Smarte Tracker
Von Dieter Haas , Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Die Hälfte des Börsenjahres ist vorbei. Ein guter Zeitpunkt, um die besten Performer aus den rund 1‘000 kotierten Open-end-Tracker-Zertifikaten zu analysieren. Mit welchen Schachzügen Anleger und Berater jetzt das Portfolio auf Gewinner ausrichten können.
Das Anlagejahr 2014 hat sich besser angelassen als es viele Experten erwartet haben. Aktien sind alternativlos – hiess in den Vorschauen zumeist die Devise. Dabei räumten manche wie etwa Christoph Riniker, Head Strategy Research der Bank Julius Bär, dem Schweizer Aktienmarkt zwar ein positives, im Quervergleich jedoch unterdurchschnittliches Potenzial ein. Ziemlich einheitlich war die Meinung zu den Staatsanleihen. Stellvertretend ist die Meinung von Anja Hochberg, CIO Europa und Schweiz, bei der Credit Suisse angeführt, welche die Renditen der Benchmark-Staatsanleihen 2014 schrittweise steigen sah. Aufgrund der im Allgemeinen skeptischen Einschätzung der Zinsentwicklung äusserten einige Bedenken gegenüber dem einheimischen Immobilienmarkt. Wenig Aufmerksamkeit genossen ferner die Rohstoffstrategien. So rechnete Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, mit einer Attraktivitätseinbusse dieser Anlageklasse. Wie so oft kommt es anders als man dachte. Das gilt zumindest für die ersten Monate.
Realität übertrifft Prognosen
Ziemlich rentabel waren bis dato temporeiche Züge mit Aktien und entsprechenden Strukturierten Produkten und ETFs auf Equity-Basiswerte. Sie profitierten von der weiterhin sehr expansiven Geldpolitik der Notenbanken. Entgegen den Unkenrufen mancher Auguren liegt die Schweizer Börse jedoch mit an der Spitze. Wacker schlug sich die von vielen bereits totgesagte Anlageklasse der Obligationen. Der eingetretene Rückgang der Zinsen verblüffte viele. Deflatorische Tendenzen sowie ein verhaltener Wirtschaftsaufschwung sorgten dafür. Das war Wasser auf die Mühlen der Anlageklasse der Immobilien. Sie setzten auch im laufenden Jahr ihren Aufwärtstrend fort. Auf keinen grünen Zweig kamen bis dato Geldmarktanlagen, was angesichts der rekordtiefen Leitzinsen keine Überraschung darstellt.
Revanche der Rohstoffe
Fast wie Phönix aus der Asche tauchten dafür etliche Rohstoffe auf. Nach langer Durststrecke warteten einige mit zweistelligen Kurszuwächsen auf. Hoch in der Gunst der Anleger standen Kaffee, Nickel und Palladium. Verantwortlich für die Preisexplosionen waren in den genannten Fällen ungünstige klimatische Bedingungen (Brasilien), Ausfuhrsperren eines wichtigen Produzentenlandes (Indonesien), Streiks in Südafrika und geopolitische Spannungen (Ukraine). Währungsmässig blieb es bis anhin eher ruhig. Trotz mehrheitlich negativer Kommentare zu Jahresbeginn verteidigte Gold sein Kursniveau. Ein erster Ausbruchversuch aus dem Abwärtstrend zu Jahresbeginn wurde ab Mitte März jäh gestoppt. Die bisherigen Tiefstkurse hielten allerdings dem Abgabedruck bislang stand.
«Nickel, Kaffee und Palladium erzielten in den ersten Monaten zweistellige Kurszuwächse.»
Smarte Überflieger
In der Performance-Rangliste per 18. Juni aller endlos laufenden an der SIX SP kotierten rund 1‘000 Tracker-Zertifikate liegen Rohstoff-gelinkte Anlageprodukte an der Spitze. Die Basiswerte Nickel, Kaffee, Mageres Schwein, Sojamehl und Palladium erwiesen sich am lukrativsten. Unter den Aktienmärkten ragten Indonesien, Indien und Vietnam hervor. En vogue waren zudem Themen der Bereiche Solar- und erneuerbare Energie. Sein Potenzial nahezu ausgeschöpft hat wohl CBSVIX, ein Constant Leverage-Zertifikat auf sinkende Volatilität am amerikanischen Aktienmarkt. Der seit Längerem rückläufige Trend liegt inzwischen nahe den Allzeit-Tiefstkursen seit der Jahrtausendwende. Ein weiterer nennenswerter Rückgang der Volatilität scheint somit wenig wahrscheinlich. Hier empfiehlt es sich, Gewinnmitnahmen zu tätigen.
Bunte Loser-Truppe
Kein Bein auf die Erde brachten im laufenden Jahr die Basiswerte Seltene Erden und Silber. Sie zählen schon seit Längerem zu den Ladenhütern. Wenig Freude hatten Anleger, die auf Japan und China setzten. An der japanischen Börse verpuffen inzwischen die massiven Geldspritzen der Bank of Japan. Es sei in diesem Zusammenhang an das englische Sprichwort erinnert: «Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, saufen müssen sie allerdings selber.» Im Falle von China drückte der im laufenden Jahr eingetretene Rückgang des Yuan für CHF-Anleger zusätzlich auf das Ergebnis. Aus der Mode geraten sind die im Vorjahr heiss gelaufenen Tracker-Zertifikate auf 3D-Drucker. Hier wurde der Euphorie 2014 die Spitze gebrochen. Keine Kohle war mit Kohle zu verdienen — der schwarze Energiestoff blieb unter den Erwartungen zurück. Eine arge Enttäuschung war das auf steigende Volatilität im amerikanischen Aktienmarkt setzende Constant Leverage-Zertifikat CBLVIX. Es ist inzwischen fast wertlos. Selbst eine Trendwende hilft hier nur noch sehr bedingt.
Aussichtsreiches Trio
Für Anleger und Vermögensberater stellt sich jetzt die Frage, ob man in nächster Zeit mit dem Trend und damit den sogenannten Momentum-Strategien besser fährt als gegen den Strom zu schwimmen. Unsere Empfehlungen sind ein Mix aus beiden. Zur ersten Kategorie zählen NKLOE und CKCCI auf Nickel bzw. Kaffee. Beide Rohstoffe bleiben aus mehreren Gründen in den kommenden Monaten heisse Eisen. Norilsk Nickel, der weltweit führende Produzent von Nickel, sieht in seinem jüngsten Ausblick bis 2015 eine gesunde und wachsende Industrienachfrage. Die Edelstahlnachfrage Chinas bleibe der wichtigste Wachstumsträger mit erwarteten jährlichen Steigerungen um 10%. Die Lage verschärft hat der seit Mitte Januar von Indonesien, dem führenden Anbieter von qualitativ gutem Nickelerz, verfügte Exportstopp. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht, ganz im Gegenteil besteht das Risiko, dass auch die Philippinen dem Schritt Indonesiens folgen könnten. Ein Ausweichen auf neue Anbieter ist kurzfristig nicht möglich, zumal nach Expertenaussagen erst ein langfristiger Nickelpreis von USD 26‘000 je Tonne zu einer ausreichenden Stimulierung beim Ausbau neuer Minenprojekte führt. Beim Tracker-Zertifikat NKLOE, bei dem derzeit einzig Rollgebühren anfallen, steht beim gegenwärtigen Nickelpreis von rund USD 19‘000 je Tonne die Ampel weiter auf Grün.
«Anleger und Berater stehen vor kniffigen Fragen.»
Energiekick fürs Portfolio
Keine Ermüdungserscheinungen sind bei Investitionen auf Kaffee auszumachen. Wegen der Dürre in brasilianischen Anbaugebieten sind die Preise 2014 stark gestiegen. Die gegenwärtige Epidemie des Kaffeerostes in Zentralamerika, die wirtschaftlich bedeutendste Erkrankung dieser Kulturpflanze, verschärft die Krise zusätzlich. USAID (United States Agency for International Development) rechnet wegen des Kaffeerostes in den nächsten Jahren mit Produktionseinbussen von 15 bis 40%. Zusätzlich droht die Gefahr eines erneuten El Niño-Wetterphänomens. Alles in allem besteht gegenwärtig eine erhöhte Ungewissheit über die Höhe der Kaffeeproduktion in mehreren wichtigen Exportländern. Fortgesetzte Wetterkapriolen sind nicht ausgeschlossen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit eines globalen Angebotsdefizits. Der Kursanstieg des Tracker-Zertifikates CKCCI ist somit längst nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Inspiriert durch die Trockenheit in Brasilien, dem mit Abstand grösster Kaffee-Exporteuer der Welt, haben Grossverbraucher wie Kraft Foods oder Dunkin Brands Group Anfang Juni die Preise für koffeinhaltige Heissgetränke um bis zu 10% erhöht. Derartige News könnten spekulative Naturen zusätzlich in die Kaffee-Futures locken und den bestehenden Preisauftrieb verstärken.
«Netto-Shortpositionen der kommerziellen Marktteilnehmer in Silber sind so niedrig wie zuletzt vor einem Jahr.»
Contrarians kaufen günstig
Auf den ersten Blick scheint die letzte Empfehlung SILVQ zu sein. Silber befindet sich seit Ende April 2011 im Abwärtstrend. Das Edelmetall zählte auch 2014 zu den Enttäuschungen. Für Anleger, die gerne gegen den Trend agieren, scheint inzwischen jedoch die Zeit gekommen, um Positionen aufzubauen. Impulse könnten von einer allfälligen Eintrübung der globalen Konjunktur kommen, was vermutlich Gegenmassnahmen vonseiten der Notenbanken auslösen würde (Zinssenkungen in China, Aufkäufe von Wertpapieren durch die EZB sowie ein Pausieren der Anleihen-Rückkäufe durch die US). Preistreibende Auswirkungen hätte auch eine Konfliktverschärfung zwischen den westlichen Staaten und Russland. Ferner erreicht Silber, saisonal betrachtet, Ende Juni in der Regel den Jahres-Tiefpunkt. Last but not least ist die aktuelle Netto-Shortposition der kommerziellen Marktteilnehmer an der bekannten US-Futuresbörse COMEX so niedrig wie zuletzt vor einem Jahr. Solche Niveaus waren in der Vergangenheit jeweils günstige Kaufgelegenheiten. Ähnlich der Faszination des Schachspiels, wo man in jeder Partie etwas Grossartiges schaffen kann, liegt es jetzt an jedem selbst, smarte Züge für die nächsten Monate vorzubereiten.
Kurz erklärt: Aussichtsreiches Rohstoff-Trio
Nickel: Das «edelste Industriemetall»
Nickel ist ein bedeutendes Legierungsmetall, das hauptsächlich zur Stahlveredelung verwendet wird. Die wichtigsten Vorkommen finden sich in Kanada (Sudbury-Becken), Neukaledonien, Russland (Norilsk und Halbinsel Kola), Australien und Kuba.Die grössten Minen widerum sind auf den Philippinen, Indonesien und in Russland beheimatet. Der Nickelverbrauch nimmt wegen der jährlich stark steigenden Stahlproduktion in China überproportional zu. Nickel wird an der London Metal Exchange (LME) in US-Dollar je Tonne gehandelt, wobei ein Kontrakt 25’000 Tonnen umfasst.
Kaffee: Genussmittel mit Preisphantasie
Kaffee wird heute in über 50 Ländern weltweit angebaut. Die beiden wichtigsten Arten der Kaffeepflanze sind Arabica und Robusta mit vielen Sorten/Varietäten. Insgesamt wurden 2013 weltweit 8,74 Mio. Tonnen Rohkaffee oder 145‘717 Säcke à 60 Kilogramm geerntet. Ein Drittel der Welternte kommt aus Brasilien, rund 15% aus Vietnam. Der Rohstoff reagiert mitunter am volatilsten bei den Agrar-Rohstoffen auf Witterungsänderungen und Missernten.
Silber: Geliebt, gehasst, geshortet
Die wichtigsten Silbervorkommen befinden sich in Nordamerika (Mexiko, USA und Kanada) und in Südamerika (Peru, Bolivien). Das meiste Silber wird aus Silbererzen gewonnen, die oft zusammen mit Blei-, Kupfer- und Zinkerzen als Sulfide oder Oxide vorkommen. Silber gilt nebst Gold von alters her als wertstabiles Zahlungsmittel. Seit der Finanzkrise 2008 ist die Investitionsnachfrage kräftig gestiegen, während die industrielle Nachfrage mehr oder weniger konstant blieb.