Krim zieht Referendum trotz Protest durch
Putin verteidigt sein Vorgehen. (© Host Photo Agency/g20russia.ru)
Simferopol – Vor der entscheidenden Woche im Kampf um die Krim gibt die moskautreue Führung der Halbinsel den Ton vor. «Wir werden ein Teil Russlands – da wisst ihr, wie ihr abzustimmen habt», ruft Wladimir Konstantinow, der Chef des Regionalparlaments, voller Selbstbewusstsein bei einer prorussischen Demonstranten in der Hauptstadt Simferopol. «Putin, Putin», klingt es aus Tausenden Kehlen zurück. Viele hier wünschen sich den russischen Präsidenten Wladimir Putin als ihr Staatsoberhaupt. Russland-Fahnen knattern im Wind.
Im Rekordtempo und völlig unbeeindruckt von internationalen Protesten treibt die selbst ernannte neue Führung der Halbinsel ein Referendum über den Beitritt zu Russland voran. Ursprünglich für den 25. Mai geplant, wurde es rasch auf Ende März vorverlegt, dann sogar auf den 16. März. Das solle «Provokationen» ukrainischer Nationalisten verhindern, erklären die Machthaber nebulös.
Putin verteidigt sein Vorgehen
In einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem britischen Regierungschef David Cameron verteidigt Putin das Vorgehen. Die «legitime» Führung der Krim handele in Übereinstimmung mit internationalem Recht. Russland betont, lediglich seine Bürger schützen zu wollen vor «Extremisten» und «Radikalen», die an der neuen Regierung in der Hauptstadt Kiew beteiligt seien. Übergriffe auf ethnische Russen sind bislang nicht bekanntgeworden.
Kritik: Abgeordnete unter Druck
Das Parlament in Simferopol hat bereits für die Vereinigung mit Russland gestimmt. Einzelheiten der Sitzung sind kaum bekannt. «Das ist wie bei der Papstwahl – nur ohne Rauch», stellt der junge Internet-Unternehmer Dmitri zynisch fest. Die Abgeordneten hätten unter massivem Druck gestanden, meinen Kritiker. Bewaffnete sollen sich im Parlament aufhalten. Kosaken patrouillieren – und setzen gegen proukrainische Demonstranten auch schon mal ihre Peitschen ein.
Von einer Abstimmung im Sowjetstil ist bereits die Rede. Beim Referendum sollen die Bewohner entscheiden, ob sie einen Anschluss an Russland wünschen oder eine Unabhängigkeit. Es gibt jeweils ein Ja-Feld. «»Nein» ist keine Option», schreibt Katja Gortschinskaja, Chefredakteurin der Zeitung «The Kyiv Post». Zudem ist keine Möglichkeit vorgesehen, den Status quo zu bewahren. Juristen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew halten die Befragung für verfassungswidrig. «Das ist eine Farce», schimpft der prowestliche Übergangspräsident Alexander Turtschinow. Er hat die Unterstützung von EU und USA.
Keine internationalen Beobachter
Michail Malyschew lässt sich davon nicht beeindrucken. Der «Wahlleiter» des Referendums strotzt vor Selbstbewusstsein, als er die Fakten der Befragung aufzählt. Die mehr als 1200 Wahlbüros auf der Halbinsel würden alle Unterlagen für die knapp zwei Millionen Stimmberechtigten bereits drei Tage vor dem Termin erhalten. Fälschungen schliesst er aus. «Darauf werden internationale Wahlbeobachter achten, allerdings haben wir bisher nur Zusagen aus Russland», sagt Malyschew.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schliesst ebenso wie die EU eine Entsendung von Beobachtern aus. Erwünscht scheinen sie ohnehin nicht. So haben Bewaffnete an den Übergängen zur Krim Dutzenden OSZE-Militärbeobachtern die Einreise verwehrt – auch mit Warnschüssen. Massiven Manipulationen sei so Tür und Tor geöffnet, meinen Experten. Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew nennt sogar ein Wunschergebnis. «70 Prozent oder mehr» würden für den Beitritt zu Russland stimmen, betont er.
Krimtataren wollen Befragung boykottieren
Die wichtige Minderheit der Krimtataren aber hat bereits einen Boykott der Befragung angekündigt. «Wie kann man innerhalb von zehn Tagen ein Referendum vorbereiten? Es ist die Imitation eines Referendums, dessen Ergebnis vorhersehbar ist», sagt der Vorsitzende des Tataren-Rates Medschlis, Refat Tschubarow. Er erwartet eine Beteiligung von höchstens 35 Prozent.
Mit offenen Armen aber will nicht jeder in Russland die neuen Landsleute empfangen. Kremlkritiker warnen vor allem vor riesigen Kosten. Die Einbindung der Krim werde Moskau doppelt so viel kosten wie der Wiederaufbau des einstigen Kriegsgebietes Tschetschenien, schreibt Ex-Vizeregierungschef Boris Nemzow bei Facebook. So müssten etwa die Renten von Hunderttausenden Pensionären im Ferienparadies Krim mit einem Schlag verdoppelt werden. (awp/mc/pg)