Scania empfiehlt Aktionären Ablehnung des VW-Übernahmeangebots
Scania-Verwaltungsrat und VW-Patriarch Ferdinand Piëch.
Stockholm – Der schwedische Lkw-Hersteller Scania stellt sich wie erwartet gegen die Übernahmeofferte seiner Konzernmutter Volkswagen. Der unabhängige Teil des Scania-Verwaltungsrates, in dem auch VW-Vorstände und VW-Patriarch Ferdinand Piëch sitzen, empfahl den Aktionären am Dienstag, das Angebot aus Wolfsburg auszuschlagen. Es sei trotz üppigen Aufschlags zu schlecht, Scania sei mehr wert, teilte das Unternehmen mit. Der Spezialist für Luxuslaster will nun sogar seine Quartalszahlen vorziehen, um noch in der laufenden Phase des Übernahmeangebots aus Wolfsburg seine Zugkraft zu demonstrieren.
Die ablehnende Haltung hatte sich bereits Ende Februar angebahnt, nachdem der VW-Konzern bekanntgegeben hatte, die restlichen Anteile an der schwedischen Lkw-Tochter für fast sieben Milliarden Euro einsammeln zu wollen. So möchte Volkswagen in den Besitz von mehr als 90 Prozent der Aktiengesamtzahl gelangen und plant, Scania am Ende von der Börse zu nehmen. VW ist bereits seit 2000 an Scania beteiligt und hält direkt und indirekt insgesamt 89,2 Prozent der Stimmrechte und 62,6 Prozent des Kapitals an dem Nutzfahrzeugunternehmen. VW will mit der Komplettübernahme den ungestörten Zugriff auf Scania, um seine schleppende Nutzfahrzeugallianz im Konzern voranzubringen.
Scania-VR sieht langfristigen Wert nicht widerspiegelt
Der Scania-Verwaltungsrat – eine Art Mischform aus Vorstandsetage und Aufsichtsratskontrolleuren – hält die Offerte für zu gering, obwohl die Wolfsburger gut 50 Prozent Aufschlag auf den Durchschnittskurs der Papiere einpreisen. Scania teilte am Dienstag mit: «Mit Blick auf die langfristigen Aussichten für Scania, die Wachstumsperspektiven, technologische Exzellenz und das Synergiepotenzial, ist das Komitee der Überzeugung, dass das Angebot den langfristigen elementaren Wert von Scania nicht widerspiegelt (…) und empfiehlt den Scania-Aktionären daher, ihre Anteile VW nicht anzudienen.»
Die Wolfsburger erklärten umgehend, sie teilten die Einschätzung der Schweden «ausdrücklich nicht». Es handele sich um «eine sehr attraktive und ausgewogene Offerte». Der Konzern schrieb weiter: «Wir sind daher ungeachtet der Stellungnahme des Komitees zuversichtlich, dass unser Angebot erfolgreich sein wird.»
Analysten nicht überrascht
NordLB-Analyst Frank Schwope ist von der Entwicklung kaum überrascht. «Das ist die übliche Rhetorik», sagte der Branchenkenner. Angebote erst einmal selbstbewusst als zu niedrig einzuordnen, sei ein gängiger Reflex – auch, um möglichen Klagen von Aktionärsseite vorzubeugen. Schwope geht davon aus, dass die Mehrheit der Aktionäre die Offerte aus Wolfsburg trotzdem kaum ausschlagen dürfte. Der Aufschlag von gut 50 Prozent auf den jüngsten Durchschnittskurs sei verlockend.
Einen eigenen Preisvorschlag machte das Scania-Gremium nicht. Es sagte dem Konzern aber eine rosige Zukunft voraus, weil die Nachfrage nach Lastwagen sowohl in Europa als auch in Wachstumsregionen wie Südamerika oder Asien demnächst kräftig anziehen dürfe. Diese guten Perspektiven würdige das VW-Angebot nicht ausreichend.
Gerade der europäische Lkw-Markt lag zuletzt ziemlich am Boden. In der Wirtschaftsflaute scheuten viele Spediteure teure Investitionen in neue Lastwagen. Allerdings rechnen alle Hersteller damit, dass die Speditionen ihre alternden Flotten früher oder später austauschen müssen. Dann dürfte der Markt wieder spürbar anziehen.
Q1-Zahlen werden früher als geplant veröffentlicht
Damit die Scania-Aktionäre eine bessere Entscheidungsgrundlage haben, wird der Konzern seine Geschäftszahlen für das erste Quartal früher als geplant vorlegen: Bereits am 11. April – zum ursprünglichen Termin am 25. April läuft die Frist für das VW-Angebot aus.
VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch hatte das Angebot vorige Woche bei der Bilanz-Vorlage als «sehr gut» bezeichnet. Er sei «guter Dinge», dass VW die angepeilte Marke von 90 Prozent des Scania-Kapitals erreiche.
Die stimmrechtslosen VW-Vorzugsaktien fielen am Dienstagvormittag in einem schwächeren Gesamtmarkt zunächst um rund 1 Prozent, berappelten sich aber gegen Mittag wieder und strebten ins Plus. Die Scania-Papiere büssten zeitweise fast 3 Prozent ein auf 190,20 Kronen. Vor der VW-Offerte im Februar hatten sie keine 150 Kronen gekostet. (awp/mc/ps)