Energiesteuer: Kommentatoren sehen Kollateralschaden für Energiewende

Energiesteuer: Kommentatoren sehen Kollateralschaden für Energiewende

Bern – Die Grünliberalen müssen sich nach dem Nein zur Energiesteuer-Initiative von einigen Zeitungskommentatoren den Vorwurf gefallen lassen, mit dem Anliegen Wahlkampf betrieben zu haben. Schlimmer als für die Partei wird das Verdikt indes für die grüne Politik gewertet.

«Neue Zürcher Zeitung»:
«Das Volk, das nun zum ersten Mal nach dem Fukushima-Unglück energiepolitisch Stellung beziehen konnte, hat auch Nein zu einem radikalen energetischen und wirtschaftlichen Umbau gesagt. (…) Doch das sture Festhalten an der eigenen, vorschnell konstruierten Initiative deutet darauf hin, dass die erfolgsverwöhnte Kleinpartei noch nicht für eine tragende politische Rolle gerüstet ist.»

«Der Bund»/»Tages-Anzeiger»:
«Zu schwer wogen die Mängel des Vorschlags, zu unberechenbar erschien vielen Stimmbürgern das Unterfangen, die Mehrwertsteuer zu streichen und damit die wichtigste Einnahmequelle des Bundes trockenzulegen. (…) Doch nicht nur für die GLP ist der heutige Tag ein herber Rückschlag. Auch den Promotoren der Energiewende muss das deutliche Verdikt zu denken geben. Denn für die Wende braucht es höhere Energiepreise.»

«Berner Zeitung»/»Der Landbote»:
«Natürlich wünscht sich keine Partei, ausgerechnet im Wahljahr als grosse Verliererin dazustehen. (…) Doch es wäre zu kurz gedacht, das als schlechtes Omen für die Wahlen zu deuten. Die GLP ist eine Kleinpartei, die nicht in allen Kantonen stark verankert ist. (…) Gravierend sind die Folgen aber für die grüne Politik. Denn die Abstimmungsvorlage, die bestenfalls der Parteiprofilierung nützt, infiziert nun grüne Projekte mit politisch deutlich bessern Chancen. Deshalb frohlocken die bürgerlichen Gegner einer Energiewende und des Atomausstiegs.»

«Neue Luzerner Zeitung»/»St. Galler Tagblatt»:
«Die Grünliberalen sind abgestürzt mit dem grössten Projekt ihrer jungen Parteigeschichte. (…) Als die GLP ihre Volksinitiative 2012 einreichte, tat sie das pünktlich zu ihrem fünften Geburtstag, und natürlich war das kein Zufall. (…) Was bleibt nun von diesem historischen Tag? Die Grünliberalen stehen vor einem schwierigen Wahljahr, so viel steht fest. Die Partei muss ihre zwei Ständeratssitze in Zürich und in Uri verteidigen. Was die künftige Energiepolitik betrifft, sollte das Ergebnis nicht überbewertet werden. Das war vor allem ein Nein zu einem Anliegen, das ganz offensichtlich falsch konstruiert war. Und keines zur Idee, die Energiewende mit einer Lenkungsabgabe voranzutreiben.»

Familienpolitik: Für die Kommentatoren war die CVP-Initiative die falsche Lösung
Ungenügend, zu teuer, nutzlos, ein Wahlkampf-Vehikel: Mit diesen Attributen versehen die Kommentatoren in den Schweizer Medien am Montag die CVP-Familieninitiative – und erklären damit gleichzeitig deren Niederlage an der Urne.

«Tages-Anzeiger»/»Der Bund»:
«Die Steuerbefreiung der Ausbildungszulagen wäre einem pauschalen Steuerabzug für alle Eltern gleichgekommen. Die überwiegende Mehrheit sah aber erstens nicht ein, warum Einkommensmillionäre und der obere Mittelstand stärker profitieren sollten als Familien, die eine Steuerentlastung wirklich nötig hätten. (…) Doch die CVP muss zur Kenntnis nehmen, dass Familienförderung allein noch kein mehrheitsfähiges Programm ist. Zudem sind Initiativen für die Mitteparteien kein taugliches Instrument für den Wahlkampf.»

«Neue Zürcher Zeitung»:
«Dass sich ausgerechnet die eigenen Finanzdirektoren, prominent angeführt vom Zuger CVP-Finanzdirektor Peter Hegglin, während des Abstimmungskampfs auf die Seite der Gegner schlugen, war wohl mit ausschlaggebend für die direktdemokratische Pleite. (…) Letztlich hat der Abstimmungskampf aber auch gezeigt, dass Familien sich andere Lösungen von der Politik wünschen als blosse finanzielle Erleichterungen mit der Giesskanne. Die selbsternannte ‹Partei der Familie› hat es mit dieser Initiative auf jeden Fall verpasst, wirkliche Bedürfnisse moderner Familien zu erfüllen. Wirklich Bilanz ziehen kann die Partei sowieso erst nach den Wahlen im Oktober.»

«Berner Zeitung»/»Der Landbote»:
«Die Initiative war denn auch völlig offensichtlich als PR-Vehikel für den Wahlkampf konzipiert. Die CVP unterliess es tunlichst, irgendwelche Konflikte zwischen verschiedenen Familienformen und dergleichen zu provozieren. Stattdessen konstruierte sie ihre Initiative so, dass man kaum Nein sagen konnte. Als perfekte Giesskanne hätte sie praktisch alle Familien entlastet. (…) Ideen, wie der Staat helfen könnte, gibt es viele. Teuer sind sie alle. Umso mehr ist anzunehmen, dass höchstens gezielte Entlastungen eine Chance haben. Die Giesskanne hilft nicht weiter.»

Watson.ch:
«Viel belastender als die Steuerrechnung sind monatlich, wöchentlich oder täglich wiederkehrende und stetig steigende Kosten wie Krankenkassenprämien (auch mit Verbilligungen) oder steigende Mieten. (…) Dort einen Versuch zu unternehmen, die finanzielle Belastung der Familien zu senken, fände allenfalls mehr Anklang. Steuersenkungen aber taugen bei der Zielgruppe der Familien nicht als als populistisches Mittel, um Stimmen zu fangen oder sich als familienfreundliche Partei zu positionieren.»

«Basler Zeitung»:
«Die CVP hat nicht mit dem Meinungsumschwung der SP gerechnet und sie war vor allem nicht auf die Kampagne der Gegner vorbereitet, die mit Kürzungen bei staatlichen Leistungen drohten, die für viele schmerzhaft gewesen wäre. Das hat auch damit zu tun, dass es der CVP an finanzpolitischer Glaubwürdigkeit fehlt. (…) Die SP hat die CVP gestern mit einem Strauss von Ideen heftig umgarnt. Angesichts ihres Bekenntnisses zum Mittelstand könnte das für die CVP aber in einer tödlichen Umarmung enden.»

«Nordwestschweiz»/»Südostschweiz»:
«Am Inhalt an sich hätte es kaum etwas zu deuteln gegeben: Die Volksinitiative für steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen verfolgte ein gerechtfertigtes Ansinnen. (…) Doch so ehrbar sich die beiden Initiativen präsentiert haben: Die Motive dahinter waren es weniger. (…) So sind denn aus den Wahlkampfmaskottchen von vor vier Jahren zwei Wiedergänger geworden, die sich an ihren undankbaren Urhebern gestern Sonntag grausam gerächt haben: mit einer peinlichen Abstimmungsniederlage ausgerechnet im Wahljahr 2015. Zweifelsohne wird dieser Nackenschlag noch bei der Neubestellung des Parlaments am 18. Oktober ein Echo finden.»

«Blick»:
«Seit Jahren schielt die Mitte neidisch nach rechts. Mit ihren Kampagnen findet die SVP Mehrheiten im Volk und kann ihre Themen weiter beackern. (…) Das möchten alle anderen auch, aber sie könnens nicht wirklich. (…) Werden Volksbegehren nur noch als Wahlkampf-Vehikel wahrgenommen, nerven sich inzwischen viele Wähler – zu Recht. Hoffen wir also, dass das Signal angekommen ist.»

«St. Galler Tagblatt»:
«Die Niederlage ist verdient. Sie gilt einer Initiative, die neben dem Sympathiewert der Idee, Kinder- und Ausbildungszulagen von der Steuer zu befreien, eben auch eklatante Konstruktionsfehler hatte. (…) Zwar hätte die Initiative eine – willkommene – Entlastung des Mittelstands bewirkt. Aber zu dem Preis, dass via Giesskanne auch Grossverdiener profitierten, die es nun wirklich nicht nötig haben. (…) Zweitens kann man den Stimmbürgern kein X für ein U vormachen. Sie sind clever genug zu wissen, dass, wo umverteilt wird, nachher irgendwo Geld fehlt.»

«Tageswoche»:
«Ebenso wenig konnte die Familien-Initiative der CVP mit gescheiten Inhalten punkten. Sie sollte Familienzulagen von der Steuer befreien. Warum nicht, kann man sich fragen? Die Antwort ist einfach: Weil es nichts bringt. (…) eine Mehrheit hätte die Steuergeschenke für eine Minderheit bezahlt. Die CVP versprach sich von der Initiative den Mittelstand zu erreichen. Nur: Den Mittelstand, den die CVP vor Augen hat, den gibt es so nicht mehr. Einen Franken sparen, dafür einen Franken an anderer Stelle ausgeben? Das klingt wenig überzeugend.»

«Neue Luzerner Zeitung»:
«Doch der falsche Zeitpunkt allein erklärt noch nicht die schallende Ohrfeige, welche das Stimmvolk der CVP am Wochenende verpasst hat. Dass die selbst ernannte Familienpartei, die zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Volksinitiative vor das Schweizer Volk brachte, in ihrem Kernthema nicht einmal einen Achtungserfolg erzielen konnte, liegt auch an der Vorlage selbst. Nicht, dass die Familien keine Erleichterung nötig hätten. (…) Die CVP-Initiative nahm beim Erreichen dieser Ziele zu viele Streuverluste in Kauf. Die Linken monierten, dass reiche Familien übermässig viel profitiert hätten. (…) Und die Wirtschaft vor einer höheren Steuerbelastung, welche am Ende den Mittelstand treffen werde.»

«Le Temps»:
«Die wichtigste Lektion des Abstimmungssonntags ist nicht, dass das Volk gegen die steuerliche Entlastung der Familienzulagen ist. (…) Es ist vielmehr eine Warnung der Wählerschaft an die Adresse jener, die Volksinitiativen lancieren. (…) Die Mitteparteien haben auf ihre Weise ein Marketing-Element geschaffen. (…) Doch das gewählte Thema wird von den Wählern nicht unbedingt als prioritär wahrgenommen, wie sie am Wahltag zum Ausdruck brachten. (…) Die Verbesserung der Familienpolitik wird den Fehlschlag der CVP-Initiative zweifellos überstehen.»

«24 Heures»:
«Als zu wahltaktisch aufgenommen und zu stark auf die hohen Einkommen abzielend, hat die CVP-Initiative an den Urnen gefloppt. Der Wähler sagt zwar nicht immer Nein zu Steuerreduktionen. (…) Doch die Mittelklasse, insbesondere die als obere Mittelklasse bezeichnete, kann gerne weiterhin die Milchkuh des Schweizer Systems sein.»

«Le Matin»:
«Die Zunahme an Initiativen führt zu einer Form des Überdrusses. (…) Doch dass selbst Minderheitsanliegen an die Urnen kommen, ist ein Glaubwürdigkeitsbeweis für unser politisches System.» (awp/mc/ps)

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