Die Schweiz braucht eine nationale Wasserstrategie

Die Schweiz braucht eine nationale Wasserstrategie

Bern – Die Schweizer Wasserwirtschaft ist nicht optimal für die bevorstehenden klimatischen und gesellschaftlichen Veränderungen gerüstet. Doch wenn die regionale Zusammenarbeit vermehrt gelingt, nachhaltige Lösungen bei Wasserkonflikten gefunden und Anstrengungen im Gewässerschutz weiter geführt werden, steht der Schweiz auch zukünftig genügend Wasser zur Verfügung. Zu diesem Schluss kommt das Nationale Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP 61).

​Wie steht es um das Wasserschloss Schweiz, wenn die Temperaturen in Zukunft steigen, die Niederschläge aber sinken? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, hat der Bundesrat den Schweizerischen Nationalfonds mit der Durchführung des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP 61) beauftragt, das nun nach fünf Jahren die Schlussbilanz zieht.

Klimawandel wird vor allem im Hochgebirge sichtbar
Mit den grössten Veränderungen rechnet das NFP 61 im Hochgebirge. Wegen der steigenden Temperaturen schmelzen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die Gletscher je nach Szenario zu rund 90 Prozent weg. Die Schneefallgrenze wandert weiter nach oben. Dadurch verändert sich der alpine Wasserhaushalt erheblich.

Die schwindenden Gletscher machen neuen Seen Platz. Damit eröffnen sich der Wasserwirtschaft und dem Tourismus neue Chancen, gleichzeitig erhöht sich auch die Gefahr von plötzlichen Seeausbrüchen mit nachfolgenden Flutwellen. Da raumplanerische, organisatorische und bauliche Anpassungsmassnahmen Zeit brauchen, müssen Bergkantone jetzt handeln und etwa bei der Vergabe von Konzessionen zur Wassernutzung verstärkt darauf achten, dass die Nachhaltigkeit im Bereich Wasser auch langfristig gesichert ist.

Zudem geht das NFP 61 davon aus, dass die Wassertemperaturen in den Fliessgewässern der Schweiz in den nächsten Jahrzehnten um durchschnittlich zwei bis vier Grad Celsius steigen. Auch das Grundwasser erwärmt sich sukzessive. Diese Entwicklung ist ein weiterer Stressfaktor für die durch Stoffeinträge bereits stark belasteten Gewässer in Siedlungsgebieten.

Nutzungsdruck vielerorts bedeutender als der Klimawandel
Vielerorts werden jedoch sozio-ökonomische und technische Veränderungen den Wassersektor in der Schweiz stärker beeinflussen als der Klimawandel. Beispielsweise wird die zukünftige Ausgestaltung der Agrarpolitik einen grösseren Einfluss darauf haben, wie bewässerungsbedürftig die Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2050 sein wird, als Klimaveränderungen.

Der Nutzungsdruck auf die Wasserressourcen und Gewässer wird durch das Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung zukünftig weiter zunehmen. Neue Nutzungs- und Interessenskonflikte (z.B. Verdrängung von Grundwasserschutzzonen durch die Siedlungsentwicklung) sind die Folge. Denn Wasser und Gewässer stehen nicht für alle gesellschaftlichen Ansprüche jederzeit und an jedem Ort in beliebiger Menge zur Verfügung.

Um langfristig den Schutz von Wasser und Gewässern sowie deren essentielle Nutzungen sicherzustellen, muss das Thema Wasser frühzeitig in alle Politikbereiche (z.B. Energie oder Landwirtschaft) einbezogen werden. Besonders in der Raumplanung müssen Entscheidungsträger den Wasseraspekten wirksamer als bisher Rechnung tragen. Wegen der Langlebigkeit der Infrastrukturen im Wassersektor – Leitungsnetze und Wasserkraftwerke sind z.B. auf 80 bis 100 Jahre ausgelegt – müssen heutige Planungen auch die Interessen kommender Generationen einbeziehen. Die hohen Prognose-Unsicherheiten und die klimabedingt erwartete Zunahme an Witterungsextremen müssen ebenfalls in die langfristige Planung aufgenommen werden.

Zusammenarbeit wird wichtiger
Zusammenfassend kommt das NFP 61 zum Schluss, dass angesichts der kommenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und klimatischen Veränderungen die Schweizer Wasserwirtschaft nicht optimal gerüstet ist. Die gesetzlichen Grundlagen behandeln Wasserthemen getrennt. Zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden gibt es eine komplexe Aufgabenteilung. Die Strukturen sind nicht gemeinde- und kantonsübergreifend gestaltet. Es fehlen sowohl übergeordnete Visionen und Strategien, als auch konkrete Abstimmungen zwischen Gemeinden und Kantonen.

Ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser ist eine Frage von naturwissenschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, aber auch – und immer mehr – eine Frage der Mechanismen zur Lösung von Nutzungs- und Interessenskonflikten. Das NFP 61 empfiehlt dem Bund, eine nationale Wasserstrategie zu erstellen und dabei die bestehenden Teilstrategien zusammenzuführen. Alle relevanten Akteure und die breitere Bevölkerung sind bei der konkreten Umsetzung einzubeziehen. (SNF/mc/pg)

Nachhaltige Wassernutzung in der Schweiz

Schreibe einen Kommentar