Europa unter Druck: Notenbanken kämpfen gegen steigende Zinsen

Europa unter Druck: Notenbanken kämpfen gegen steigende Zinsen
EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

Mario Draghi, Präsident EZB. (Bild: EZB)

Von Hannes Breustedt und Bernhard Funck, dpa-AFX

Frankfurt am Main – Europas oberste Währungshüter, EZB-Präsident Mario Draghi und der Chef der Bank of England, Mark Carney, haben ein gemeinsames Problem: Die US-Notenbank Fed. Mit ihrer Ankündigung, möglichst rasch weniger Geld in die Wirtschaft zu pumpen, treibt sie weltweit die Zinsen nach oben. Jahrelang ist die Liquiditätsschwemme, mit der die Fed gegen die wirtschaftliche Krise in den USA kämpfte, um die Welt geschwappt. Kredite für Staaten, Unternehmen und Haushalte wurden dadurch in vielen Ländern verbilligt. Doch nun droht das billige amerikanische Geld zu versiegen – und das bringt die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England in die Bredouille.

Denn obwohl beide Notenbanken den Finanzmärkten dauerhaft ultrabilliges Geld versprechen, steigen die Kreditkosten. Das droht die wirtschaftliche Erholung im Keim zu ersticken. EZB-Chef Draghi stellte am Donnerstag weitere geldpolitische Lockerungen in Aussicht, um dem Druck der Marktzinsen etwas entgegenzusetzen. «Das Problem ist – niemand hört zu», sagt Analyst Marchel Alexandrovich von der Investmentbank Jefferies.

Ausverkauf von Staatsanleihen
Hauptgrund: Die amerikanische Notenbank Fed will noch in diesem Jahr ihre milliardenschwere Geldflut etwas eindämmen. Mitte kommenden Jahres könnten die Wertpapierkäufe, mit denen die Fed die amerikanische Konjunktur stützt, sogar komplett eingestellt werden. Allein die Aussicht auf weniger Billiggeld aus den USA hat an den Finanzmärkten zu einem regelrechten Ausverkauf von Staatsanleihen geführt.

Konsequenz: Die Zinsen an den Kapitalmärkten schnellen in die Höhe. Die Zehnjährige deutsche Bundesanleihe wirft derzeit eine Rendite von etwas mehr als zwei Prozent ab. Das ist im langen Vergleich wenig – im Mai waren es aber noch 1,2 Prozent. Der Zins britischer Staatstitel liegt mittlerweile wieder über drei Prozent – verglichen mit 1,6 Prozent vor vier Monaten. Ähnlich heftig fällt die Entwicklung in den Vereinigten Staaten selbst aus.

«Eine Notenbank kann die langfristigen Zinsen nicht steuern»
Da hilft es auch nichts, dass Draghi und Carney dauerhaft niedrige Zinsen versprechen. Das kaufen die Märkte den beiden Notenbankern nicht ab. «Eine Notenbank kann die langfristigen Zinsen nicht steuern», erklärt Ökonom Dirk Gojny von der National-Bank. Tatsächlich legen Zentralbanken mit ihren Leitzinsen nur die Konditionen für kurzfristige Geldleihen an Geschäftsbanken fest – auf längere Sicht entscheiden die Erwartungen der Kapitalmärkte über die Finanzierungsbedingungen in einer Volkswirtschaft. Anleger scheinen die Billiggeld-Bekenntnisse der Notenbanker momentan beharrlich zu ignorieren. Nicht zuletzt, weil die jüngsten Wirtschaftsdaten im Euroraum und in Grossbritannien besser als erwartet ausfielen.

Am Ende wird allzu deutlich: Die Strategie der US-Notenbank, die amerikanische Wirtschaft bis zum Anschlag mit billigem Geld zu fluten, bringt nun – beim Ausstieg – gewaltige Probleme mit sich. Das macht nicht nur den USA selbst und Europa zu schaffen. Am härtesten trifft es die Schwellenländer, die unter massivem Kapitalabfluss leiden. Die globale Machtelite ist sich darüber bewusst, wie brenzlig die Lage ist. Beim G20-Gipfel in St. Petersburg forderten der Internationale Währungsfonds sowie führende Staats- und Regierungschefs einen abgestimmten Ausstieg der Top-Wirtschaftsmächte aus der lockeren Geldpolitik. (awp/mc/ps)

 

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