Karrer hält nichts von Alleingang der Schweiz
Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer. (Foto: Economiesuisse)
Zürich – Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer hält nichts von einem Alleingang der Schweiz nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative. «Eine Distanzierung von der EU würde sich extrem nachteilig für die Schweiz auswirken», sagte der Präsident des Wirtschaftsdachverbandes in einem Referat bei der Handelskammer Deutschland-Schweiz.
Die Wirtschaftszahlen würden deutlich zeigen, dass die Schweiz bisher vom biateralen Weg mit der EU enorm profitiert habe, so Karrer weiter. 56% der Schweizer Exporte gingen in die EU, 75% der Schweizer Importe stammten aus der EU. «Wir haben eine Million Grenzübertritte jeden Tag. Bayern hat für uns die Bedeutung wie Amerika und Japan, Baden-Württemberg wie Amerika», sagte Karrer.
Der Binnenmarkt der EU sei aber nicht nur wirtschaftlich enorm wichtig für die Schweiz, so Karrer weiter: «Die EU hat für uns schon geographisch, kulturell und geschichtlich eine ganz andere Bedeutung als Asien oder Amerika.»
Stärkung des bilateralen Weges
Karrer sprach sich des Weiteren für eine Stärkung des bilateralen Wegs der Schweiz aus. «Das Ritzen an der Personenfreizügigkeit erschwert diesen Weg», so der Economiesuisse-Präsident. Besonders die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar habe das Verhältnis getrübt. Es stelle sich die Frage, ob man eine Brücke zur EU bauen kann, indem man zum beispielsweise mit Ventilklauseln oder Schutzklauseln eine Lösung findet, zu der auch die EU ja sagen könnte.
MEI konsequent und adäquat umsetzen
Jetzt gehe es aber vorerst darum, die Masseneinwanderungsinitiative konsequent und adäquat umzusetzen. Adäquat heisse, im Interesse der Gesamtwirtschaft und der Regionen der Schweiz. «Wir sind für eine Aufnahme von Gesprächen mit der EU über alle Themen. Das gegenseitige Interesse, um Lösungen zu suchen und zu finden, ist sehr hoch», sagte Karrer. Er befürwortete die jüngst begonnen Verhandlungen der Schweiz über ein Rahmenabkommen mit der EU.
Wirtschaftsführer sollen sich wieder vermehrt gesellschaftlich engagieren
Bezüglich dem Inland möchte der Economiesuisse-Präsident die Wirtschaftsführer wieder vermehrt für ein gesellschaftliches Engagement verpflichten: «Das Vertrauen der Bevölkerung in Institutionen und die sogenannte Wirtschaftselite hat klar abgenommen. Es gibt einen Graben zwischen der Wirtschaft und Gesellschaft, der geschlossen werden muss». Karrer appellierte an die Wirtschaftsführer, sich in Zukunft gezielt für den Dialog mit der Bevölkerung respektive der Gesellschaft zu engagieren und sich dafür auch Zeit zu nehmen.
Handelskammer-Präsident Sarasin wegen Personenfreizügigkeit besorgt
Der Präsident der Handelskammer Deutschland-Schweiz, Eric Sarasin, erklärte zur Annahme der Masseneinwanderungsinitiative: «Ich bin sehr besorgt über das Abstimmungsergebnis vom 9. Februar. Es steht die Gefahr der Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU und damit der gesamten bilateralen Abkommen 1 im Raum.»
Grosse Verunsicherung bei den Unternehmen
Im Kontakt mit den Unternehmen spüre die Handelskammer, dass die Verunsicherung bei deutschen und schweizerischen Firmen gross sei, welche Regeln und welches Integrationsniveau zwischen der Schweiz und der EU zu erwarten seien. Es gebe vor allem Befürchtungen, den zunehmenden Fachkräftemangel nicht mehr decken zu können. Die Rekrutierungsmöglichkeit im Ausland war bisher einer der grossen Standortvorteile der Schweiz gewesen, gab sich Sarasin überzeugt.
«Es steht viel auf dem Spiel, sowohl für Deutschland als auch die Schweiz», sagte Sarasin weiter. Hier würden zwei der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Welt tagtäglich eng zusammenarbeiten. «Der ungehinderte gegenseitige Zugang zu den Märkten sowie der reibungslose Austausch von Gütern, Arbeitskräften und Kapital muss auch in Zukunft unbedingt gesichert bleiben, wenn wir diese Positionen halten wollen.»
Es bleibe zu hoffen, dass bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative eine wirtschaftsfreundliche Lösung für beide Seiten, die Schweiz und die EU, gefunden werde. «Es ist im Interesse beider Seiten, nicht auf das Integrationsniveau von 1999 zurückzukehren», sagte Sarasin. Damals seien die Volkswirtschaften der Schweiz und Deutschlands noch viel weniger eng verflochten gewesen. (awp/mc/pg)