraft Onshore wichtigste erneuerbare Energiequelle in Europa

Windkraftanlagen im Berner Jura (Foto: BKW)

Zürich – Der derzeit niedrige Ölpreis lässt die Rentabilität der erneuerbaren Energien im Vergleich zu den fossilen sinken. Damit gefährdet er die energie- und klimapolitischen Ziele der EU und der Schweiz, vor allem wenn aus dieser kurzfristigen Entwicklung falsche Schlüsse gezogen werden: Denn zum einen hat sich an der grundsätzlichen Knappheit der fossilen Energieträger nichts verändert und zum anderen sind die erneuerbaren Energien und hier besonders die Windkraft an Land (Windkraft Onshore) in Europa auf einem Erfolgskurs, der jetzt nicht unterbrochen werden darf. Dazu müssen Europa und die Schweiz vor allem in den Netzausbau investieren.

Aber auch auf Betreiberseite besteht Handlungsbedarf: Wie die Experten von Roland Berger in ihrer neuen Studie «Windkraft Onshore – Neue Spielregeln für einen reifen Markt» herausgefunden haben, könnten alleine die Windkraftbetreiber in Deutschland ihre Gewinne um mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr steigern. Unter anderem besteht bei den Betriebskosten ein durchschnittliches Einsparpotenzial von 45 Prozent. Dies käme auch Schweizer Energieerzeugern zugute, die hauptsächlich im Europäischen Ausland in die Windenergie investiert haben bzw. gerade investieren.

«Die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Windkraft haben sich in den vergangenen 20 Jahren weltweit verfünfzigfacht», sagt Oliver Grassmann, Energie-Experte von Roland Berger in Zürich. «Und speziell die Windstromerzeugung an Land ist mittlerweile in vielen europäischen Märkten wettbewerbsfähig geworden. Nicht so in der Schweiz: Es mangelt zwar nicht am Wind, aber attraktive Windstandorte liegen meist in Höhenlagen mit grossen Erschliessungskosten. Gleichzeitig sind die Hürden im Bewilligungsverfahren hoch und die Akzeptanz in der Bevölkerung gering. Die Schweiz ist heute als Standort für Windanlagen wenig attraktiv.»

Positive Entwicklung auf der Kostenseite
Grundsätzlich sind die Kosten zwischen 2010 und 2014 in Europa um ein Drittel gesunken, und Strom aus Windkraft Onshore an guten Standorten selbst ohne Förderung günstiger als Strom aus Kohle- oder Kernkraftwerken. «Diese positive Entwicklung kann und muss weitergehen. Gerade vor dem Hintergrund des derzeitigen Ölpreisverfalls müssen die Betreiber, aber auch die Politik jetzt handeln und für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen», fordert der Experte. Denn kurzfristig lässt der Ölpreisverfall zwar die Rentabilität der Erneuerbaren Energien im Vergleich zu fossilen Brennstoffen sinken und wirkt damit wie Wasser auf die Mühlen von Kritikern. Doch vorschnelle Reaktionen wären falsch, warnt Grassmann: «Trotz des derzeit billigen Öls hat sich an der grundsätzlichen Knappheit fossiler Energieträger nichts verändert. Energiepolitik muss langfristig gedacht werden. Der Barrel-Preis wird früher oder später wieder anziehen. Deshalb bleibt die Windkraft für eine zuverlässige und nachhaltige Stromversorgung unverzichtbar. Wir sollten auch in der Schweiz überlegen, inwieweit wir auf diese Technologie verzichten möchten».

Netzausbau als wichtige Voraussetzung
Die Roland Berger-Experten sehen daher einerseits Handlungsbedarf bei Politik und öffentlicher Hand. Vor allem die mangelnde Netzinfrastruktur in Europa gefährde nicht nur die ambitionierten Klimaziele der EU, sondern mittelfristig auch die Versorgungssicherheit in der Schweiz. «Klimaschutz und Energiesicherheit sind zwei Seiten derselben Medaille», sagt Grassmann. «Um beide zu garantieren, sollten die europäischen Länder und die Schweiz verstärkt in ihre Netzinfrastruktur investieren. Denn nur so kommt eine wichtige Energiequelle wie die Windparks an Land auch über die Grenzen hinweg richtig zur Geltung.»

Aktuelle Investitionspläne in Europa
Dass Windkraft Onshore eine immer wichtigere Rolle spielen wird, belegen die aktuellen Investitionspläne: Bis 2030 werden voraussichtlich 13 Prozent des Stroms in Europa durch Onshore Windparks erzeugt; 2012 waren es noch 6 Prozent. In Deutschland dürfte sich die Stromerzeugung aus Wind bis 2030 ebenfalls verdoppeln. Allerdings gibt es bereits im aktuellen Stromnetz im Europäischen Ausland gravierende Engpässe. Dabei werden neue Übertragungskapazitäten gerade bei der Windkraft dringend benötigt, um Flauten und Erzeugungsspitzen abzufangen. «Allein Grossbritannien müsste seine Übertragungskapazität bis 2030 fast verdreifachen und die iberische Halbinsel sogar verzehnfachen», erläutert Grassmann. «EU-weit werden mittelfristig Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Euro benötigt. Auch die Schweiz wird ihr Transportnetz zügig erweitern müssen.»

Die Zukunft: intelligente Netze
Ausserdem sollten die Schweiz und die EU verstärkt in intelligente Netze investieren. Denn diese ermöglichen durch den Datenaustausch zwischen Erzeugern und Verbrauchern eine bessere Stromeffizienz. Vor allem China und die USA investieren in diesen Bereich zwei bis dreimal so viel wie die EU, und für die Forschung zu «Smart-Grids» gibt alleine Südkorea mit 600 Millionen Euro pro Jahr mehr Geld aus als die gesamte EU (400 Mio. EUR). «Wir werden in der Schweiz intelligente Netze brauchen, um die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien effektiv nutzen zu können, ohne die Kostenbasis für unsere Industrie weiter zu verschlechtern», warnt Grassmann. «Die Schweiz und Europa sollten daher schnell handeln, denn die Wende in der Energieerzeugung ist bereits in vollem Gange.»

Windparks können effizienter wirtschaften
Aber auch die Betreiber von Onshore-Windparks sind zum Handeln aufgefordert. Hier sind auch zahlreiche Schweizer Energieversorger im Europäischen Ausland investiert. Denn in Zeiten sinkender Förderungen müssen Windparks effizienter werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und das Verbesserungspotenzial ist gross: Alleine die 477 Onshore-Windparks in Deutschland könnten ihre Gewinne um mehr als 300 Millionen Euro steigern. Vor allem bei den Betriebskosten könnten Onshore Windparkbetreiber im Schnitt 45 Prozent sparen, berechnen die Roland Berger-Experten. Dabei geht es hauptsächlich um sechs wichtige Kostenhebel, an denen die Betreiber ansetzen sollten: an erster Stelle die Wartungskosten als grösster Einzelposten der Betriebskosten, aber auch die Kosten für Grundstückspacht, Reparaturen, Versicherungen, Projektmanagement und Kapital können erheblich gesenkt werden.

«Unsere Studie zeigt insgesamt einen erfreulichen Trend zur Professionalisierung der Branche», sagt Roland Berger-Experte Oliver Grassmann. «Dadurch wird die Windenergie noch wettbewerbsfähiger und kann ihre Rolle als unverzichtbarer Bestandteil der Europäischen Energieversorgung weiter ausbauen.» (Roland Berger/mc/pg)

Roland Berger12

Schreibe einen Kommentar