Pauschalbesteuerung für Initianten «Kniefall vor dem Gessler-Hut des Geldes»

Pauschalbesteuerung für Initianten «Kniefall vor dem Gessler-Hut des Geldes»
Regula Rytz, Nationalrätin Grüne BE und Präsidentin Grüne. (Foto: © Alexander Egger / regularytz.ch)

Regula Rytz, Nationalrätin Grüne BE und Co-Präsidentin Grüne. (Foto: © Alexander Egger / regularytz.ch)

Bern – Die Pauschalbesteuerung ist ungerecht und verfassungswidrig – und sie kann ohne finanzielle Einbussen abgeschafft werden. Dieser Überzeugung sind die Befürworter der Initiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre». Am Donnerstag haben sie für ein Ja geworben.

Die Abschaffung der Pauschalbesteuerung würde «ein Minimum an Gerechtigkeit» schaffen, sagte SP-Präsident Christian Levrat vor den Medien in Bern. Nichts könne es rechtfertigen, reiche Ausländerinnen und Ausländer nach den Lebenshaltungskosten statt nach Einkommen und Vermögen zu besteuern.

Die Ungerechtigkeit illustrierte er am Beispiel der Tennisspieler Stan Wawrinka und Joe Wilfried Tsonga. Beide gingen dem selben Beruf nach, verdienten ihr Geld an den selben Turnieren und wohnten am selben Ort. Während der Schweizer Wawrinka normal besteuert werde, profitiere der Franzose von der Pauschalbesteuerung.

Massnahme gegen Zersiedelung
Die Co-Präsidentin der Grünen, Regula Rytz, sprach von einem «Kniefall vor dem Gessler-Hut des Geldes» und stellte die Pauschalbesteuerung in den Kontext der Zuwanderungsdebatte. Wer sich über Zersiedelung, Bodenspekulation und steigende Mitzinsen ärgere, brauche nicht auf die Beschränkung der Zuwanderung zu setzen.

Statt «Phantomlösungen» zuzustimmen, könne man mit einem Ja zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung etwas Wirksames tun. Das Bevölkerungs- und Siedlungsbrei-Wachstum im Kanton Schwyz beispielsweise habe nichts mit der Personenfreizügigkeit zu tun. Schuld sei die Standortpolitik der Behörden. «Mit M-Budget-Steuern wurden Reiche aus aller Welt angelockt.»

Steigende statt sinkende Einnahmen
Das Argument der Gegner, ein Ja zur Initiative würde zu hohen Steuereinbussen führen, lassen die Initianten nicht gelten. Die Gegner lügten und operierten mit Phantasiezahlen, sagte Levrat. Die Abschaffung der Pauschalbesteuerung würde sehr wahrscheinlich zu steigenden Steuereinnahmen führen.

Bei einem Wegzug der Pauschalbesteuerten würden die Villen nämlich kaum leer bleiben. Neu würden dort normal besteuerte Reiche leben. Ausserdem sei nicht zu erwarten, dass alle Pauschalbesteuerten wegzögen. Die Schweiz habe mehr zu bieten als Steuerprivilegien.

Bisherige Erfahrungen positiv
Bei ihren Prognosen berufen sich die Initianten auf die Erfahrungen aus jenen Kantonen, in denen die Pauschalbesteuerung bereits abgeschafft wurde. In Schaffhausen hätten sich die Einnahmen nach der Abschaffung verdreifacht, sagte Niklaus Scherr von der Alternativen Liste Zürich.

In Zürich seien von 201 Pauschalbesteuerten 97 weggezogen und 2 verstorben. Die Verbleibenden hätten 1,6 Mio CHF mehr Steuern gezahlt als vorher alle zusammen. Nach dem Wegzug einer weiteren Person sei die Bilanz zwar leicht ins Minus gefallen. Doch die Zahlen berücksichtigten die Einnahmen nicht, die durch die Neuzuzüger anfielen.

Gemeindepräsidenten begeistert
In der Zürcher Gemeinde Küsnacht sind von 19 Pauschalbesteuerten 13 weggezogen. Die 6 Verbliebenen bezahlten 20% mehr als alle zusammen vorher. Rechnet man jene hinzu, die in die Villen der vormals Pauschalbesteuerten gezogen sein, ergibt sich nach Angaben der Initianten ein Plus von 50%. «Der FDP-Gemeindepräsident weint der Pauschalsteuer keine Träne nach», stellte Scherr fest.

Er wies auch darauf hin, dass 2000 der 5600 Pauschalbesteuerten Franzosen seien. Für diese komme eine Rückkehr in die «Steuerhölle Frankreich» nicht infrage. Auch Monaco sei keine Option, denn zuziehende Franzosen müssten wegen eines Abkommens weiterhin in Frankreich Steuern zahlen. Und London komme für viele kulturell nicht in Frage.

Zum Beispiel Viktor Vekselberg
Die Initianten kritisieren nicht nur die Pauschalbesteuerung als solche, sondern auch deren Anwendung in der Praxis. Das Privileg gilt eigentlich nur für Personen, die in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Dies werde aber oft nicht kontrolliert, sagte Scherr.

Viele Pauschalbesteuerte managten von der Schweiz aus ihre Firmenkonglomerate. Was als «Lex Chaplin» am Genfersee begonnen habe, sei zu einer «Lex Vekselberg» geworden. Der Oligarch Viktor Vekselberg kontrolliere Schweizer Firmen im Wert von über 3 Mrd CHF. Wenn es um die Pauschalbesteuerung gehe, streite er aber jegliche Erwerbstätigkeit ab.

Nico Lutz von der Gewerkschaft Unia befand, es sei höchste Zeit, die Sonderprivilegien für Superreiche abzuschaffen. Die Pauschalsteuer erinnere an die Feudalzeit und habe in einer modernen Demokratie nichts zu suchen. Über die Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung entscheiden die Stimmberechtigten am 30. November. (awp/mc/ps)

Schreibe einen Kommentar