Exporterholung verhalten, Konjunkturaussichten bleiben aber positiv
Bern – Das ansprechende Wachstumstempo der Schweizer Wirtschaft setzte sich auch im Frühjahr 2014 fort. Allerdings steht der robusten Konjunkturdynamik im Inland eine immer noch verhaltene Exportentwicklung gegenüber. Angesichts der eher holprigen Erholung der Weltkonjunktur lässt in der Schweiz die positive Export-Trendwende noch auf sich warten. Die Expertengruppe des Bundes geht nach wie vor davon aus, dass sich der Konjunkturaufschwung in der Schweiz bis 2015 festigen wird. Wegen der verzögerten Exportbelebung dürfte die konjunkturelle Verbesserung allerdings etwas langsamer vorankommen als dies noch im März erwartet wurde.
Für 2014 wird neu ein BIP-Wachstum von 2% (bisherige Prognose +2,2%) erwartet, das sich 2015 auf 2,6% (bisher 2,7%) beschleunigen dürfte. Angesichts des grundsätzlich positiven Konjunkturausblicks dürfte sich die Erholung am Arbeitsmarkt langsam verstärken und die Arbeitslosigkeit leicht sinken, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstag mitteilt.
Die Schweizer Wirtschaft konnte ihr im internationalen Vergleich relative robustes Wachstum auch im Frühjahr 2014 fortsetzen (BIP-Wachstum 1. Quartal +0,5% gegenüber dem Vorquartal). Allerdings ist das Konjunkturbild immer noch zweigeteilt zwischen einer guten Binnenkonjunktur auf der einen und verhaltenen Exporten auf der anderen Seite. In den vergangenen Jahren wurde das schweizerische BIP-Wachstum weitestgehend von der Inlandnachfrage (Konsum, Bauinvestitionen) getragen, während vom Aussenhandel (Handelsbilanzsaldo) praktisch keine positiven Impulse mehr kamen.
Breit abgestützte Exportbelebung lässt auf sich warten
Eine branchenmässig breit abgestützte Exportbelebung lässt bislang weiter auf sich warten. Sieht man von den kräftig zunehmenden Chemie/Pharma-Exporten ab, entwickelten sich andere wichtige Segmente wie etwa die Maschinen-, Elektro- und Metallexporte im bisherigen Jahresverlauf weiterhin nur bescheiden. Seit 2011 stagnieren die Warenexporte der Schweiz weitgehend. Zwar haben sich die Dienstleistungsexporte positiver entwickelt, wegen des anhaltenden Wachstums der Dienstleistungsimporte waren jedoch die Wachstumsbeiträge der Handelsbilanz mit Diensten in den letzten drei Jahren ebenfalls bescheiden.
Dass die Erholung in der Exportindustrie offenbar langsamer als erwartet in Gang kommt, könnte neben der holprigen Weltkonjunktur auch mit der nach wie vor schwierigen preislichen Konkurrenzposition der Schweizer Unternehmen zusammenhängen. So ist der Franken, trotz Euro-Untergrenze, gegenüber vielen Währungen immer noch eher hoch bewertet. Hinzu kommt die in vielen Ländern gesunkene Inflationstendenz, die es Schweizer Anbietern erschwert, die Frankenstärke durch geringere Preissteigerungen als im Ausland zu kompensieren. Der neuerliche Rückgang der Exportpreise in den jüngsten Quartalen könnte ein Indiz dafür sein, dass die Schweizer Exporteure immer noch mit einem erheblichen Preis- und Margendruck konfrontiert sind.
Festigung des Konjunkturaufschwungs bis 2015
Unter der Voraussetzung, dass sich die Erholung der Weltkonjunktur weiter festigt, ist im weiteren Jahresverlauf mit einem allmählich anziehenden Wachstum der Exporte aus der Schweiz zu rechnen. Die Expertengruppe des Bundes geht nach wie vor davon aus, dass sich der Konjunkturaufschwung in der Schweiz bis 2015 festigen wird. Wegen der verzögert einsetzenden Exportbelebung dürfte der konjunkturelle Aufschwung allerdings etwas langsamer vorankommen als dies noch im März erwartet wurde. Hierauf deuten auch die etwas weniger optimistischen Umfrageindikatoren der jüngsten Zeit hin (z.B. Einkaufsmanagerindex und KOF-Barometer). Entsprechend wurde die Konjunkturprognose leicht nach unten revidiert: Für 2014 wird neu ein BIP-Wachstum von 2% (bisherige Prognose +2,2%) erwartet, das sich 2015 auf 2,6% (bisher 2,7%) beschleunigen dürfte.
Weiterhin kann mit positiven Konjunkturimpulsen aus dem Inland gerechnet werden. Die Bauinvestitionen profitieren weiterhin vom Tiefzinsumfeld und dem Bevölkerungswachstum. Allerdings könnten allmählich Bremsfaktoren wie nachlassende Impulse vom öffentlichen Tiefbau, Begrenzungen bei Zweitwohnungen sowie womöglich eine höhere Planungsunsicherheit nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative eine verlangsamende Wirkung auf die Bauwirtschaft entfalten. Der private Konsum dürfte wohl angesichts steigender Beschäftigung und Einkommen eine solide Konjunkturstütze bleiben, allerdings weniger dynamisch als in den letzten Jahren. Mit sich aufhellenden Exportaussichten und besser ausgelasteten Kapazitäten dürften auch die bislang schwachen Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen eine deutliche Belebung erfahren.
Auch die Verbesserung der Arbeitsmarktlage verläuft bislang eher schleppend. Die (saisonbereinigte) Arbeitslosenzahl ging in den ersten fünf Monaten dieses Jahres minim zurück, wobei die Arbeitslosenquote bislang noch auf 3,2% verharrte. Angesichts des grundsätzlich positiven Konjunkturausblicks dürfte sich die Erholung am Arbeitsmarkt langsam verstärken. Daher wird ein Rückgang der Arbeitslosenquote von 3,2% 2013 auf 3,1% 2014 und 2,8% 2015 prognostiziert (unveränderte Prognosen).
Internationale Konjunktur: Erholung setzt sich fort
Die weltwirtschaftliche Erholung schreitet voran, verläuft allerdings immer noch holprig. Insbesondere im Euroraum verbessert sich die Wirtschaftslage erwartungsgemäss nur zögerlich. Ein Aufschwung auf breiter Front, der auch auf die gebeutelten Arbeitsmärkte durchschlägt, ist dort nach wie vor nicht in Sicht. Das Konjunkturgefälle zwischen den Ländern bleibt gross. Namentlich in Deutschland und einigen nordeuropäischen Ländern ist das Wachstum robust und erhält zusätzlichen Rückenwind durch die expansive Geldpolitik der EZB. Von einer vergleichbaren Dynamik sind die südlichen Euroländer, aber auch Frankreich, weit entfernt. In den südlichen Peripherieländern hat die ungünstige Konstellation aus schwachem Wachstum, hoher Arbeitslosigkeit und angeschlagenen Banken sogar vermehrt Deflationssorgen geweckt, zu deren Bekämpfung die EZB anfangs Juni nochmals ihre Geldpolitik lockerte. Insgesamt dürfte sich die langsame Konjunkturerholung im Euroraum 2014 und 2015 fortsetzen (erwartetes BIP-Wachstum 2014 +1%, 2015 +1,5%).
Weitgehend gefestigt erscheint demgegenüber die Konjunkturerholung in den USA. Der Wachstumsdämpfer im 1. Quartal war hauptsächlich witterungsbedingt (temporäre Produktionsausfälle durch den strengen Winter anfangs Jahr) und markiert wohl nur einen kurzen Zwischenstopp im Aufschwung. Die weiterhin expansive Geldpolitik und das Abebben der Fiskalkonsolidierung dürften dazu beitragen, dass sich das BIP-Wachstum in den USA zusehends beschleunigen wird (auf über 3% 2015).
In vielen Schwellenländern wird die Wirtschaftsentwicklung seit längerem durch ein weniger günstiges Finanzmarktumfeld (vermehrte Kapitalabflüsse, höhere Zinsen) belastet, und ihre Wachstumsaussichten bleiben vorerst relativ verhalten. In Osteuropa kommt der Konflikt Russland/Ukraine erschwerend hinzu, der für Verunsicherung sorgt und die Konjunktur in Russland spürbar belastet. In China ist die Regierung bestrebt, das überbordende Kreditwachstum der letzten Jahre zu bremsen, das zu vermehrten Fehlinvestitionen und Ausfallrisiken für den Bankensektor geführt hat. Dies dämpft kurzfristig die Konjunktur, kann aber im Erfolgsfall zu einem nachhaltigeren Wachstum beitragen.
Risikofaktor Finanzsystem im Euroraum
Auch wenn die Weltwirtschaft auf moderatem Erholungskurs ist, belasten weiterhin erhebliche Risiken den Ausblick. Insbesondere das fragile Finanzsystem im Euroraum bleibt im Fokus. Viele Banken in den Peripherieländern sind mit der Bereinigung ihrer Bilanzen beschäftigt und entsprechend zurückhaltend bei der Kreditvergabe an die Unternehmen, wodurch in diesen Ländern die wirtschaftliche Genesung erschwert wird und die potenzielle Deflationsgefahr wächst. Ob die anfangs Juni erfolgte nochmalige geldpolitische Lockerung der EZB die Kreditvergabe der Banken anzukurbeln vermag, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob der im Herbst anstehende Banken-Stresstest in der EU das Vertrauen in die Finanzinstitute erhöhen wird oder im Gegenteil neue Verunsicherung an den Finanzmärkten auslöst (z.B. im Fall schlechter Resultate des Stresstests). Weitere weltwirtschaftliche Risiken betreffen den graduellen Ausstieg der USA aus der expansiven Geldpolitik («Tapering») mit unsicheren Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte und die Schwellenländer im Besonderen sowie die unsicheren Wachstumsaussichten Chinas.
Neben diesen globalen Konjunkturrisiken für die Schweiz bleibt im Inland das Risiko von Übertreibungen und Ungleichgewichten am Immobilienmarkt angesichts des auf absehbare Zeit anhaltenden Tiefzinsumfelds. Ausserdem stellt die zukünftige Ausgestaltung der Beziehungen mit der EU, nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative, einen Unsicherheitsfaktor dar, der das Investitionsverhalten und somit die mittelfristigen Wachstumsperspektiven beeinträchtigen könnte. (Seco/mc/ps)