Bundesrat ebnet dem Informationsaustausch den Weg
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Der Bundesrat will, dass die Schweiz aktiv an der Entwicklung des OECD-Standards zum automatischen Informationsaustausch mitwirkt. Dies sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Freitag vor den Medien bei der Präsentation des Expertenberichts Brunetti.
Die Schweiz soll nach dem Willen des Bundesrates den neuen Standard auch übernehmen – aber erst, wenn andere dies auch getan haben: Wenn in der G20, der OECD und auf den wichtigsten Finanzplätzen der Standard anerkannt und eingeführt sei, wolle der Bundesrat eine Vorlage dazu ins Parlament bringen, sagte Widmer-Schlumpf.
Die Bundesratsmitglieder seien sich zwar einig darin, dass das Abgeltungssteuermodell das effizienteste und effektivste sei. Damit könne die Privatsphäre gewahrt und trotzdem Steuergerechtigkeit hergestellt werden. Aber die Diskussion gehe in eine andere Richtung. «Das muss man so zur Kenntnis nehmen», sagte Widmer-Schlumpf. Sie habe es selbst erlebt auf Konferenzen. Die Frage des automatischen Informationsaustauschs werde diskutiert, die OECD arbeite intensiv auf einen solchen Standard hin.
Analyse bis September
Mit dem Expertenbericht Brunetti hat sich der Bundesrat laut Widmer-Schlumpf noch nicht vertieft befasst. Er hat das Finanzdepartement beauftragt, den Bericht bis im September zu analysieren. Dann will er über die einzelnen Punkte eine vertiefte Diskussion führen. Widmer-Schlumpf tönte vor den Medien auch an, dass die Schweiz das Peer Review II des Global Forum der OECD im Herbst nicht bestehen dürfte. Es werde schwierig sein, eine der drei nötigen Voraussetzungen bis im Oktober zu erfüllen, stellte sie fest.
Diskutiert hat der Bundesrat ferner über die Europaratskonvention zur Amtshilfe, die von verschiedenen Staaten unterzeichnet wurde, darunter Singapur. Er werde dem Parlament einen Vorschlag dazu unterbreiten, sagte Widmer-Schlumpf.
Automatischer Informationsaustausch unvermeidbar
Vor Widmer-Schlumpfs Stellungnahme hatte der Leiter der Expertengruppe, Aymo Brunetti, den Bericht kurz präsentiert. Während der Arbeit der Expertengruppe habe sich die Ausgangslage laufend verändert, stellte er fest. Wenn der automatische Informationsaustausch schon unvermeidbar sei, sollte die Schweiz wenigstens aktiv am neuen Standard mitarbeiten und wenn möglich Gegenleistungen erhalten.
Der Ansatz der Abgeltungssteuer sei zwar klar überlegen. Leider sei die globale Akzeptanz dieses Ansatzes aber immer kleiner. Der automatische Informationsaustausch dürfte zum globalen Standard werden, darauf müsse sich die Schweiz einstellen. Um das inländische Bankgeheimnis gehe es nicht, hier sei die Schweiz relativ frei.
Nicht abwarten
Die Experten empfehlen dem Bundesrat in dem Zusammenhang, nicht abzuwarten, dass die OECD einen solchen Standard ausarbeitet und die Schweiz zur Übernahme nötigt. Die Grundidee des Strategievorschlags sei, dass die Schweiz in der internationalen Steuerfrage einen aktiven Schritt mache, erklärt Brunetti am Freitag vor den Bundeshausmedien. Nur so sei es möglich, dass ihre Anliegen in einen neuen Standard einfliessen könnten. Insbesondere sollen der Datenschutz und das Spezialitätsprinzip gewährleistet und die Reziprozität sichergestellt werden. Ein Anliegen der Schweiz ist es zudem, dass auch Trusts und Sitzgesellschaften von einem neuen Standard erfasst würden.
Als ersten Schritt empfiehlt die Expertengruppe, dass die Schweiz die Vorgaben des Global Forum der OECD vollständig umsetzt. Vor der Übernahme neuer Regeln für die Zukunft müsse zudem eine faire Lösung für bestehende unversteuerte Vermögen gefunden werden. Wenigstens für die Bewältigung der Vergangenheit bietet sich gemäss dem Bericht eine Abgeltungssteuer-Lösung an.
Vorgezogene Verhandlungen mit EU
Mit der EU sollten nach Ansicht der Experten schon vor Einführung eines globalen Standards Verhandlungen über den automatischen Informationsaustausch aufgenommen werden. Bedingung ist aber, dass der Marktzugang für die Schweizer Vermögensverwaltung in der EU gewährleistet ist. Die Schweiz ist diesbezüglich unter Druck, weil neue Richtlinien den Marktzugang stark einzuschränken drohen. Der Bundesrat hat den Bericht erst zur Kenntnis genommen. Bis im September soll Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf daraus Schlussfolgerungen ableiten. Schon am Freitag skizzierte sie aber, wie die neue Finanzplatzstrategie des Bundesrats aussehen könnte. Wenn in der G20, der OECD und auf den wichtigsten Finanzplätzen der Standard zum Informationsaustausch anerkannt und eingeführt sei, wolle der Bundesrat eine Vorlage dazu ins Parlament bringen, sagte Widmer-Schlumpf. Als weitere Bedingungen formulierte sie eine Regulierung von Altgeldern nach geltendem Recht sowie die Sicherung des Marktzugangs in der EU.
Semeta kommt am Montag ohne Süssigkeiten
Diese will mit der Schweiz über die Ausweitung der Zinsbesteuerung und den automatischen Informationsaustausch verhandeln. Dazu reist EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta am nächsten Montag nach Bern. Vor den Medien in Brüssel machte er bereits klar, dass er mit der Schweiz unabhängig von der Entwicklung globaler Standards und vor allem rascher eine Lösung finden wolle. Anzubieten hat er im Gegenzug nichts: «Ich bringe keine Süssigkeiten in meiner Tasche mit», sagte er. Süssigkeiten erwartet Widmer-Schlumpf zwar nicht, wohl aber die Gewähr, dass Schweizer Vermögensverwalter auch in Zukunft auf dem EU-Markt Geschäfte machen können. Der Ausgangspunkt sei aber die Zinsbesteuerungsrichtlinie. Bevor sie diese nicht gesehen habe, könne sie sich zu den weiteren Gesprächen mit der EU nicht äussern.
Auch im Bezug auf die Vorgaben des Global Forum der OECD dämpfte sie die Erwartungen. Fortschritte werde es wohl kaum so rasch geben wie von der Expertengruppe gefordert. Man wisse ja, wie das sei im Parlament mit dringlichen Verfahren, sagte sie in Anspielung auf die Debatte zum Steuerstreit-Gesetz. In der ausserordentlichen Session zum Finanzplatz vom nächsten Donnerstag will Widmer-Schlumpf vertieft über mögliche Strategien Auskunft geben. (awp/mc/cs/upd/ps)