Deutschland: ZEW-Index fällt stärker als erwartet
Mannheim – Die Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland haben sich weiter eingetrübt. Deutsche Finanzexperten blicken deutlich skeptischer auf die künftige und aktuelle Konjunkturentwicklung. Dies geht aus Zahlen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) vom Dienstag hervor. Selbst ein Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im zweiten Quartal wird von Volkswirten nicht mehr ausgeschlossen.
Die ZEW-Konjunkturerwartungen fielen im Juli zum Vormonat um 2,7 Punkte auf 27,1 Zähler. Dies ist der siebte Rückgang in Folge und der niedrigste Stand seit Dezember 2012. Bankvolkswirte hatten im Schnitt mit einem Rückgang auf 28,2 Punkte gerechnet.
Auch die aktuelle Lage wird schlechter beurteilt
Erstmals seit November 2013 verschlechterte sich im Juli auch die Beurteilung der aktuellen Lage. Der entsprechende Indikator sank um 5,9 Punkte auf 61,8 Zähler. Im Juni hatte er mit 67,7 Punkten den höchsten Stand seit Juli 2011 erreicht. Volkswirte hatten nun mit einem nur leichten Rückgang auf 67,4 Punkte gerechnet.
«Die deutsche Konjunktur hat sich zuletzt eine kleine Delle eingefangen – im Einzelhandel wurde weniger umgesetzt, zudem produzierte die deutsche Industrie weniger und verzeichnete geringere Auftragseingänge», sagte ZEW-Präsident Clemens Fuest. Der Rückgang der Erwartungen spiegle die Ernüchterung darüber wider. «Dennoch bleibt der mittelfristige wirtschaftliche Ausblick in der Grundtendenz positiv.»
Schwaches 2. Quartal erwartet
Der Rückgang der Erwartungen ist nach Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) auch auf weltpolitische Risiken zurückzuführen. Die Analysten verweisen auf die angespannte Lage in der Ukraine und den Gaza-Konflikt. Die ungünstigere Lagebeurteilung spreche gegen eine Fortsetzung der hohen Wachstumsdynamik wie zu Jahresbeginn.
Eine Stagnation des Wirtschaftswachstums in Deutschland wird laut Carsten Brzeski, Chefvolkswirt von ING-Diba, im zweiten Quartal immer wahrscheinlicher. Einige Analysten halten sogar einen Rückgang der Wirtschaftsleistung für möglich. Die konjunkturelle Schwächephase in Deutschland sei eine schlechte Nachricht für die gesamte Eurozone, sagte Brzeski.
So sind im Juli die Konjunkturerwartungen für die Eurozone noch stärker gesunken als in Deutschland. Der entsprechende Indikator fiel im Juli um 10,3 Punkte auf 48,1 Punkte. Die Beurteilung der aktuellen Lage verschlechterte sich um 3,8 Punkte auf minus 31,5 Punkte.
Euro fällt unter 1,36 Dollar
Der Eurokurs fiel nach den Zahlen unter die Marke von 1,36 US-Dollar und wurde zuletzt mit 1,3595 Dollar gehandelt. Am Aktienmarkt sank der Dax am späten Vormittag um 0,42 Prozent auf 9741 Punkte. Deutsche Staatsanleihen weiteten ihre Gewinne aus. (awp/mc/pg)