US-Haushaltsdrama wird zum Eiertanz

US-Haushaltsdrama wird zum Eiertanz

John Boehner, republikanischer Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus.

Washington – Es wird langsam eng, und deshalb rücken die Akteure im amerikanischen Haushaltsdrama näher zusammen. Sie wollen eine Staatspleite abwenden. Diese droht, wenn bis zum 17. Oktober die Schuldenobergrenze nicht angehoben wird. Doch was Demokraten und Republikaner in Washington über alle ideologischen Gräben zueinander treibt, ist vor allem auch eins: Angst um das eigene Gesicht.

Weder Präsident Barack Obama noch die oppositionellen Republikaner können anders, als noch vor dem magischen Datum zu handeln, meinen Wirtschaftsexperten. Sonst würden sie Opfer der eigenen Taktik. «Das ist ein ideologischer Bumerang», sagt auch der Meinungsforscher Bill McInturff. Er blickt dabei auf die Republikaner. Nach einer aktuellen Umfrage zahlen sie die Zeche für den von ihnen entfesselten Budgetstreit. Aus der Erhebung, die der Fernsehsender NBC und das konservative «Wall Street Journal» am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlichten, geht die Partei «schwer beschädigt» hervor.

Republikaner als Schuldige empfunden
53 Prozent der befragten Amerikaner machen die Republikaner demnach für den Regierungsstillstand verantwortlich. Lediglich 31 Prozent gaben dafür Präsident Obama und seiner Partei die Schuld. Die Beliebtheitswerte der Konservativen inklusive ihres rechten Flügels, der Tea Party, sanken mit 24 beziehungsweise 21 Prozent auf ein Rekordtief der vergangenen Jahrzehnte. Doch auch Präsident Obama muss bei einem Kompromissangebot zugreifen, wenn er vermeiden will, dass der Bumerang ihn trifft. Obama hat keine andere Wahl, als den Vorschlag des republikanischen Sprechers im Abgeordnetenhaus, John Boehner, anzunehmen. Boehners Angebot enthält, was Obama immer verlangt hat. Ein Ja ohne Bedingungen. «Wenn ein klares Gesetz zum Schuldenlimit vorliegt, würde er es wahrscheinlich unterzeichnen», versprach der Sprecher des Weissen Hauses, Jay Carney, in dieser Woche. «Der Schlüssel ist: Sie würden nichts dafür bekommen.»

Obama will Gesicht nicht verlieren
Der Präsident habe aber bislang «weder Nein noch Ja gesagt», sagte der konservative Vorsitzende des Haushaltskomitees im Abgeordnetenhaus, Paul Ryan. Obama knüpft seine Zusage nach US-Medien offenbar an das Ziel, gleichzeitig den Haushaltsstreit zu lösen, um die seit knapp zwei Wochen lahmgelegte Regierung wieder in Gang zu bringen. Will er sein Gesicht nicht verlieren, darf er auch hier keine sichtbaren Konzessionen an die Republikaner machen.

Steuern als Hauptproblem
Eines der grössten Probleme bei der Lösung des Haushaltsstreit sind nach Einschätzung politischer Kommentatoren die Steuern. Hier sei der ideologische Graben zwischen beiden Parteien derart gross, dass sie nicht wirklich zusammenkommen könnten. Obama will die Steuereinnahmen erhöhen, indem beispielsweise Schlupflöcher gestopft und Ausnahmen beseitigt werden. Obama braucht mehr Einnahmen, um die Kosten für Sozialausgaben, allem voran die Gesundheitsreform, auszugleichen. Die Republikaner, mit ihrer Mehrheit im Abgeordnetenhaus, haben sich förmlich dagegen verschworen. Über Jahrzehnte leisteten ihre Abgeordneten und Senatoren dem Leiter der auf Anregung von Ronald Reagan gegründeten Lobby-Organisation «Americans for Tax Reform», Grover Norquist, einen regelrechten Eid, niemals für eine Steuererhöhung zu stimmen. Als Belohnung gab es Geld im Wahlkampf. Auch, wenn sich seit 2012 immer mehr führende Republikaner von diesem «Fahneneid» distanzieren, wie etwa der einflussreiche Abgeordnete Eric Cantor, hatten ihn noch vor der jüngsten Präsidentschaftswahl 238 der 242 Abgeordneten und 41 der 47 Senatoren der Republikaner abgelegt.

Jede Seite steckt tief in ihrer Ideologie
«Jede Seite ist derart ihren Ideen verhaftet und hat das Gefühl, es wäre korrupt, sie zu verraten – auch wenn das die Stillegung der Regierung oder die Zahlungsunfähigkeit bedeutet», so George Friedman, von der Denkfabrik Stratfor. Das Problem aus seiner Sicht: «Ideologie ist eine fordernde Geliebte, die keine anderen neben sich duldet.» (awp/mc/cs)

 

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