Universität Zürich: Grippemittel helfen gegen Kolibakterien
Zürich – Gerät der Bakterienhaushalt im Darm aus dem Gleichgewicht, kann es zu Krankheiten kommen. Physiologen der Universität Zürich zeigen auf, wie ein spezifisches Kohlehydrat der Darmschleimhaut gewisse Kolibakterien stark vermehrt und damit Entzündungen verursacht. Diese könnten mit Grippemitteln behandelt werden, was neue therapeutische Möglichkeiten eröffnet.
Trillionen von Bakterien besiedeln den menschlichen Darm – sie kommen somit häufiger vor als sämtliche Zellen in unserem Körper. Die Zusammensetzung dieser Bakterienpopulation ist sehr variabel und durch unsere Ernährung beeinflusst. Krankheiten, aber auch Antibiotika-Behandlungen, können zu signifikanten Verschiebungen innerhalb dieses Gleichgewichts führen. Kritische Situationen treten etwa dann auf, wenn sich ganze Bakteriengruppen plötzlich stark vermehren. Sie beschädigen das Darmgewebe und führen zu Entzündungen. Wie solche Umverteilungen ausgelöst werden, war bis anhin noch weitgehend unbekannt. Jetzt haben Physiologen der Universität Zürich entdeckt, warum sich das Darmbakterium Escherichia coli stark vermehrt und entzündungsfördernd wirkt.
Ein Kohlenhydrat führt zur Vermehrung von Escherichia coli
Im Normalzustand sind Escherichia coli harmlos und machen nur rund 0,1 Prozent der Darmflora aus. Wenn sie jedoch in grossen Mengen vorkommen, können sie Durchfall oder eine schwere Darmentzündung auslösen. Die Zürcher Studie zeigt, dass eine Überproduktion von Escherichia coli auf die Verfügbarkeit des Kohlenhydrats Sialinsäure zurückzuführen ist. Diese kommt in grossen Mengen in den Proteinen der Darmschleimhaut vor. Damit die Bakterien die Sialinsäure überhaupt verwerten können, sind sie auf die Mithilfe des Enzyms Sialidase angewiesen, das von anderen Darmbakterien freigesetzt wird. «Bemerkenswert ist, dass Escherichia coli selber keine solche Enzyme produziert», erklärt Thierry Hennet, Professor am Physiologischen Institut der Universität Zürich.
Hennet und seinen Kollegen ist es gelungen, die komplexe Ereigniskette einer schweren, durch Escherichia coli ausgelösten Entzündung nachzuweisen: Eine Verletzung der Darmschleimhaut führt zuerst zur starken Vermehrung eines nicht krankheitserregenden Bakteriums, das Sialidase abgibt. Diese verstärkte Enzymproduktion setzt Sialinsäure frei, die eine Überproduktion von Escherichia coli fördert und damit zu einer Darmentzündung führen kann.
Sialidase-Hemmer wirken gegen Darmentzündungen
Die Forscher fanden zudem heraus, dass durch die Einnahme eines Sialidase-Hemmers die übermässige Bildung vom Escherichia coli verhindert und somit die Krankheitssymptome gelindert werden konnten. Interessanterweise wurden solche Sialidase-Hemmer bereits gegen das Influenzavirus entwickelt entwickelt. «Derivate von bekannten Grippe-Wirkstoffen wie zum Beispiel Tamiflu und Relenza könnten somit ebenfalls bei entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt werden. Dies eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten», sagt Thierry Hennet. (Universität Zürich/mc/pg)