Finanzplatz London feiert juristischen Sieg gegen Eurozone
Luxemburg – Grossbritannien feiert im Kampf um die Bedeutung des Finanzplatzes London einen seltenen Erfolg gegen die Eurozone. Der EU-Gerichtshof in Luxemburg erklärte am Mittwoch eine Vorgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) für nichtig, wonach die Abwicklung von grossen Wertpapier-Geschäften in Euro auch im Euroraum stattfinden muss. Eine solche Verordnung übersteige die Befugnisse der Notenbank, urteilten die Richter. Damit dürfen Clearing-Häuser, die Finanztransaktionen zwischen Käufern und Verkäufern abwickeln, weiterhin von ihrem Sitz in London aus Euro-Geschäfte machen.
Die britische Hauptstadt ist das weltweite Zentrum für Clearing-Häuser, die als sogenannte zentrale Gegenparteien das Risiko von Finanzgeschäften in Billionenhöhe managen. Grosse Häuser sind etwas die Tochter der Londoner Börse LCH.Clearnet sowie ICE Clear Europe. Auch die Deutsche Börse ist mit ihrer in Luxemburg ansässigen Clearstreamsparte ein wichtiger Akteur. Hätte das EU-Gericht die EZB-Vorgabe bestätigt, wollten viele Clearing-Häuser ihre Euro-Geschäfte nach Paris oder Frankfurt verlegen. Der britische Finanzminister George Osborne sprach daher von einem «grossen Erfolg» für sein Land. Allerdings kann die EZB in den nächsten zwei Monaten noch Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.
EZB will Urteil prüfen
Die EZB kündigte eine genaue Prüfung des Richterspruchs an. Die EZB bleibe überzeugt davon, dass eine effektive Aufsicht über die Clearing-Häuser wichtig für den Erhalt der Finanzstabilität sei. Deshalb wolle sie die Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden wie der britischen Zentralbank vorantreiben. Zuletzt hatte die Regierung in London in ihrem Kampf gegen die Finanztransaktionssteuer, die Boni-Begrenzung für Banker und das Leerverkaufsverbot empfindliche Niederlagen kassiert.
Die EZB hatte in ihrem 2011 veröffentlichten Rahmen für die Überwachung des Eurosystems verfügt, dass zentrale Gegenparteien mit einem täglichen Geschäftsvolumen von mehr als fünf Milliarden Euro diese Geschäfte von der Eurozone aus führen müssten. Nur so sei gewährleistet, dass die EZB bei Fehlfunktionen voll durchgreifen könne. Umgesetzt wurde diese Vorgabe bislang nicht.
Diskriminierung von Nicht-Euroländern?
Clearing-Häuser seien Schlüsselbestandteile des Finanzsystems, argumentierte die EZB. Bei ihnen bündelten sich Kredit- und Liquiditätsrisiken, so dass Störungen zu systemischen Krisen führen könnten. Zuletzt hatten neue Regeln in der Finanzbranche die Bedeutung der Clearing-Stellen sogar noch erhöht. Für viele Geschäfte gibt es nun sogar eine Pflicht, sie über zentrale Gegenparteien abzuwickeln. So sollen Deals transparenter und sicherer werden. Damit entstehen aber neue systemische Risiken bei diesen Stellen, wie etwa der neue Bafin-Chef Felix Hufeld am Mittwoch in Frankfurt sagte.
Grossbritannien hatte damit argumentiert, dass ein Standortzwang dem freien Kapitalverkehr und der Niederlassungsfreiheit in der EU widerspreche und die Nicht-Euroländer diskriminiere. «Für uns stand immer fest, dass es für alle Länder im europäischen Binnenmarkt die gleichen Regeln geben muss – egal ob sie im Euro sind oder nicht», sagte Osborne.
Die EU-Richter umschifften allerdings die Frage, ob die EZB tatsächlich andere Länder benachteiligt. Sie konzentrierten sich vielmehr auf die ihrer Meinung nach nicht vorhandene rechtliche Befugnis, solche über die reine Aufsicht hinausgehenden Regeln zu erlassen.
Angesichts der geplanten Volksabstimmung über den Verbleib in der EU erhoffen sich proeuropäische Kräfte Rückenwind von dem Urteil. Es belege, wie wichtig es für Grossbritannien sei, Mitglied der EU zu sei, sagte die Europaabgeordnete Catherine Bearder von den Liberaldemokraten, die in London gemeinsam mit den konservativen Tories von Premierminister David Cameron regieren. «Ausserhalb der EU hätte das Vereinte Königreich nicht klagen und dieses Ergebnis erzielen können.» (awp/mc/pg)