«Brexit»-Debatte: Gipfel-Spagat zwischen Kompromiss und EU-Rechten

«Brexit»-Debatte: Gipfel-Spagat zwischen Kompromiss und EU-Rechten

Grossbritanniens Premierminister David Cameron. (Crown copyright)

Brüssel – Die EU-Länder wollen sich bis Mitte Februar mit dem britischen Premier David Cameron über seine umstrittenen Forderungen zur Reform der Union einigen. Zugleich setzten Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Spitzenpolitiker beim EU-Gipfel in Brüssel eine klare Grenze: «Grundpfeiler» wie Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Nicht-Diskriminierung stehen nicht zur Debatte. Die EU-Partner lassen sich auf die Verhandlungen mit Cameron ein, um einen EU-Austritt Grossbritanniens zu verhindern. Der Premier will seine Landsleute bis Ende 2017 über den Verbleib in der Union abstimmen lassen.

Besonders umstritten ist Camerons Vorhaben, dass zugewanderte EU-Bürger vier Jahre in Grossbritannien gearbeitet haben müssen, um bestimmte Sozialleistungen zu bekommen. Unter anderem osteuropäische Länder, aus denen viele Bürger in Grossbritannien arbeiten, betrachten das als eine Diskriminierung.

Chefs zuversichtlich
Trotz der tiefen Differenzen zeigten sich die Chefs nach den Gipfel-Beratungen in der Nacht zum Freitag zuversichtlich. «Ich bin viel optimistischer als vor unserem Treffen», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Der Pole zeigte sich aber unnachgiebig bei der Nicht-Diskriminierung: «Wir sind absolut überzeugt, dass wir hart bleiben müssen, wenn es darum geht, rote Linien und fundamentale Werte zu verteidigen.» Er sei jedoch sicher, dass auch Cameron niemanden diskriminieren wolle.

Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnen Einschränkungen bei der Freizügigkeit innerhalb der EU grundsätzlich ab. «Wir können nicht hinnehmen, dass unsere Bevölkerung diskriminiert wird», sagte auch die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite in Brüssel.

Vier schwierige Fragen
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte zugleich vor dem Eindruck, es gebe drei einfache Probleme und nur ein schwieriges. «Es gibt vier schwierige Fragen.» Weitere Forderungen Camerons betreffen Bürokratieabbau, das Verhältnis zu Euro-Staaten und die Sicherung der Souveränität seines Landes.

Cameron gab sich zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden wird. «Es wird viel harte Arbeit brauchen, aber ich habe heute Nacht viel guten Willen gespürt», sagte er. «Es gibt einen Weg zu einer Einigung im Februar. Das Referendum könnte dem Vernehmen nach Mitte 2016 kommen.

Merkel zeigte sich kompromissbereit: «Bei gutem Willen kann man auch hier Wege finden, die den verschiedenen Anliegen gerecht werden.» Eine möglicherweise notwendige Änderung der europäischen Verträge schloss sie nicht aus, mahnte aber ein vorsichtiges Handeln an. Der französische Präsident François Hollande lehnte Vertragsänderungen dagegen ab. Diese müssten in einem aufwendigen Verfahren von allen 28 Ländern gebilligt werden.

Europa der zwei Geschwindigkeiten
Hollande plädierte für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. «Was ich vorschlage, ist, dass eine Reihe von Staaten, die heute die Europäische Union darstellen (…), die Möglichkeit haben können, voranzuschreiten.» Es könne ein Basiseuropa geben, aber auch eines, das weiter gehe. Nicht möglich sei hingegen, eine «Union à la carte», in der sich jeder nur diejenigen Regeln aussuche, die ihm passten.

Als Beispiel für Staaten, die in der Zusammenarbeit weiter gehen könnten, nannte Hollande die Euro-Länder. Der Franzose machte klar, dass er weiter dafür plädiere, die Eurozone mit einem eigenen Haushalt und einem Unterhaus im Europaparlament auszustatten. (awp/mc/upd/ps)

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