NSA nutzte «Heartbleed»-Lücke offenbar schon lange aus
New York – Der US-Geheimdienst NSA hat die jüngst öffentlich gewordene schwerwiegende Sicherheitslücke im Internet Kreisen zufolge seit langem systematisch ausgenutzt. Diese Schwachstelle in der Verschlüsselungssoftware OpenSSL sei dem US-Geheimdienst seit «mindestens zwei Jahren» bekannt gewesen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag unter Berufung auf zwei informierte Personen. Dies würde bedeuten, dass die Lücke der NSA praktisch von Beginn an offenstand.
Die erst diese Woche öffentlich gewordene Schwachstelle, die auf den Namen «Heartbleed» getauft wurde, sorgt dafür, dass Angreifer die Verschlüsselung aushebeln und die Schlüssel sowie die vermeintlich geschützten Daten abgreifen können. Da OpenSSL als Verschlüsselungs-Programm weit verbreitet ist, waren mehrere hunderttausend Websites betroffen. Mit Diensten der Internet-Giganten Yahoo und Google geht es um potenziell Hunderte Millionen Nutzer, die zu möglichen Angriffszielen wurden.
Die Lücke geht auf einen deutschen Programmierer zurück, der beteuert, es sei ein ungewolltes Versehen gewesen. Er habe beim Verbessern einer Funktion von OpenSSL schlicht ein Element vergessen. Der deutsche Programmierer studierte damals noch an einer Fachhochschule, inzwischen arbeitet er für T-Systems.
Grundelement des NSA-«Werkzeugkastens»
Die NSA habe die Schwachstelle kurz nach Auftauchen des fehlerhaften Software-Codes entdeckt, hiess es jetzt. Die Lücke sei dann zu einem Grundelement des «Werkzeugkastens» des Abhör-Dienstes geworden – zum Beispiel, um Passwörter zu stehlen. Angriffe über die Schwachstelle hinterlassen keine Spuren auf dem Server.
Schon nach Auftauchen des Problems war spekuliert worden, der US-Geheimdienst NSA könnte seine Finger im Spiel gehabt haben. Seit Monaten ist bekannt, dass die NSA die Verschlüsselung im Internet massiv ins Visier genommen hatte. Sie forschte aktiv nach Schwachstellen und versuchte auch, Schwachstellen einzuschleusen und Verschlüsselungs-Algorithmen aufzuweichen. Wenn der Geheimdienst die Lücke kannte und nichts gegen unternahm, hat er damit Hunderte Millionen Nutzer schutzlos gegen mögliche Angriffe von Online-Kriminellen dastehen lassen.
OpenSSL ist ein sogenanntes Open-Source-Projekt, bei dem jeder den Software-Code einsehen und weiterentwickeln kann. Die Programmierer arbeiten unentgeltlich daran. Die Änderungen werden dokumentiert, damit konnte auch der Verantwortliche schnell ausfindig gemacht werden.
Die SSL-Verschlüsselung wird von einer Vielzahl von Webseiten, E-Mail-Diensten und Chat-Programmen genutzt. OpenSSL ist einer der Baukästen des Sicherheitsprotokolls. Die Schwachstelle findet sich in einer Funktion, die im Hintergrund läuft. Sie schickt bei einer verschlüsselten Verbindung regelmässig Daten hin und her, um sicherzugehen, dass beide Seiten noch online sind. Da der deutsche Programmierer eine sogenannte Längenprüfung vergessen hatte, konnten bei eigentlich harmlosen Verbindungs-Abfragen zusätzliche Informationen aus dem Speicher abgerufen werden. Die Funktion heisst «Heartbeat», Herzschlag. Die Schwachstelle wurde in Anlehnung daran «Heartbleed» genannt. (awp/mc/ps)