Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Wenn es um Geld geht
Von Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen (Foto: Raiffeisen)
Wenn es um Geld geht, speziell um Löhne, spitzt jeder die Ohren. Es ist immer wieder interessant, wie die Reaktionen ausfallen, wenn Statistiken zu Löhnen und Gehältern publiziert werden. Die entsprechenden Kommentare und Wertungen sind meist demagogische Evergreens. Immerhin beurteilten letzte Woche sowohl Vertreter von Arbeitgebern als auch solche der Arbeitnehmer einige Grössen positiv, namentlich den Lohnanstieg um 1.2% zwischen den Jahren 2012 und 2014 und dass die Unterschiede zwischen Hoch- und Niedriglöhnen etwas abgenommen haben.
Hochlohnland Schweiz
Häufig wird die Schweiz ja als Hochpreisinsel bezeichnet. Das mag zutreffen, allerdings nur in der absoluten Betrachtung. Fokussiert man die stattlichen Löhne, die hierzulande bezahlt werden, wäre die Bezeichnung Hochlohninsel einiges korrekter. Denn selbst nach Berücksichtigung der hohen Preise in unserem Land, verfügen die Konsumenten hierzulande über mehr Kaufkraft als in den meisten OECD-Ländern. Mithalten können da lediglich Luxemburg und die USA, bei allerdings viel grösserem Lohngefälle. Der Medianlohn in der Schweiz betrug im Jahre 2014 6‘189 Franken. Auf das Jahr hochgerechnet sind dies 74‘268 Franken. Der Median besagt: 50% der Vollzeitstelleninhaber verdienten mehr, 50% weniger als 74’268 Franken im Jahr. Die 10% der am wenigsten verdienenden Lohnempfänger brachten es auf 4’178 Franken im Monat, die 10% der am meisten verdienenden auf 10’935 Franken im Monat. Das sind natürlich Durchschnittswerte, die wenig darüber aussagen, wie es jedem Einzelnen geht. In der statistisch reichen Schweiz sind trotzdem viele Haushalte auf sogenannte Transfereinkommen angewiesen. Das sind Renten, Sozialleistungen oder monetäre Zuweisungen von anderen Haus-halten wie z.B. Alimente.
Augenscheinlich ist ferner das Gefälle zwischen Ausländern und Schweizern im mittleren bis oberen Kader. 11’217 Franken monatlich verdienten Personen ausländischer Herkunft, Schweizer hingegen «nur» 9’732. Ausländer mit Ausweis B, also einer Mehrjahresbewilligung, erzielten einen Monatslohn von 12’760 Franken, solche mit Ausweis L, d.h. ein Jahr Arbeitsbewilligung mit Option auf Verlängerung 10’810 Franken und auch Grenzgänger verdienten mit 10’293 Franken monatlich mehr als Schweizer in vergleichbarer Position. Und noch immer zahlen die Banken die höchsten Löhne, aber nur unwesentlich mehr als die Pharmaindustrie. Übersetzt heisst dies: Finanzdienstleister und die Pharmaindustrie beschäftigen überdurchschnittlich viel ausländische Arbeitskräfte. Genauso wie übrigens die persönlichen Dienstleister (Coiffeur, Reinigung etc. ) und das Gastgewerbe, dort aber exakt aus dem anderen Grund. In nicht Kaderpositionen sind schweizerische Arbeitnehmer teurer als ausländische. Doch damit genug mit dem aktuellsten verfügbaren Stand, viel interessanter ist die Dynamik.
Spitze gebrochen
Ab 2008 hat sich der Abstand zwischen dem oberen und unteren Ende der Lohnpyramide verkleinert, weil seitdem die obersten 10% der Lohnpyramide «nur» 3,6% Nominallohnsteigerungen erzielten, die untersten 10% dagegen ein Plus von 9,1% und die Mittelklasse 6,8%. Das ist zweifelsfrei darauf zurückzuführen, dass die Finanzbranche und alle ihr zudienenden Unternehmen seit der Finanzkrise kleinere Brötchen backen mussten. Die harte Rezession 2009 im Verbund mit der Frankenaufwertung danach setzten aber auch Gastgewerbe und Industrie hart zu. Was dort aber offensichtlich weniger Lohndruck ausgelöst hat als in den hochbezahlten Branchen. Das Lohngefälle ist seitdem messbar geringer geworden, gesunken vom Faktor 2.8 auf 2.6. Gemeint ist damit, wievielmal mehr Lohn die 10% Topverdiener im Vergleich zu den 10% am tiefsten bezahlten beziehen. Daraus kann man schliessen, dass vor allem die Finanzdienstleister auf die Lohnbremse treten mussten und tendenziell Branchen, die höheren Löhne entrichten, was sich sogar in einem Rückgang der absoluten Topmanagersaläre manifestierte.
Auch die Bedeutung der Boni hat deutlich abgenommen. Damit lässt sich wohl ein guter Teil des «bescheidenen» Lohnzuwachses der Topverdiener erklären. Der Schub am unteren Ende der Lohnskalen dürfte vor allem auf die Diskussionen um Mindestlöhne oder Tarifbindungen zurückzuführen sein und darauf, dass der Anteil Tieflohnstellen deutlich rückläufig war. Es zeigt sich, dass Diskussionen à la Minderinitiative in der Schweiz mehr fruchten als Gesetze. Die Spitze der Lohnpyramide bröckelt jedenfalls. Und übrigens: die Frauen holen am meisten auf – trotz Gesetz. (Raiffeisen/mc/ps)