Chodorkowski könnte in russischer Krise Präsidentenamt anstreben
«Kein Interesse daran, Präsident zu werden, wenn sich Russland ’normal› entwickelt»: Michail Chodorkowski
Paris – Der jahrelang in Russland inhaftierte Ex-Oligarch Michail Chodorkowski würde nach eigenen Angaben das Präsidentenamt seines Landes im Falle einer Krise anstreben. Er wäre aber nicht interessiert daran, Kreml-Chef zu werden, wenn Russland sich «normal» entwickelt, sagte Chodorkowski in Paris am Samstagabend während einer Feier der Tageszeitung «Le Monde». Sollte es jedoch notwendig erscheinen, die Krise zu überwinden und eine Verfassungsreform einzuleiten, «dann wäre ich bereit, diesen Teil der Arbeit zu übernehmen». Es war das erste Mal, dass Chodorkowski solche Ambitionen öffentlich machte.
In einem aktuellen «Spiegel»-Interview äusserte sich Chodorkowski dagegen ähnlich zurückhaltend wie bisher auch. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, im Leben noch russischer Regierungschef oder Präsident zu werden, antwortete Chodorkowski: «Ich habe nicht einmal vor, eine Partei zu gründen.» Er wolle nicht an Pseudowahlen teilnehmen, sondern sich gesellschaftlich engagieren.
«Open Russia»-Initiative
Der in der Schweiz lebende Kreml-Gegner reist derzeit durch EU-Länder, um seine neu aufgestellte «Open Russia»-Initiative vorzustellen. Damit will er pro-europäische Kräfte im Land zusammenbringen. Chodorkowski wird am Dienstag in Berlin erwartet. Er sass zehn Jahre wegen Steuerhinterziehung in Haft und wurde Ende 2013 überraschend begnadigt. Kritiker sahen in ihm einen politischen Häftling, der dem Kreml zu mächtig und unbequem geworden war. (awp/mc/ps)