Bundesrat definiert rote Linien für Verhandlungen mit der EU
Bundesrat Didier Burkhalter, Vorsteher EDA. (Foto: admin.ch)
Bern – Der Bundesrat hat festgelegt, in welchem Rahmen er mit der EU über die künftige Organisationen der Beziehungen verhandeln will. Für Diskussionen dürfte die Rolle des Europäischen Gerichtshofes sorgen – und dass die neuen Regeln auch für bestehende Abkommen gelten sollen. Aussenminister Didier Burkhalter rechnet mit schwierigen Verhandlungen, wie er am Mittwoch vor den Medien in Bern sagte. Gleichzeitig gelte es, die Bevölkerung im Inland zu überzeugen. «Wir sehen aber keinen anderen Weg für die Schweiz.»
Burkhalter erinnerte daran, dass die EU eigentlich nichts mehr vom bilateralen Weg wissen wollte. Nun sei sie bereit, darüber zu diskutieren. Der bilaterale Weg müsse aber erneuert werden, der Status quo sei keine Option.
Vorschläge kamen schlecht an
Zu regeln gilt es, wie die Abkommen zum Marktzugang an die Entwicklung des EU-Rechts angepasst werden, wer die Auslegung der Abkommen überwacht und wer in Streitigkeiten entscheidet. Vor rund einem Jahr hatte der Bundesrat Vorschläge dazu vorgelegt, die in Brüssel nicht gut ankamen.
In der Folge führten die Schweiz und die EU Gespräche auf technischer Ebene, um die Möglichkeiten auszuloten. Auf dieser Basis hat die Regierung nun den Rahmen für die Verhandlungen abgesteckt.
Automatismus ausgeschlossen
Festgelegt hat der Bundesrat auf der einen Seite, was er nicht will: Er will nicht automatisch EU-Recht übernehmen, er will keine neue Überwachungsbehörde, und er will nicht, dass ein EU-Gericht die Schweiz bei Streitigkeiten über die Abkommen verurteilen kann. Klar ist für den Bundesrat beispielsweise auch, dass an den flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr nicht zu rütteln ist und dass die Unionsbürgerschaft für die Schweiz nicht in Frage kommt.
Auf der anderen Seite hat der Bundesrat jedoch Konzessionen gemacht. Neu akzeptiert er, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den bilateralen Beziehungen eine grössere Rolle spielen könnte: Die oberste gerichtliche Instanz der EU soll angefragt werden, wenn es zwischen der Schweiz und der EU Differenzen bei der Auslegung von EU-Recht gibt und der Gemischte Ausschuss keine Lösung findet.
Urteil nicht bindend
Entscheidet der Gerichtshof im Sinne der Schweiz, muss sich die EU danach richten. Entscheidet der Gerichtshof im Sinne der EU, soll es der Schweiz dagegen möglich bleiben, die Auslegung nicht zu akzeptieren. In diesem Fall würde der Bundesrat dem Parlament ein Gesetz vorlegen, um eine bestimmte Auslegung auszuschliessen, sagte Burkhalter. Es bestehe dann allerdings das Risiko, dass die EU das betreffende Abkommen suspendiere.
Ursprünglich hatte der Bundesrat andere Lösungen vorgeschlagen. Da die EU nur ihren Gerichtshof als Instanz zur Streitbeilegung akzeptiert, gab er diese aber auf. Ob der EU diese Rolle für den Gerichtshof genügt, werden die Verhandlungen zeigen.
Auch für bisherige Abkommen
Neben dem Mechanismus zur Streitbeilegung beinhaltet der Rahmen des Bundesrates einen zweiten heiklen Punkt, wie Burkhalter selbst feststellte: Die neuen institutionellen Regeln sollen auch für existierende Abkommen gelten, die den Marktzugang betreffen.
Um den Zugang von Schweizer Unternehmen auf den EU-Markt zu gewährleisten, gibt es aus Sicht des Bundesrates keine andere Lösung. Es gehe aber nicht darum, rückwirkend EU-Recht zu übernehmen, betonte der Aussenminister. Bei einer Anwendung der neuen institutionellen Lösungen auf bestehende Abkommen dürften weder der Anwendungsbereich noch die Ziele der Abkommen verändert werden.
Gleichzeitig Verhandlungen zu Abkommen
Bis im August soll Burkhalter nun entlang dieser Linien ein Verhandlungsmandat formulieren. Dieses wird den Kantonen, den Parlamentskommissionen und den Sozialpartnern vorgelegt. Der Bundesrat will indes die Verhandlungen zum Institutionellen nicht losgelöst von inhaltlichen Fragen angehen: Er will gleichzeitig über die diversen hängigen Abkommen verhandeln, darunter das Stromabkommen.
Ausserdem wolle der Bundesrat auf einen Parallelismus achten zwischen diesen Dossiers und den Fortschritten beim Dialog mit der EU zur Zinsbesteuerung und Unternehmensbesteuerung, schreibt das Aussendepartement (EDA).
Kohäsionszahlung als Lockmittel
«Im Licht der Fortschritte all dieser Verhandlungen» werde der Bundesrat über eine allfällige Erneuerung des Kohäsionsbeitrags zur Reduzierung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU entscheiden. Das Volk würde einen neuen Kohäsionsbeitrag «nicht verstehen», wenn die Verhandlungen zu den diversen Dossier blockiert seien, sagte Burkhalter.
Schliesslich möchte das EDA ein Gipfeltreffen organisieren, um die Verhandlungen zu verschiedenen Dossiers abzuschliessen, wie Burkhalter sagte. Dieses soll frühstens Ende 2013 stattfinden. Die neue Organisation der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sollen in einem institutionellen Abkommen verankert werden. (awp/mc/ps)