Ökonomen sehen durch EZB-Massnahmen weniger Druck auf die SNB

Ökonomen sehen durch EZB-Massnahmen weniger Druck auf die SNB
SNB-Direktionspräsident Thomas Jordan. (Foto: SNB/P. von Ah)

SNB-Direktionspräsident Thomas Jordan. (Foto: SNB/P. von Ah)

Bern – EZB-Präsident Mario Draghi hat am Donnerstag die Geldschleusen für den Euroraum weiter geöffnet mit einer Verlängerung des Anleihen-Kaufprogramms und einer Verschärfung der Negativzinsen auf Bankeinlagen. Daraufhin hat sich der Euro gegenüber dem Franken von 1,08 vor der Ankündigung auf über 1,09 CHF aufgewertet.

Die Aufwärtsbewegung des Euros hin zum Franken spiegelt die Erwartungshaltung des Marktes, so der Tenor der Ökonomen von UBS, CS und ZKB. Die Märkte hätten die angekündigten Massnahmen der EZB längst antizipiert, heisst es übereinstimmend. Alles in allem sei die EZB gar unter den Erwartungen geblieben. ZKB-Chefökonom Anastassios Frangulidis etwa sagt gegenüber der Nachrichtenagentur sda, es sei nicht nur die Ausweitung des Anleihenkauf-Programms auf März 2017 erwartet worden, sondern auch, dass das Programm auf 70 bis 75 Mrd. Euro pro Monat aufgestockt werde. Die EZB belässt es bei den bisherigen 60 Mrd. Euro pro Monat.

Weniger Druck auf die SNB
Einig ist man sich bei UBS, CS und der Zürcher Kantonalbank (ZKB) auch darin, dass die Ankündigungen der EZB vom Donnerstag den Druck auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) verringerten. Denn diese versucht der Wirtschaft unter die Arme zu greifen und trotz der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im vergangenen Januar eine allzu starke Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern.

Weitere Interventionen der SNB an den Devisenmärkten
Dies tut die SNB derzeit mittels Interventionen am Devisenmarkt und einem Negativzins auf den Bankeinlagen bei der SNB. Laut dem UBS-Ökonom Dominik Studer reicht dies vorderhand auch aus. «In den letzten Wochen und Monaten musste die SNB nur wenig intervenieren, um den Kurs zu halten», sagt er. Das zeige, dass es sich beim aktuellen Kurs um einen Marktkurs handle. Er geht davon aus, dass die SNB auch weiterhin mit Interventionen am Devisenmarkt versuchen werde, den Kurs zwischen 1.07 und 1.10 Franken zu halten und bezeichnet diesen Bereich als «Komfortzone» der SNB. Laut Studer reicht dies vorderhand auch aus.

Auch Frangulidis von der ZKB erwartet, dass Deviseninterventionen der SNB aufgrund der kleineren Zinsdifferenzen zum Euroraum ausreichten, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt etwas Aufwertungsdruck auf den Franken käme. Die CS erwartet ebenfalls, dass die SNB an den Devisenmärkten intervenieren wird, wie sie es bereits seit dem zweiten Quartal 2015 tut.

Doch die CS geht darüber hinaus davon aus, dass die SNB an ihrem regulären Quartalstreffen vom 10. Dezember beschliessen wird, ihre Zinsen auf Einlagen weiter zu senken von derzeit minus 0,75 Prozent auf minus 1,00 Prozent.

Im Unterschied dazu hält Studer von der UBS eine solche Massnahme im Hinblick auf die negativen Folgen für Pensionskassen und die restliche Finanzbranche für «nicht unproblematisch» und geht deshalb davon aus, das die SNB die Strafzinsen auf Bankeinlagen nur verschärfen wird, wenn ihre Interventionen am Devisenmarkt nicht die nötigen Erfolge zeitigen sollten.

Kritik an der EZB in Deutschland
Ökonomen in Deutschland hingegen sehen die Massnahmen, die der EZB-Präsident am Donnerstag ankündigte mehrheitlich kritisch. So sagt die Wirtschaftweise Isabel Schnabel: «Ich halte die weitere Lockerung der Geldpolitik für falsch.» Durch die langfristige Festlegung Draghis auf eine lockere Geldpolitik werde ein Ausstieg immer schwieriger. Darüber hinaus könnte sich die Senkung des Einlagenzinses als kontraproduktiv erweisen, wenn die Banken in Reaktion auf weiter fallende Erträge die Kreditzinsen erhöhten, statt sie zu senken. «Hinweise auf ein solches Verhalten lassen sich in der Schweiz im Bereich der Immobilienkredite finden», so Schnabel.

In die gleiche Richtung argumentiert Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank. Ein noch negativerer Einlagenzins könne kontraproduktiv sein für die Realwirtschaft. Das zeigten die Beispiele Dänemark und Schweiz. «Dort wurden die Kosten des Strafzinses nicht an die Konteninhaber weitergereicht. Stattdessen wurden die Kreditzinsen für Unternehmen und Häuslebauer erhöht», sagt Krämer. (awp/mc/pg)

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