Schweizer Export droht 2015 der Absturz
Jan-Egbert Sturm, Leiter der KOF.
Zürich – Die Schweizer Exportindustrie hat bereits 2010 und 2011 eine starke Aufwertung des Frankens erlebt. Damals führte dies zwar zu einem Rückgang des Exportwachstums, diesmal hingegen ist mit einem Einbruch zu rechnen. Nach dem Rekordjahr werden die Ausfuhren wohl bereits 2015 rückläufig sein.
Grund dafür ist laut Jan-Egbert Sturm von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, dass im Gegensatz zu damals die Schweizer Exportindustrie aktuell einen eigentlichen Aufwertungsschock erlebt. Die Unternehmen müssten sich schlagartig an das neue Wechselkursniveau anpassen, sagte er auf Anfrage der sda. Das können sie kurzfristig nur mit Preissenkungen. Sonst verlieren sie den Auftrag. Beides führt gemäss Prognosen der KOF bereits in diesem Jahr zu sinkenden Exporten.
Bei der starken Frankenaufwertung 2010/11 war das noch anders. In diesen zwei Jahren nahmen die Ausfuhren noch deutlich um 7,2 respektive 2,3% zu. Erst 2012 begannen sich die Bremsspuren der Aufwertung im Exportvolumen abzuzeichnen. 2013 war dann der Tiefpunkt mit einem Wachstum von nur noch 0,3% erreicht.
Sanfte Landung 2011 dank günstigem Branchenmix
Diese sanfte und stark verzögerte Landung der Gesamtexporte kam jedoch nur dank einem günstigen Branchenmix zustande. Die Pharma- und die Uhrenindustrie machten den starken Einbruch der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) mehr als wett. So steigerte die Uhrenbranche in diesen Jahren die Ausfuhren zwischen 11 und 22%. Die Pharmaindustrie musste nur gerade 2011 einen preisbedingten Rückgang von 1,7% hinnehmen. Danach steigerte sie die Exporte wieder kontinuierlich zwischen 2,4 und 5,8%. Die Ausfuhren der MEM-Industrie dagegen brachen 2012 um fast 10% ein. Seither stagnieren die Exporte dieser Branche.
Jan-Egbert Sturm erwartet auch diesmal solche Verzögerungseffekte. «Diesmal läuft jedoch alles vier kurzfristiger ab», sagte er. So werde sich die MEM-Industrie noch bis in den Frühling halten können. Danach folge aber der Einbruch. Die Pharmaindustrie dagegen spüre den Aufwertungsschock bereits, weil die staatlich festgelegten Medikamentenpreise kurzfristig nicht erhöht werden können. Mittelfristig aber schon.
Maschinenindustrie stark betroffen
Die Pharmabranche profitiere dabei davon, dass die Nachfrage nach Medikamenten kaum vom Preis abhängig sei. Ganz anders dagegen ist laut Sturm die Situation in der Maschinenindustrie. Sie könne die Preise nicht beliebig anpassen und müsse darum mit anderen Massnahmen als die Pharmabranche auf den Aufwertungsschock reagieren.
Wie gross sind die Reserven der Unternehmen noch?
Eine Sparmöglichkeit ist dabei die Verlagerung der Produktion ins Ausland. In der letzten Frankenkrise haben viele Unternehmen dies bereits gemacht. Auch diesmal sind solche Produktionsverlagerungen laut Sturm zu erwarten. Schwierig sei jedoch zu sagen, in welchem Ausmass. Das grosse Fragezeichen sei nämlich, wie dick die finanziellen und produktionstechnischen Polster der Unternehmen noch seien. In der letzten Frankenkrise hätten die Unternehmen noch über beträchtliche Reserven verfügt. «Die Speckschicht war gross», sagte Sturm. Jetzt dagegen müsse man davon ausgehen, dass diese kleiner sei. Radikale Massnahmen seien darum vermehrt zu erwarten.
Ebenfalls weniger günstig als damals sind laut Sturm die Aussichten für die Uhrenindustrie. Bis 2012 habe sie von einer sehr guten asiatischen Konjunktur profitiert. Diese habe sich seither abgekühlt. Seit 2013 sind denn auch die Uhrenverkäufe ins Ausland nur noch um jährlich 1,9% gewachsen.
Besser als damals sei jedoch die Wirtschaftslage in der Eurozone, sagte Sturm. Das sollte die Exporte stützen. Die KOF erwartet für das laufende Jahr einen Exportrückgang von 1,4%. 2016 sollen die Ausfuhren jedoch bereits wieder um 2,8% wachsen. (awp/mc/pg)