Gesundheit: Neun Impfstoffe sind knapp oder gar nicht lieferbar
Bern – In der Schweiz sind derzeit neun Impfstoffe knapp oder gar nicht lieferbar. Engpässe gibt es etwa bei der Impfung gegen die sogenannten «Wilden Blattern», aber auch bei der Impfung gegen Kinderlähmung (Polio), Keuchhusten, Gelbfieber und Tollwut.
«Betroffen sind fünf Kinderimpfstoffe und vier Impfstoffe der Reisemedizin», bestätigt Christoph Hatz, Chefarzt des Schweizerischen Tropen- und Public-Health Instituts in Basel und Leiter des Zentrums für Reisemedizin an der Universität Zürich, einen Bericht der «NZZ am Sonntag».
Eine gesundheitliche Gefährdung gebe es aber für niemanden, betont Hatz. «Alle, die derzeit dringend eine Impfung brauchen, bekommen diese auch.»
Kein Einzelimpfstoff gegen Kinderlähmung
Ein Problem sieht Hatz bei der Impfung gegen Kinderlähmung. Hier sei der Einzelimpfstoff seit einigen Wochen kaum mehr verfügbar. Grund zur Panik gebe es aber nicht. Denn Lieferengpässe gebe es nur bei der Monoimpfung. In dringenden Fällen könne man auf eine Kombiimpfung ausweichen.
Ab Februar soll zudem laut Herstellern auch der Monoimpfstoff wieder verfügbar sein. «Da die Grundimpfungsrate gegen Kinderlähmung in der Schweiz bei hohen 95 Prozent liegt, können die allermeisten Personen mit der Auffrischimpfung so lange warten», sagt Hatz.
Selbst wenn, wie befürchtet, syrische Flüchtlinge die in der Schweiz ausgerottete Kinderlähmung wieder einführen sollten, «fänden wir Lösungen», sagte Hatz. In einem solchen Notfall könnten die entsprechenden Impfstoffe kurzfristig im Ausland beschafft werden.
Reisemedizin: Indikationen verschärft
In der Reisemedizin habe man «die Indikationen für eine Impfung vorübergehend verschärft, allerdings ohne medizinische Risiken einzugehen». Dort, wo die Impfstoffe knapp sind, sollten sich also derzeit nur jene impfen lassen, die demnächst einem Risiko ausgesetzt sind.
«Wer sich gegen Gelbfieber schützen will, aber erst in einem Jahr auf Reisen geht, muss sich gedulden», sagt Hatz. Aber auch hier gelte: Für dringende Fälle gebe es genügend Impfstoff.
Markt für Hersteller nicht interessant
Hatz nennt mehrere Gründe für die Lieferengpässe von Impfstoffen. Erstens sei der Schweizer Markt klein und die Margen für die Hersteller gering. «Folglich ist es für die Hersteller interessanter, in andere europäische Länder oder in die USA zu liefern.»
Zweitens werden die Qualitätskontrollen für Impfstoffe von den Herstellern selbst strenger gehandhabt als früher. Dies führe teils zu Verzögerungen. Werde eine Lieferung von mehreren 10’000 Impfdosen wegen eines kleinen Zweifels im Qualitätssicherungsnachweis nicht freigegeben, komme es zu Engpässen.
Drittens werde der Import von Impfstoffen aus dem Ausland durch Bestimmungen der Zulassungsstelle Swissmedic erschwert. So könne etwa ein Impfstoff gegen Hepatitis aus einem europäischen Land in der Schweiz nicht verwendet werden, weil die Packungsbeilage nicht den hiesigen Vorschriften entspreche.
Einfachere Prozedere gefordert
Die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) rät deshalb dem Bund, vor allem beim Import von Impfstoffen die Prozesse zu vereinfachen. Diskutiert wird in Fachkreisen derzeit auch die Schaffung eines «Impfstoffdepots». Ein Grundstock von Impfungen für drei Monate soll in der Schweiz somit immer verfügbar sein. (awp/mc/ps)