J. Safra Sarasin: Ausblick 2015 – Mit oder gegen den Trend?
Von Philipp E. Bärtschi, CFA Chief Investment Officer Private Clients Bank J. Safra Sarasin
Basel – Die grosszügige Liquiditätsversorgung der Notenbanken wird im Anlagejahr 2015 anhalten und bedeutet grundsätzlich Rückenwind für Risikoanlagen. Während wir bei den grossen Themen wie z.B. beim US-Dollar mit dem Trend gehen, und eine weitere Aufwertung erwarten, rechnen wir bei anderen Themen mit einer Gegenbewegung. Genügend Liquidität auf der Seite, um taktische Opportunitäten zu nutzen, ein robustes Risikomanagement sowie eine breite Diversifikation sind aus unserer Sicht für den Anlageerfolg im 2015 zentral.
Unterschiedliche Strategien für 2015
Bei der Erarbeitung von Prognosen neigen Finanzanalysten dazu entweder die jüngsten Trends in die Zukunft fortzuschreiben, oder dann eine Rückkehr zum Mittelwert vorherzusagen. So liegen z.B. die Prognosen für Aktienrenditen in den meisten Fällen irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent, d.h. im historischen Durchschnitt. Empirische Studien haben gezeigt, dass sowohl Trendstrategien wie auch Gegen-den-Trend (=Contrarian) Strategien erfolgreich sein können. Man sollte daher nicht dogmatisch an der einen oder anderen Strategie festhalten, sondern eine opportunistische Wahl treffen. Mit Bezug auf das Jahr 2015 möchten wir hier im Teil Asset Allocation zu beiden Strategien je fünf Themen vorstellen. In den danach folgenden Beiträgen stellen wir unseren Ausblick für 2015 vor.
1. Die Jagd nach Rendite hält an
Insgesamt werden die Zentralbanken ihre Bilanzen durch Anleihenkäufe weiter aufstocken und somit die Finanzmärkte auch im 2015 mit reichlich Liquidität versorgen. Damit wird das dominierende Thema der letzten Jahre «Die Jagd nach Rendite» anhalten. Da im Nullzinsumfeld die sicheren Anlagen mit einer vernünftigen Rendite fehlen, werden die Anleger dazu gezwungen, in immer risikoreichere Anlagen zu investieren. Für Anleger mit einer Zielrendite gibt es eigentlich keine Alternative zu Aktien. Innerhalb der Aktien werden Sektoren bevorzugt, welche eine überdurchschnittliche und gleichzeitig stabile Dividende aufweisen. Die Bewertungsprämie solcher Qualitätsaktien dürfte daher noch zunehmen.
2. Der US-Dollar wertet weiter auf
In der wirtschaftlichen Entwicklung und somit auch in der Geldpolitik werden sich die grossen regionalen Divergenzen weiter akzentuieren. Einem Zinsanstieg in den USA, steht in Euroland wie auch in Japan eine weitere Geldmengenexpansion gegenüber. Die graduelle Zinsanhebung in den USA dürfte sich auch im Wert des US-Dollars widerspiegeln. Trotz der starken Aufwertung im 2014, stehen wir erst am Anfang einer mehrjährigen Bewegung im US-Dollar. Am schwächsten dürfte sich der japanische Yen entwickeln, da die japanische Notenbank die aggressivste Geldpolitik betreibt.
3. Die Rohstoffpreise fallen weiter
Eine Konsequenz des stärkeren US-Dollars sind fallende Rohstoffpreise, da der Rohstoffhandel primär in US-Dollar abgewickelt wird. Die Preise sind aber auch aufgrund der mittelfristigen Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft unter Druck. Sowohl für die entwickelten Länder wie auch für die Schwellenländer wurden die Wachstumsraten im 2014 laufend nach unten reduziert. Auch der Trend zu schwächerem Wachstum in China dürfte anhalten. Während das Nachfragewachstum abnimmt, hat sich das Rohstoffangebot stark erhöht. Sowohl im Bereich der Energie, wie auch der Metalle wurden die Förderkapazitäten in den letzten Jahren stark ausgebaut. Es dürfte eine längere Zeit dauern oder eine starke Preisbewegung stattfinden, bis eine Balance zwischen Nachfrage und Angebot gefunden ist.
4. Blue Chips haben auch 2015 die Nase vorn
In der zweiten Jahreshälfte 2014 haben die grosskapitalisierten Firmen die kleinen und mittleren Unternehmungen (Small/Mid Cap) deutlich hinter sich gelassen. Die grossen «Blue Chips» profitieren einerseits von der Jagd nach Rendite am meisten, da sie stabile Dividendenausschüttungen versprechen. Zudem dürften die steigenden Geldzuflüsse in indexierte Aktienanlagen die Indexschwergewichte bevorzugen. Im Jahr 2015 könnte allerdings auch ein fundamentaler Grund hinzukommen. Small Caps schnitten in der Vergangenheit meist am Anfang einer wirtschaftlichen Erholung am besten ab. In der nun beginnenden Expansionsphase, in welcher die Notenbank die Zinsen anhebt, haben die Small Caps oft schlechter abgeschnitten. Dies war z.B. in den 90er Jahren in den USA deutlich zu sehen (siehe Grafik).
5. Die Volatilität bleibt niedrig
Eine Analyse des Zusammenhanges zwischen der Geldpolitik der US-Notenbank und der Volatilität an den Finanzmärkten zeigt, dass die Volatilität in der Vergangenheit erst mit einer Verzögerung von einigen Quartalen auf die ersten Zinsschritte reagierte. Zunächst ist ein Zinsschritt als Zeichen der fortgeschrittenen Erholung zu werten, und dürfte den Risikoappetit der Anleger erhöhen. Wenn die US-Notenbank, wie wir erwarten, die Zinsen nur sehr langsam und graduell anheben wird, dann dürfte die Volatilität noch länger tief bleiben. Es ist gut möglich, dass 2015 den Tiefpunkt im Volatilitätszyklus markieren wird. Eine tiefe Volatilität begünstigt fremdfinanzierte Anlagen, da sie ein geringes Risiko suggeriert.
6. Grössere Korrekturen wahrscheinlich
Trotz der anhaltend tiefen Volatilität dürften die temporären Korrekturen an den Finanzmärkten nicht mehr so milde ausfallen wie in den letzten Jahren. In einer späteren Phase des Zyklus nehmen die kurzfristigen Rückschläge oft zu. Das steigende Mass der Fremdfinanzierung sowie die erhöhten Bewertungen führen zu eine grösseren Nervosität der Anleger. Die erwarteten Schwankungen können taktisch für eine klassische «Buy low – sell high» Strategie genutzt werden.
7. Europäische Aktien werden outperformen
Europäische Aktien schnitten 2014 im globalen Vergleich sehr schwach ab. Dies lag erstens an der schwachen fundamentalen Entwicklung. Sowohl die Wachstumsprognosen wie auch die Gewinnschätzungen wurden 2014 laufend nach unten revidiert. Zweitens lag es aber auch an der schwachen Währung, welche auf die Performance drückte. Die Währungsentwicklung dürfte sich nun aber 2015 aus Anlegersicht positiv auswirken. Die Umsätze und die Gewinne der europäischen Unternehmen werden von einer schwächeren Währung profitieren. Gleichzeitig wird der stärkere US-Dollar auf den im Ausland erzielten Gewinnen der US-Unternehmungen lasten. Da die Unternehmensgewinne in Europa 2015 deutlich stärker wachsen dürften, sehen wir mehr Überraschungspotenzial.
8. Die Nikkei-Yen Beziehung wird getestet
Die Anleger haben sich in den letzten Quartalen an die stabile Beziehung zwischen dem japanischen Yen und dem Aktienmarkt gewöhnt. Dies war aber nicht immer so (siehe Grafik). In der Vergangenheit gab es einige Phasen in welchen der Yen und der Aktienmarkt gleichzeitig schwach waren. Diese Beziehung könnte im 2015 getestet werden. Der Aktienmarkt dürfte sich nämlich nur solange an die «Regel» halten wie auch die Wachstums- und Gewinnprognosen robust bleiben. Anstatt blind dieser Strategie zu folgen, sollten Anleger die fundamentalen Daten in Japan genau verfolgen. Aufgrund der aggressiven Geldpolitik ist es wahrscheinlich, dass der Yen schwach bleiben wird. Der Nikkei-Index scheint, wie auch andere Aktienmärkte insbesondere im ersten Halbjahr verletzlich, und Anleger sollten sich trotz der unterstützenden Yen-Story auf grössere Korrekturen gefasst machen.
9. Ein Comeback von Hochzinsanleihen
Nachdem sich die US-Notenbankpräsidentin im Sommer 2014 zu den scheinbar hohen Bewertungen von Hochzinsanleihen äusserte, kam es in der zweiten Jahreshälfte in den USA zu starken Abflüssen aus dem Segment. Insbesondere Anleihen aus dem Energiesektor litten unter den einbrechenden Ölpreisen und die Risikoprämien schossen in die Höhe. Aus unserer Sicht scheinen die Bewertungen von Hochzinsanleihen fair. Die absoluten Renditen sind niedrig, doch die Risikoprämien entschädigen den Anleger für das Ausfallrisiko, welches zurzeit sehr gering ist. Die Ausfallraten liegen in den USA auf einem tiefen Niveau und dürften in einem positiven Wachstumsumfeld niedrig bleiben. In Euroland ist zwar das Wachstum schwach, doch unterstützt die zunehmend expansive Geldpolitik die Anleihen. Wir rechnen daher damit, dass Hochzinsanleihen als Anlageklasse im nächsten Jahr ein Comeback erleben werden.
10.Suche nach unkorrelierten Renditen
Das Jahr 2014 hat einmal mehr gezeigt, dass verschiedenen Anlageklassen wie Aktien, Hochzinsanleihen und Schwellenländeranlagen sehr stark miteinander verbunden sind. Gerade in Korrekturphasen steigt die Korrelation an, was den Diversifikationseffekt in einem Portfolio schmälert. Daher werden Anleger vermehrt nach Anlagemöglichkeiten Ausschau halten, welche eine möglichst geringe Korrelation zu den übrigen Risikoanlagen im Portfolio haben. Aus unserer Sicht sind Anlagen interessant, welche sich auf spezifische Risikofaktoren, wie z.B. die Volatilität ausrichten. So dürfte es sich weiter lohnen Volatilität zu verkaufen, d.h. Versicherungsprämien einzukassieren. Daneben dürfte auch die Nachfrage nach Long/Short-Strategien sowie nach verschiedenen Makrostrategien weiter zunehmen. Genügend Liquidität, um taktische Opportunitäten zu nutzen, ein robustes Risikomanagement sowie eine breite Diversifikation sind für den Anlageerfolg zentral.
Implikationen für die Asset Allocation
Die Antwort auf die Frage «mit oder gegen den Trend?» heisst weder ja noch nein, sondern vielmehr sowohl als auch. Die starken Trends, von welchen wir glauben, dass sie 2015 anhalten werden, berücksichtigen wir für die Festlegung der Vermögensaufteilung zwischen und innerhalb der Anlageklassen genauso wie die erwarteten Gegenbewegungen oder neu aufkommenden Trends. Auf Jahressicht dürften sich Risikoanlagen dank dem Rückenwind der expansiven Geldpolitik weiterhin positiv entwickeln. Während wir bei den Aktien eher auf Qualität und Blue Chips setzen, sehen wir bei Anleihen mehr Potenzial bei Unternehmen mit niedrigerer Kreditqualität. Das Risikomanagement ist zentral, um die einzelnen Anlagen im Portfolio zu überwachen und um eine genügende Diversifikation sicherzustellen. Da wir auch grössere, temporäre Korrekturen erwarten, scheint es uns wichtig, genügend Liquidität auf der Seite zu haben, um von allfälligen Opportunitäten profitieren zu können. Aufgrund der starken Korrelation zwischen den Anlagenklassen, dürften sich im Jahresverlauf viele neue Anlageideen ergeben. (J. Safra Sarasin/mc/ps)