Ökonomen bleiben nach Einigung im Griechenland-Streit skeptisch
Frankfurt – Volkswirte haben am Montag zurückhaltend auf die Einigung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone im Schuldenstreit mit Griechenland reagiert. Immerhin sei die Wahrscheinlichkeit eines Ausscheidens Griechenlands aus dem gemeinsamen Währungsraum («Grexit») etwas gesunken, kommentierte Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank die Grundsatzeinigung. «Aus unserer Sicht liegt die Wahrscheinlichkeit nun wieder bei unter 50 Prozent.»
Risiken sieht Kater vor allem beim griechische Parlament, das die Ergebnisse der 17-stündigen Marathonsitzung der Regierungschefs bis Mittwoch billigen muss. Ausserdem zeichne sich ab, dass die Regierung von Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras über die Vereinbarung stürzen könnte.
Auch die Commerzbank sieht die weitere Entwicklung der Eurozone nach dem Gipfel kritisch. In hochverschuldeten Ländern des Währungsraums liessen sich Reformen nicht in der Breite durchsetzen, fasste Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Verhandlungen zusammen. Besonders kritisch bewertet er die mangelnde Reformbereitschaft des Euro-Schwergewichts Italien.
Die EZB wird’s auch weiterhin richten (müssen)
Ohne die notwendige Reformbereitschaft wird nach Einschätzung Krämers vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) immer wieder in die Bresche springen müssen. Dabei werde die Notenbank künftig weiter versuchen, wirtschaftliche Probleme mit Hilfe einer lockeren Geldpolitik zu kaschieren. «Das Gipfel-Wochenende lehrt, dass die EZB wegen des Fehlens eines Reformkonsenses unter den Staats- und Regierungschefs als Ausputzer eingespannt bleibt», so Krämer. Anleger müssen sich daher darauf einstellen, dass die Geldpolitik der EZB noch lange extrem locker bleiben wird.
Experte Christian Lips von der NordLB sagte, zwar sei im Grundsatz eine Einigung auf neue Finanzhilfen erzielt worden. Seiner Einschätzung nach sei aber «viel Porzellan zerschlagen» worden. «Bei den Verhandlungen drohte zwischendurch eine Spaltung zwischen Befürwortern und Gegnern», so Lips. Wären die Gespräche gescheitert, hätte dies unabsehbare Folgen für die europäische Politik gehabt.
Grundvertrauen in die Währungsunion
Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank aus Liechtenstein sagte, immerhin habe das konsequente Auftreten der EZB in der Schuldenkrise die Stabilität der gemeinsamen Währung an den Finanzmärkten gewährleistet. Trotz der Querelen im Schuldenstreit habe sich der Euro «äusserst robust» gezeigt. Daraus sei zu schliessen, dass es an den Finanzmärkten «ein Grundvertrauen» in die Währungsunion gebe, sagte Gitzel.
An den Devisenmärkten sei aber auch die unnachgiebige Haltung der Geberländer positiv bewertet worden, so Gitzel. Ausserdem gebe es die Hoffnung, dass die nervenaufreibenden Verhandlungen die Staaten der Währungsunion enger zueinander rücken lassen werde. «Zum zweiten Griechenland möchte wohl kein Mitgliedsland werden», sagte Gitzel. (awp/mc/ps)