Konjunkturlokomotive Deutschland legt Pause ein
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Wiesbaden – Der Reigen schwacher Konjunkturdaten aus Deutschland setzt sich fort: Nach enttäuschenden Zahlen vom Einzelhandel und aus der Industrie präsentiert sich auch der Aussenhandel im Mai von seiner schwachen Seite. Analysten zeigen sich vor allem wegen stark rückläufiger Einfuhren besorgt, weil sie auf einen verhaltenen Konsum hindeuten könnten. Viele Bankvolkswirte haben mittlerweile ihre Wachstumserwartungen für das zweite Quartal deutlich nach unten gesetzt. Die Dekabank schliesst sogar einen Rückgang der Wirtschaftsleistung nicht mehr aus. Es wäre der erste seit eineinhalb Jahren.
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts vom Dienstag gingen die Einfuhren im Mai zum Vormonat ungewöhnlich deutlich um 3,4 Prozent zurück. Es ist der stärkste Rückgang seit Ende 2012. Der Rücksetzer kam überraschend, Bankvolkswirte hatten mit einem leichten Anstieg gerechnet. Verglichen mit einem Jahr zuvor sanken die Einfuhren um 0,4 Prozent. Auch die Ausfuhren – einer der Wachstumspfeiler Deutschlands – enttäuschten mit einem Minus von 1,1 Prozent.
Konjunktur-Lokomotive legt eine Pause ein
Experte Christian Schulz von der Berenberg Bank relativierte die enttäuschenden Aussenhandelszahlen zwar mit dem Hinweis, dass sie auf robuste Daten im Vormonat folgten. Die schwachen Einfuhren könnten aber ein Zeichen sein, dass der Konsum von dem insgesamt schwachen Wachstum in Mitleidenschaft gezogen werde. Allerdings verwies Schulz auch auf die späte Lage des diesjährigen Osterfestes, das – wie auch bei anderen schwachen Daten – verzerrt haben könnte.
Dennoch sind sich viele Analysten einig, dass Deutschland als Konjunkturlokomotive für den Euroraum vorerst ausfallen dürfte. Das zweite Quartal entwickele sich zusehends zu einer «Riesenenttäuschung», heisst es bei der Dekabank. Sollten die Daten im Juni – dem letzten Monat des zweiten Quartals – nicht besser ausfallen, drohe ein Rückgang der Wirtschaftsleistung, warnt Experte Andreas Scheuerle. Ob nun Einzelhandelsumsätze, Industrieproduktion, Auftragseingänge oder Aussenhandel – die Konjunkturdaten für Mai waren durch die Bank schwach.
Keine anhaltende Flaute erwartet
Eine anhaltende Konjunkturflaute ist in den Augen vieler Ökonomen jedoch unwahrscheinlich. Denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gut, insbesondere für den privaten Konsum: Der deutsche Arbeitsmarkt brummt, die Tariflöhne steigen deutlich, die Inflation ist niedrig. Aussenwirtschaftlich stimmt die zusehends bessere Verfassung der weltgrössten Volkswirtschaft USA zuversichtlich, während sich in der zweitgrössten Wirtschaftsmacht China eine Stabilisierung abzeichnet. Als grösste Konjunkturrisiken gelten unter Bankvolkswirten die zahlreichen politischen Krisenherde sowie die schwache Konjunktur in vielen Schwellenländern. (awp/mc/pg)