Gesunkene Euro-Inflationsrate erhöht Druck auf EZB
EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)
Luxemburg – Die im August auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2009 gefallene Inflationsrate dürfte den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) weiter erhöhen. Die Jahresrate der Teuerung sank von 0,4 Prozent im Vormonat auf 0,3 Prozent, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat am Freitag in Luxemburg nach einer ersten Schnellschätzung mitteilte. Ökonomen hatten mit dem Rückgang gerechnet. Die Inflationsrate hat sich damit noch weiter vom Zielwert der EZB entfernt, die eine Rate von knapp zwei Prozent anstrebt.
Verantwortlich für den deutlichen Rückgang im August waren vor allem deutlich gesunkene Energiepreise. Diese fielen um 2,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr und damit doppelt so stark wie im Juli. Die Preise von Dienstleistungen (+1,2%) und Industriegütern (+0,3%) legten hingegen zu. Rückläufig waren hingegen die Preise für Nahrungsmittel (-0,3%).
Kernrate steigt an
Die sogenannte Kernrate ist im August daher sogar von 0,8 Prozent im Vormonat auf 0,9 Prozent gestiegen. Ökonomen hatten hingegen weiter mit 0,8 Prozent gerechnet. Bei der Kernrate werden stark schwankende Komponenten wie Energie und Lebensmittel ausgeklammert. Sie gilt als aussagekräftig für den langfristigen Inflationstrend und wird deshalb von der EZB genau beobachtet.
Anfang Juni hatte die Notenbank ein Massnahmenpaket gegen die zu niedrige Inflation beschlossen. Spekulationen auf eine weitere geldpolitische Lockerung durch die EZB dürften nach den neuen Preisdaten zunehmen. Notenbankpräsident Mario Draghi hatte vor einer Woche vor gesunkenen Inflationserwartungen gewarnt und abermals versichert – falls nötig – alle verfügbaren Instrumente einzusetzen.
Draghi unter Zugzwang
«Die niedrige Teuerungsrate bringt EZB-Präsident Draghi unter Zugzwang», schreibt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP-Bank. Ein breitangelegtes Wertpapier-Kaufprogramm im kommenden Jahr werde zu einer ernsten Option. «Warnrufe der Deutschen Bundesbank dürften am EZB-Tower abprallen.»
Wichtiger jedoch als einzelne Monatszahlen bei den Verbrauchpreisen sind laut Christian Schulz, Volkswirt bei der Berenberg-Bank, die durch die Lage in der Ostukraine ausgelöste wirtschaftliche Schwäche. Zuletzt hätten sich eine Reihe von Frühindikatoren eingetrübt und die Gefahr sei gestiegen, dass die Konjunkturerholung in der Eurozone länger stagnieren könnte. Die EZB dürfte darauf spätestens am Ende des Jahres reagieren.
Schwache Konjunktur
Für das kommenden Jahr hält auch die Commerzbank breit angelegte Anleihekäufe für wahrscheinlich. «Auf unserer monatlichen Prognosesitzung haben wir diese Wahrscheinlichkeit von 40 auf 60 Prozent erhöht», sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Verantwortlich dafür seien nicht nur die jüngsten Aussagen von Draghi. «Mindestens genau so wichtig ist, dass wir unsere ohnehin sehr niedrige Wachstumsprognose für 2015 gesenkt haben.»
Zuletzt hatte eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Frühindikatoren für die Eurozone enttäuscht. Die Wirtschaftsstimmung in der Eurozone hatte sich ebenso wie auch nationale Geschäftsklimaindikatoren eingetrübt. Die trübe Stimmung scheint auch zunehmend auf die Verbraucher durchzuschlagen. So sind die deutschen Einzelhandelsumsätze im Juli laut Zahlen vom Freitag so stark gefallen wie seit Januar 2012 nicht mehr. Zuvor hatte sich auch das Konsumklima der GfK eingetrübt.
Eurokurs legt zu
Angesichts der gestiegenen Kerninflationsrate legte der Eurokurs nach der Veröffentlichung der Zahlen zu und stieg zeitweise auf ein Tageshoch von 1,3195 Dollar. Der Dax gab vorherige Gewinne ab. Der für den Anleihemarkt richtungsweisende Euro-Bund-Future geriet unter Druck. Es gebe mit Blick auf die nächste Sitzung der EZB in der kommenden Woche ein Enttäuschungspotenzial, da die Erwartungen schon sehr hoch gelaufen seien, hiess es in einer Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). (awp/mc/ps)
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