Mehrheitlich negative Reaktionen zu SNB-Entscheid
Stärkung des Frankens trifft das Ferienland Schweiz im Kern. (Foto: hotelleriesuisse)
Zürich – Die Reaktionen auf die Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1.20 Fr. sind überwiegend negativ. Einzig der Gewerbeverband sieht im Entscheid der Schweizerischen Nationalbank auch eine Chance. Für den Schweizerischen Arbeitgeberverband verschärft der erstarkte Franken die Unsicherheiten für die Arbeitgeber, besonders in der Exportbranche. Zudem sei mit Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation zu rechnen. Gleiches befürchten die Gewerkschaften.
Der Schweizerische Arbeitgeberverband zeigt sich überrascht über die sofortige Aufhebung der Untergrenze des Schweizer Frankens zum Euro. Bereits heute stünden die Arbeitgeber durch die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative stark unter Druck, heisst es in einer Mitteilung am Donnerstag. Der Zeitpunkt der SNB-Massnahme sei ungünstig, da grosse politische und wirtschaftliche Unsicherheiten das Wirtschaftsumfeld zurzeit ohnehin belasteten. Der Arbeitgeberverband sieht die Gefahr, dass eine Phase der Überbewertung des Frankens gegenüber dem Euro einsetzt. Bei einer starken Abweichung zum alten Kurs werde sich die Exportindustrie nicht in nützlicher Frist anpassen können, glaubt der Arbeitgeberverband.
Gastrobranche sieht schwarz
Einen Wettbewerbsnachteil befürchtet auch der Gastgewerbeverband. Die 20’000 im Verband organisierten Betriebe seien unmittelbar und negativ betroffen, teilte die Organisation am Donnerstag mit. Bereits beim Mindestkurs von 1,20 Fr. pro Euro hätten die Gastbetriebe einen grossen Nachfragerückgang verzeichnet. Das sieht auch hotelleriesuisse so. Die Stärkung des Frankens treffe das Ferienland Schweiz im Kern, verlautete der Verband am Donnerstag. hotelleriesuisse erwartet von der Politik nun griffige Massnahmen gegen die Hochpreisinsel.
«Düstere Wolken»
Der Branchenverband Swissmem hat sehr überrascht auf die Aufgabe der Wechselkursuntergrenze für den Franken zum Euro reagiert. Der Verband, dessen Branchenaussichten bereits eingetrübt sind, sieht düstere Wolken heraufziehen. Die KMU der MEM-Branche sind fassungslos. Das Vorgehen der Schweizerischen Nationalbank widerspreche den Ankündigungen und Zusicherungen noch in der jüngsten Vergangenheit, sagte Ivo Zimmermann, Mediensprecher bei Swissmem, dem Verband der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Zunächst gelte es abzuwarten, wo sich der Wechselkurs nach den ersten Turbulenzen einpendle. Wertet sich der bereits überbewertete Franken weiter auf, seien für die Branche schwere Konsequenzen absehbar. Die MEM-Industrie exportiert 60% ihrer Produkte in den Euroraum.
Der überbewertete Franken stelle für viele Betriebe bereits bei 1,20 eine Herausforderung dar. Steige er noch weiter, sinke die Wettbewerbsfähigkeit noch mehr und die Margenerosion spitze sich erst recht zu. Schon 1,20 CHF/EUR habe den Firmen bei der Anpassung viel Mühe abverlangt. Die Margen seien teilweise bereits heute hauchdünn.
Katastrophe für die KMU
Swissmechanic, der Verband der kleinen und mittleren Unternehmen der Branche mit rund 70’000 Beschäftigten, befürchtet «katastrophale Auswirkungen» und «fatale Konsequenzen». «Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses trifft die KMU in der MEM-Branche mitten ins Gesicht», schreibt der Verband. Direktor Oliver Müller wird mit den Worten zitiert: «Das ist eine Katastrophe.»
Economiesuisse: Entscheid aktuell nicht nachvollziehbar
Der SNB-Entscheid ist aus Sicht des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse zum aktuellen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar und völlig überraschend. Die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze sei für die gesamte Wirtschaft problematisch. Laut Economiesuisse besteht die Gefahr, dass der Franken derart stark bleibt, dass sich die Exportindustrie und der Tourismus nicht innert nützlicher Frist an die neuen Währungsverhältnisse anpassen können. Viele Betriebe, die bei «einem vernünftigen Wechselkurs» wettbewerbsfähig wären, müssten wohl ihre Segel streichen, stellte Economiesuisse in einer Mitteilung vom Donnerstag fest.
Konsumentenschützer befürchten Einkaufstourismus
«Der Einkaufstourismus wird zunehmen», sagte Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Die Preisdifferenzen zwischen Schweiz und EU würden wieder wachsen. Nach dem Entscheid werde die Debatte über die Preise wieder voll einsetzen, doppelte Nadia Thiongane von der Westschweizer Konsumentenorganisation FRC nach. Produzenten und Verteiler müssten Währungsgewinne ehrlich auf die Endpreise weitergeben.
Erklärungsversuche von UBS-Chefökonom Kalt
UBS-Chefökonom Daniel Kalt sprach kurz nach der Ankündigung der SNB gegenüber der Nachrichtenagentur sda von einem «Schock». Offenbar habe die Nationalbank ihre Mindestkurspolitik länger durchziehen müssen als erwartet. Daran sei auch Europa Schuld, das seine Hausaufgaben aus der Schuldenkrise nicht gemacht habe, sagte Kalt weiter. Laut Kalt hat beim Entscheid der SNB wohl auch die Stärke des Dollars hineingespielt. Dieser habe der Schweizer Exportwirtschaft deutlich günstigere Wechselkursbedingungen vor allem im Dollar-Raum beschert. «Vor diesem Hintergrund hat sich die SNB gesagt, dass sie den Schritt wagen kann», sagte Kalt.
Gewerbeverband sieht auch Chance
Zwar sieht auch der Gewerbeverband (sgv) durch den Entscheid der SNB viele neue Herausforderungen auf die Unternehmen zukommen, insbesondere auf die Exporteure. Die Politik könne aber helfen, die Herausforderung zu meistern, etwa durch die Senkung von Regulierungskosten. Dies würde es der gesamten Wirtschaft erleichtern, sich international zu positionieren, schreibt die Dachorganisation der Schweizer KMU in einem Communiqué am Donnerstag. (awp/mc/pg)